Minus Wohnung, plus Schulden: Wie Hypotheken Russen in die Falle locken

Die Krise auf dem russischen Hypothekenmarkt gewinnt an Dynamik: Überfällige Kredite haben 100 Milliarden Rubel überschritten, Bauträger frieren neue Projekte massiv ein und Käufer suchen nach Alternativen zu Hypotheken – von Ratenzahlungen über Leasing bis hin zur Inzahlungnahme. Trotz staatlicher Unterstützungsmaßnahmen ist die Erschwinglichkeit von Wohnraum stark gesunken. Die Banken senken die Kreditzinsen, die Bauträger passen ihre Strategien an und am Horizont zeichnet sich die Gefahr einer Wohnungsknappheit ab. Besonders schwierig ist es für junge Familien, Mieter und diejenigen, die bereits in der Hypothekenfalle stecken. Was passiert mit dem Wohnungsbaudarlehensmarkt, wohin wird es führen und welche Fallen lauern in alternativen Immobilienkaufmodellen – im MK-Artikel.
Hypotheken sparen nicht mehr
Nach Angaben der Nationalen Kreditratingagentur werden im Jahr 2025 in Russland weniger als eine Million neue Wohnungsbaukredite vergeben. Dies bedeutet, dass dieses Segment im Vergleich zum Jahr 2024 um 30–40 % zurückgehen wird. Solche Werte hatten Analysten zuletzt in den Jahren 2016–2017 festgestellt. Interessant ist, dass laut United Credit Bureau (UCB) die Zahl der im März in Russland vergebenen Vorzugshypotheken im Vergleich zum gleichen Zeitraum im Jahr 2024 um 44 % zurückging und das Emissionsvolumen um 41 % sank.
Gleichzeitig verliert der russische Hypothekenmarkt vor dem Hintergrund eines starken Anstiegs des Leitzinses und des Auslaufens zahlreicher staatlicher Unterstützungsprogramme rapide an Stabilität. Die überfälligen Kredite haben bereits die Marke von 100 Milliarden Rubel überschritten und die Bauträger verschieben die Umsetzung neuer Projekte nacheinander. Infolgedessen verlagert sich die Nachfrage auf Zweitwohnungen und Mietwohnungen sowie auf für die meisten Russen ungewöhnliche Modelle – Ratenkauf, Leasing und Inzahlungnahme. Allerdings sind solche Alternativen oft mit erheblichen Risiken verbunden.
Zahlungsrückstände nehmen zu – es gibt keine Refinanzierung
Der starke Anstieg der überfälligen Hypothekenschulden führt bereits jetzt zu einem veränderten Verhalten sowohl der Banken als auch der Kreditnehmer. Nach Angaben der Zentralbank belief sich das Volumen überfälliger Wohnungsbaukredite Anfang März auf 112,2 Milliarden Rubel. Formal sind das zwar nur 0,6 Prozent des gesamten Hypothekenportfolios, Experten warnen jedoch, dass sich die Situation lawinenartig entwickelt.
„Die Wachstumsrate der Zahlungsrückstände ist alarmierend – 6–7 % pro Monat. Das bedeutet, dass die Hypothekenrückstände in eineinhalb bis zwei Jahren 2 % des Portfolios erreichen können. Und das ist bereits eine ernsthafte Risikozone“, erklärt Alexander Bachtin, Anlagestratege bei Garda Capital.
Erschwerend kommt der hohe Leitzins hinzu: Vor dem Hintergrund seiner zweistelligen Werte (aktuell 21 %) ist eine Refinanzierung für die meisten Kreditnehmer nicht mehr möglich. Allerdings sind nicht alle Experten so pessimistisch. Valery Tumin von fam Properties erinnert: „Obwohl das allgemeine Niveau der Zahlungsrückstände weiterhin kontrollierbar ist, reagieren die Banken bereits. Es werden Restrukturierungsprogramme und spezielle Refinanzierungsangebote für gewissenhafte Kreditnehmer aufgelegt. Sollte der Zinssatz in der zweiten Jahreshälfte 2025 gesenkt werden, könnte sich die Situation teilweise verbessern.“
Der Hypothekenflucht ist eine rechtliche Falle?
