Rüstung: Warum Rheinmetall jetzt auch Schiffe baut

Deutschlands dominierender Rüstungskonzern will auch auf dem Wasser eine führende Rolle spielen: Rheinmetall übernimmt die Militärsparte der Lürssen-Gruppe und damit vier Werften in Norddeutschland, die unter anderem Fregatten und Korvetten bauen. „Künftig werden wir zu Lande, zu Wasser, in der Luft und im Weltraum ein relevanter Akteur sein“, sagte Rheinmetall-Chef Armin Papperger. „Wir schaffen ein Powerhouse der Marine in Deutschland.“
Sein Konzern ist vor allem für Panzerfahrzeuge und Munition bekannt, drängt aber massiv in andere Bereiche der Rüstungsindustrie. Rheinmetall hat im vergangenen Jahr knapp 10 Milliarden Euro Umsatz gemacht, will bis 2030 aber 40 bis 50 Milliarden erreichen. Das Düsseldorfer Unternehmen erlebt durch die Aufrüstung einen in der Industrie beispiellosen Boom - ebenso wie seine Aktie: Am Mittwoch stieg der Kurs bis zum Nachmittag um gut 2 Prozent auf den Rekordwert von mehr als 1900 Euro.

Papperger will ein Systemhaus schaffen, das verschiedene Waffensysteme vernetzt. „Durch den Zukauf werden wir nicht nur zum Produzenten schwimmender Plattformen“, sagte Papperger. „Als integriertes Marine-Kraftzentrum wollen wir komplette Systemlösungen anbieten.“ Bei Rheinmetall steht jedes Jahr rund eine Milliarde Euro für Zukäufe bereit, um „die Lücken im Angebot zu füllen“.
Naval Vessels Lürssen (NVL) dürfte etwas über dieser Marke liegen, der Preis wurde jedoch nicht genannt. Das Unternehmen machte im vergangenen Jahr eine Milliarde Euro Umsatz, soll im Branchenvergleich überdurchschnittlich profitabel sein und beschäftigt rund 2100 Menschen. Die wichtigsten Standorte sind Blohm+Voss sowie die Norderweft in Hamburg, die Neue Jadewerft in Wilhelmshaven und die Peene-Werft in Wolgast. Hinzu kommen Niederlassungen in Kroatien, Bulgarien, Ägypten, Singapur und Brunei.
NVL ist damit die zweitgrößte deutsche Marinewerft hinter der doppelt so großen TKMS in Kiel, einer Tochtergesellschaft des Thyssenkrupp-Konzerns, die vor allem für U-Boote bekannt ist. Als Dritter im Bunde gilt die ebenfalls in Kiel ansässige German Naval Yards. Um diese Unternehmen drehen sich seit Jahren Spekulationen, denn eine Konsolidierung der Marinewerften in Deutschland, aber auch in Europa insgesamt, gilt als überfällig.
So hat sich Peter Lürßen, Miteigentümer der Lürssen-Gruppe, schon vor zwei Jahren für Partnerschaften und Fusionen ausgesprochen - dabei hatte er allerdings eher TKMS im Blick statt Rheinmetall. Papperger wiederum spielte mit dem Gedanken, bei TKMS einzusteigen. Deren Chef Oliver Burkhard jedoch hat eigene Wachstumspläne und bereitet gerade den Börsengang vor, der TKMS weitgehend vom kriselnden Thyssenkrupp-Konzern abkoppeln soll.
Rheinmetall hat mit seinem Vorstoß nun die Dinge in Bewegung gebracht. Weitere Schritte könnten folgen, denn Papperger hat große Ziele mit NVL. Aus erwarteten 1,3 Milliarden Euro Umsatz in diesem Jahr sollen 2030 mindestens 5 Milliarden werden. Die operative Gewinnmarge soll von 10 auf über 15 Prozent steigen. NVL würde dann mindestens 750 Millionen Euro vor Zinsen und Steuern (Ebit) verdienen.
Ein wichtiger Treiber soll wachsende Nachfrage in Deutschland sein, denn die Marine hat großen Nachholbedarf bei ihren Schiffen. Rheinmetall rechnet sich mit seiner weltweiten Präsenz aber auch bessere Chancen bei internationalen Aufträgen aus. Und schließlich sieht der Konzern auf den Schiffen viel Potenzial für seine Waffensysteme, Sensoren, Radare und Kommunikationslösungen, die jetzt schon zum Teil an die Werften geliefert werden. Ein Nebeneffekt für Rheinmetall: Die Werftbetriebe mit ihrem schweren Gerät sind auch für Arbeiten an Panzerfahrzeugen geeignet.

Lürssen wird sich nun auf sein Spezialgebiet, den Bau von Luxusjachten konzentrieren. Einige der weltgrößten Jachten kommen von dem 150 Jahre alten Familienunternehmen, darunter die 180 Meter lange „Azzam” im Besitz der Herrscherfamilie Abu Dhabis. Schon vor vier Jahren hat Lürssen die Jacht- und die Marinesparte komplett getrennt, erst Anfang dieses Jahres hat Lürssen die Nobiskrug-Werft in Rendsburg übernommen und der Jachtsparte zugeschlagen.
„Die Gespräche der letzten Wochen haben gezeigt, dass die Chemie zwischen unseren Unternehmen stimmt und wir ähnliche Werte haben“, sagte Miteigentümer Peter Lürßen. Im Geschäft mit Kriegsschiffen stieß das Familienunternehmen wohl auch an seine Grenzen. Der Bau von fünf Korvetten für die Bundesmarine hat sich massiv verzögert. Sie hätten seit 2022 ausgeliefert werden sollen, bisher haben aber nur die ersten beiden Exemplare wenigstens Probefahrten absolviert.
Auch die Arbeitsteilung zwischen den NVL-Standorten halten Branchenkenner nicht für optimal. Sie rechnen damit, dass Papperger einiges im Unternehmen ändern wird, sobald Rheinmetall voraussichtlich Anfang 2026 das Sagen bei NVL hat.
Die Gewerkschaft sieht die Übernahme deshalb auch mit gemischten Gefühlen. „Es bleiben viele Fragen offen“, sagte Daniel Friedrich, Bezirksleiter Küste der IG Metall. Zwar seien dank der guten Auftragslage akut keine Jobs gefährdet, aber Rheinmetall müsse Garantien geben und Tarifverträge schließen. Bisher gebe es keine Klarheit über das industriepolitische Konzept und geplante Synergien.
rnd