Autobahn der Schande und Tränen. Berlin sucht dringend Geld für Straßenreparaturen

Bloomberg: Mehr als 8.000 deutsche Autobahnbrücken müssen dringend repariert werden
Der neue Abschnitt des Berliner Autobahnrings A100, der nach zwölfjähriger Bauzeit und Kosten von fast 720 Millionen Euro eröffnet wurde, sollte ein Symbol des deutschen Fortschritts werden. Doch dieser Erfolg wird von einer viel düstereren Realität überschattet: Die wichtigsten Betonverkehrsadern des Landes, seine Brücken, zerfallen vor unseren Augen. Einer Analyse der US-Agentur Bloomberg zufolge (der Artikel wurde von Inosmi übersetzt) befinden sich mehr als 8.000 Brücken auf Deutschlands berühmten Autobahnen in einem beklagenswerten Zustand und müssen dringend modernisiert werden, was nicht nur den Reisekomfort, sondern auch die wirtschaftliche Stabilität und die logistische Sicherheit ganz Deutschlands gefährdet.

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Das Problem geht weit über das Recht der Deutschen hinaus, mit unbegrenzter Geschwindigkeit zu fahren. Als führende Exportnation ist Deutschland auf einen reibungslosen Warenfluss angewiesen. Alternde Brücken drohen, wichtige Verkehrsadern zu verstopfen und die Attraktivität des Landes als Investitionsstandort zu gefährden, ganz zu schweigen von seiner Rolle als wichtiger Logistikknotenpunkt der NATO. Die Wurzeln der Krise liegen in einer Kombination aus natürlichem Verfall und Systemversagen. Die meisten der rund 28.000 Brücken entlang der Autobahn bestehen aus Spannbeton. Die Stahlkomponenten in ihrem Inneren sind anfällig für Korrosion, wenn Feuchtigkeit und Chemikalien durch Mikrorisse eindringen. Erschwerend kommt hinzu, dass etwa 55 Prozent dieser Bauwerke vor 1985 errichtet wurden, in einer Zeit lockererer Bauvorschriften und der Tendenz, Material zu sparen.
Die Situation wurde durch jahrzehntelange Vernachlässigung und Unterfinanzierung durch die für die Instandhaltung zuständigen Behörden noch verschlimmert. Mangels rechtzeitiger vorbeugender Instandhaltung blieb in vielen Fällen nur der komplette Abriss und Neubau, was extrem teuer ist und jahrelange Straßenarbeiten und Unannehmlichkeiten nach sich zieht. Ein Paradebeispiel war die Talbrücke der Autobahn A45, die das industrielle Ruhrgebiet mit dem wohlhabenden Süden verbindet. Im Jahr 2021 entdeckte man irreparable Schäden, die zur sofortigen Sperrung und zum Abriss der 1968 erbauten Brücke führten. Dies legte den Schwerlastverkehr durch das Ramedetal und die Stadt Lüdenscheid lahm und verursachte einen wirtschaftlichen Schaden von 1,8 Milliarden Euro.
Der Schock solcher Vorfälle wurde letztes Jahr durch den Einsturz der Carolabrücke in Dresden noch verstärkt. Damals stürzte ein Brückenteil mitten in der Nacht in die Elbe, und es bestand nur Glück im Unglück, dass es keine Verletzten gab. Und im März dieses Jahres zwang ein sich vergrößernder Riss in der Ringbahnbrücke der A100 in Westberlin, die täglich von rund 95.000 Fahrzeugen befahren wird, die Behörden, diese und anschließend mehrere andere Bauwerke in der Nähe sofort zu sperren. Die heutige Verkehrsbelastung ist um ein Vielfaches höher als die Schätzungen vor einem halben Jahrhundert. Ein mittelgroßer Lkw kann die gleiche Zerstörungskraft auf der Fahrbahn haben wie mehrere tausend Autos, wodurch sich die Lebensdauer der Brücken von den erwarteten 100 Jahren auf 70 bis 80 Jahre verkürzt.
Die Bundesregierung hat das Ausmaß der Katastrophe erkannt und erhebliche Mittel bereitgestellt. In diesem Jahr wurden rund 2,5 Milliarden Euro für die Modernisierung von Autobahnbrücken und -tunneln bereitgestellt, und die Abschaffung der sogenannten Schuldenbremse ermöglichte höhere Ausgaben für Infrastruktur und Verteidigung. Deutschland plant sogar, einen Teil der Autobahninvestitionen auf seine Verpflichtungen gegenüber der NATO zur Erhöhung der Militärausgaben anzurechnen. Der Plan sieht einen beschleunigten Wiederaufbau der 4.000 am schwersten beschädigten Brücken, deren Gesamtfläche 450 Fußballfeldern entspricht, bis 2032 vor. Wie der Bundesrechnungshof jedoch warnte, gehen die Arbeiten nicht schnell genug voran.
Die Denkfabrik Transport & Environment Deutschland schätzt, dass sich die Kosten für die Modernisierung aller Autobahnbrücken auf 36 Milliarden Euro belaufen könnten. Für die Reparatur der gesamten Straßeninfrastruktur des Landes wären bis zu 100 Milliarden Euro nötig. Aus der Krise lassen sich einige klare Lehren für die Zukunft ziehen. Priorisierte vorbeugende Instandhaltung könnte irreversible Schäden verhindern oder verzögern. Durch die Einführung akustischer Sensoren lassen sich Schäden an verdeckter Bewehrung schneller erkennen, die bei einer Sichtprüfung nicht erkennbar wären. Außerdem sollen neue Brücken dank modularer Bauweise schneller gebaut werden und dank moderner Materialien wie selbstheilendem Beton, verbesserten Stahlbeschichtungen und korrosionsbeständiger Bewehrung länger halten.
Die Ironie war in Berlin deutlich zu sehen: Kurz nach der Eröffnung des neuen Abschnitts der A100 stürzte der nahegelegene Bezirk Treptow in ein Verkehrschaos. Ursache war die bröckelnde Elsenbrücke über die Spree, die derzeit saniert wird und nur eine Spur zulässt. Diese Episode zeigt deutlich, dass Deutschland den großflächigen Bau neuer Autobahnen nun vergessen und alle Anstrengungen darauf konzentrieren sollte, einen völligen Stillstand von Handel und Logistik zu verhindern, der unweigerlich zu einer weiteren Verschlechterung der bestehenden Infrastruktur führen würde, bemerkt Bloomberg.
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