Vor dem Hintergrund der sich verschlechternden Bedingungen für klassische Hypotheken wächst das Interesse an alternativen Kaufmodellen für Wohneigentum – Ratenzahlung, Inzahlungnahme, Leasing. Aber auch hier liegen die Dinge nicht so einfach. Viele dieser Systeme unterliegen nur unzureichenden gesetzlichen Regelungen, was bedeutet, dass sie rechtliche und finanzielle Risiken bergen.
Polina Gusjatnikowa, Seniorpartnerin bei PG Partners, erklärt: „Ein Ratenkredit ist keine Hypothek. Er bedarf keiner Bankgenehmigung, ist aber auch nicht gesetzlich geschützt. Er ist ein praktisches Instrument für diejenigen, denen 1–2 Millionen Rubel für den Kauf einer Wohnung fehlen, die aber in ein bis zwei Jahren abbezahlt sein werden. Sollte der Bauträger jedoch Probleme haben, wird es äußerst schwierig, das Geld oder die Wohnung zurückzubekommen.“
Ähnlich verhält es sich beim Leasing. Auf dem Papier sieht es attraktiv aus: Keine Anzahlung erforderlich, Sie können sofort einziehen. Allerdings gibt es auch einen gravierenden Nachteil: Erst mit der vollständigen Bezahlung geht die Wohnung in Ihr Eigentum über. „Wenn der Vermieter pleitegeht, besteht die Gefahr, dass Sie vor dem Nichts stehen“, warnt Gusyatnikova.
Bei der Inzahlungnahme ist die größte Enttäuschung laut Experten mit der Unterbewertung der Altwohnung verbunden. „Einfach ausgedrückt: Der Bauträger kauft Ihre Immobilie unter dem Marktpreis auf – und muss sie dann verkaufen. Sie verlieren Geld, sparen sich aber den bürokratischen Aufwand“, fügt sie hinzu.
Elman Mekhtiev, Gründer des Dienstes Kredchek, weist auf ein weiteres Problem hin: „Die Bedingungen für solche Systeme sind oft undurchsichtig. Alle Boni und Provisionen sind im Preis enthalten, und wenn die Zahlung aus irgendeinem Grund unerschwinglich wird, verliert man alles. Und man kann nichts zurückgeben: Das Verbraucherschutzgesetz funktioniert hier kaum.“
Wohnungsmangel: Mythos oder Bedrohung?
Einigen Prognosen zufolge könnte es bis 2027 zu einem Wohnungsmangel von bis zu 30 % auf dem Markt kommen. Gründe dafür sind das Einfrieren neuer Projekte, steigende Kosten und ein erschwerter Zugang zu Finanzierungen. Dieses Problem kann junge Familien, Mieter und bestehende Hypothekeninhaber besonders hart treffen.
Alexander Bachtin ist jedoch der Ansicht, dass die Gefahr eines Engpasses übertrieben wird: „Selbst wenn die Bauarbeiten jetzt eingestellt werden, verfügen die Bauträger über Reserven an fertigen und halbfertigen Projekten für weitere drei Jahre. Der Markt kehrt gerade zur Realität zurück, und das ist für alle schmerzhaft – insbesondere für diejenigen, die Häuser zu überhöhten Preisen gekauft haben.“
Valery Tumin bezeichnet die 30-Prozent-Prognose als „szenariobasiert“: „Wir sprechen eher vom Risiko eines vorübergehenden Ungleichgewichts als von einem absoluten Wohnungsmangel. Bauträger passen ihre Strategien an: Sie setzen auf Spot-Entwicklung, fördern den individuellen Wohnungsbau und nutzen Infrastrukturanleihen. Das trägt dazu bei, die Krise zu glätten.“
Wenn in den kommenden Jahren jedoch keine neuen Fördermaßnahmen eingeführt werden, besteht für viele die Gefahr, vom Markt ausgeschlossen zu werden. Laut Elman Mekhtiyev sollte nicht die Ausweitung der Tarifsubventionen Priorität haben, sondern die Finanzierung von Risikoversicherungen: „So können wir mehr Menschen versichern, ohne die Haushaltsausgaben zu erhöhen. Und dann gibt es kein Ungleichgewicht bei der Nachfrage nur nach Neubauten.“
Der Markt sucht nach Gleichgewicht
Der russische Immobilienmarkt erlebt nicht nur eine Korrektur, sondern einen Systemwandel. Die Mechanismen, die in den vergangenen fünf bis sieben Jahren für ein stabiles Umsatzwachstum sorgten – günstige Hypotheken, Massenbau und Vorzugsprogramme – funktionieren nicht mehr. Sie werden durch komplexere und weniger transparente Systeme ersetzt, die vom Käufer ein hohes Maß an Finanzkompetenz erfordern.
