Unwetterkatastrophen: Wie Wetterextreme Europas Volkswirtschaften belasten

Der Sommer ist vorbei, und viele haben hierzulande das Gefühl, dieser Sommer sei gar kein richtiger gewesen: Es gibt Beschwerden über zu wenige Badetage oder über regnerische Tage im Juli und August.
Vor allem in Regionen in Südeuropa gab es allerdings enorme Hitzewellen, dazu noch andere Extremwetter wie Dürren oder Überflutungen. Rund ein Viertel der EU-Regionen war diesen Sommer von derartigen Wetterextremen betroffen, wie aus einer Studie der Universität Mannheim und der Europäischen Zentralbank (EZB) hervorgeht.
Die Forschenden stellen fest, dass das auch enorme wirtschaftliche Folgen nach sich zieht: Die Extremwetterereignisse in diesem Sommer führen demnach dazu, dass die Bruttowertschöpfung in den betroffenen Regionen um etwa 43 Milliarden Euro sinkt – allein in diesem Jahr. Laut Schätzungen der Studie soll die Bruttowertschöpfung bis 2029 gar um 126 Milliarden Euro geringer sein als es ohne diese Extremwetterereignisse der Fall gewesen wäre. Für die Studie nutzten die Forschenden Wetterdaten von Juni bis August 2025, berücksichtigen allerdings nur Folgen von Dürren, Hitze und Überflutungen.
Für die enormen wirtschaftlichen Folgen gibt es verschiedene Gründe. Die Studie berücksichtigt sowohl direkte als auch indirekte Kosten. Überschwemmungen etwa beschädigen Infrastruktur und Gebäude direkt, das Ahrtal lässt grüßen. Dürren belasten hauptsächlich die Landwirtschaft, wenn Ernten ausfallen. Indirekte Kosten entstehen beispielsweise durch Hitze: Diese führt zu einer geringeren Produktivität, beispielsweise im Bau- und Gastgewerbe.
Besonders betroffen sind Spanien, Italien und das, wegen schwieriger Haushaltslage, ohnehin schon klamme Frankreich. Um zwischen knapp 34 und knapp 35 Milliarden Euro könnte die Bruttowertschöpfung bis 2029 in den drei Länder jeweils sinken. „Dabei handelt es sich um konservative Schätzungen“, erklärt Miles Parker, EZB-Ökonom und Co-Autor der Studie. Die tatsächlichen Kosten übersteigen diese Zahlen womöglich.
Denn Waldbrände wurden nicht berücksichtigt – dazu fehlt die Datengrundlage. Dabei haben diese laut Studie vor allem im Juli und August etwa eine Million Hektar innerhalb der Europäischen Union verbrannt, also knapp viermal die Größe des Saarlands. Auch Hagel und Sturmereignisse blieben aufgrund fehlender daten außen vor. Auch der Einfluss auf Lebensmittelpreise bleibt unberücksichtigt. Parker zufolge können Hitzewellen beispielsweise zu geringerer wirtschaftlicher Aktivität führen. Auch für den Fiskus könne es deshalb zu negativen Folgen kommen: geringere Steuereinnahmen, höhere Ausgaben für Bürgergeld.
Zwar fallen die wirtschaftlichen Folgen in nord- und mitteleuropäischen Ländern wie Dänemark, Schweden oder Deutschland deutlich geringer aus als in Südeuropa, trotzdem kommt es der Studie zufolge auch hier zu häufigeren und schwereren Extremwetterereignissen, vor allem zu Überflutungen. Die Volkswirtschaft in Deutschland muss demnach bis Ende 2029 mit rund 2,5 Milliarden Euro an Bruttowertschöpfungsminderung rechnen. In diesem Jahr war vor allem Norddeutschland von Überflutungen betroffen.
Serish Usman, Co-Autorin der Studie und Post-Doktorandin am Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Corporate Governance der Universität Mannheim, erklärt in der Pressemitteilung: „Die tatsächlichen Kosten extremer Wetterereignisse werden erst nach und nach sichtbar, da diese Ereignisse das Leben und den Lebensunterhalt der Menschen über eine Vielzahl von Kanälen beeinflussen, die über die unmittelbaren Auswirkungen hinausgehen.“
Die Studie zeigt, dass Extremwetter auch die heutige wirtschaftliche Entwicklung beeinflussenDas Besondere an dieser Studie ist deshalb, dass die wirtschaftlichen Folgen erstmals auch anhand von aktuellen Wetterdaten bemessen werden. Die Forschenden kombinieren diese mit historischen Daten und Folgen für die wirtschaftliche Entwicklung aus einer früheren Studie, um so zeitnahe Schäden für die Wirtschaft einzuschätzen. Parker erläutert, dass die zwei wesentlichen Vorteile ihres Ansatzes seien, dass er aktuelle Daten liefere und die Bruttowertschöpfung insgesamt berücksichtigt werde – also nicht nur direkte Schäden, sondern auch indirekte. Hitze beispielsweise verursache nicht viele direkte Schäden, dafür aber indirekte, erklärt der EZB-Ökonom.
Die Kosten extremer Wetterereignisse sind enorm. Die Studienautoren warnen, Nichtstun sei teurer als Maßnahmen zur Klimaanpassung. Die Studie zeigt, dass Extremwetter bereits die heutige wirtschaftliche Entwicklung, nicht erst die zukünftige, beeinflussen.
Von der Studie erhoffen sich die Autoren, dass auch politische Entscheidungsträger entsprechend reagieren. „Durch zeitnahe Abschätzungen der Auswirkungen können politische Entscheidungsträger ihre Unterstützung gezielt einsetzen und Strategien anpassen, während sich die Folgen extremer Ereignisse noch entfalten“, heißt es von Co-Autorin Usman.
Maßnahmen können beispielsweise sein, sich Klimafolgen anzupassen. So sei es etwa wichtig, sich gegen Schäden durch Extremwetter zu versichern, erklärt Parker. „Die Forschung hat gezeigt, dass Versicherungen einer schnellen wirtschaftlichen Erholung helfen“, sagt Parker. Jedoch gibt es gravierende Unterschiede zwischen verschiedenen europäischen Ländern. In einigen von ihnen sind laut Europäischer Umweltagentur weniger als fünf Prozent der direkten Schäden versichert, in wenigen mehr als 50 Prozent. Hierzulande liegt der Wert zwischen 20 und 35 Prozent.
Co-Autor Parker meint jedoch, dass „Maßnahmen zur Anpassung begrenzt sind – wir können uns mit Anpassungsmaßnahmen allein nicht aus dem Klimawandel herausmanövrieren“. Er betont, dass der einzige Weg, um zu verhindern, dass Extremwetterereignisse häufiger auftreten, sei, das CO2-Neutralitätsziel zu erreichen.
süeddeutsche