In dieser Übergangsphase ist besondere Vorsicht geboten: Verträge sorgfältig prüfen, Risiken abwägen und sich nicht auf „einfache“ Lösungen verlassen. Wie die Praxis zeigt, verbergen sich hinter einfachen Plänen oft rechtliche und finanzielle Fallen. Und es ist an der Zeit, dass der Staat zugibt, dass die Stützung der Nachfrage durch Subventionen der Vergangenheit angehört, davon sind Experten überzeugt. Die Zukunft liegt in der Entwicklung neuer Finanzierungsformen und im Verbraucherschutz.
Expertenmeinung
Vladislav Plitin, leitender Finanzberater der Fontvielle Investment Company, sprach mit MK über die aktuellen Probleme und Aussichten von Hypotheken.
- Die Tatsache, dass die Hypothekenrückstände in Russland 100 Milliarden Rubel überschritten haben, ist eine direkte Folge der Überschuldung vor dem Hintergrund von Vorzugsprogrammen und einer starken Erhöhung des Leitzinses. Viele Kreditnehmer nahmen Hypothekendarlehen auf, obwohl sie ihre finanziellen Möglichkeiten noch nicht ausgeschöpft hatten, und rechneten damit, sie später refinanzieren zu können. Angesichts des exorbitant hohen Leitzinses sind die Banken nicht bereit, die Bedingungen zu lockern, und die staatlichen Unterstützungsprogramme sind entweder ausgelaufen oder verschärft worden. Dadurch wächst die Kreditbelastung und die Zahl der Kreditnehmer, die in der Schuldenfalle stecken, nimmt zu.
- Welche Gefahren drohen Verbrauchern bei der Wahl alternativer Kaufmodelle für Eigenheime (Ratenkauf, Leasing, Inzahlungnahme) – beispielsweise versteckte Gebühren oder Verlust von Eigentumsrechten?
- Vor dem Hintergrund der Probleme mit Hypotheken erfreuen sich alternative Kaufmodelle für Eigenheime – Ratenzahlung, Leasing, Inzahlungnahme – zunehmender Beliebtheit, bergen jedoch erhebliche Risiken. Ratenzahlungen sind nicht durch das Hypothekengesetz geschützt, was bedeutet, dass Sie bei Problemen mit dem Bauträger sowohl Ihr Geld als auch Ihre Wohnung verlieren können. Beim Leasing besteht bis zum Ende der Zahlungen kein Eigentumsrecht und bei der Inzahlungnahme hängt alles von der Zuverlässigkeit des Bauträgers und der Angemessenheit der Immobilienbewertung ab. Hinter der scheinbaren Einfachheit verbergen sich ein hohes Maß an Unsicherheit und ein schwacher Rechtsschutz.
- Wie realistisch ist die Prognose eines Wohnungsdefizits von 30 % bis 2027 und welche Bürgergruppen werden zuerst darunter leiden?
- Diese Prognose für 2027 erscheint durchaus realistisch: Die Bautätigkeit verlangsamt sich und die Nachfrage könnte vor dem Hintergrund der Einkommenserholung steigen. Gefährdet sind junge Familien, Mieter und Hypothekeninhaber – also diejenigen, für die eine Wohnung keine Investition, sondern eine lebenswichtige Notwendigkeit ist. Wenn sich die Situation nicht ändert, werden sie als Erste mit einem Mangel an bezahlbarem Wohnraum konfrontiert sein.
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