Das Gold-Rally macht gierig: Schweizer wollen Rendite, nicht nur Sicherheit

Anleger kaufen immer mehr Gold, aber auch Silber. Sie spekulieren, dass die Preise für Edelmetalle weiter steigen – und sehen eine Finanzkrise vor der Tür, wie eine Umfrage zeigt.
Lucia Hunziker / Bloomberg
Gold glänzt immer heller. Der Rekordflug des Goldpreises in den vergangenen Monaten schürt unter Anlegern neue Erwartungen. Traditionell gilt das Edelmetall als sicherer Hafen, um in Krisen eine stabile Geldanlage oder einen Schutz vor Inflation zu bieten. Jetzt leuchtet ein weiterer Grund: Wenn Schweizerinnen und Schweizer heute Gold kaufen, wollen sie auch eine Wertsteigerung. Rendite ist nach Stabilität das zweitwichtigste Motiv geworden.
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Diese Entwicklung belegt eine repräsentative Umfrage, welche die Hochschule St. Gallen (HSG) für den Edelmetallhändler Philoro durchführt hat. Im Jahr 2019, bei einer früheren Erhebung, sei die Rendite noch ein Schlusspunkt unter den Gründen für eine Investition in Edelmetalle gewesen, sagt Christian Brenner, Geschäftsführer von Philoro Schweiz. «Jetzt nimmt sie aufgrund der Wertsteigerung einen vorderen Platz ein. Die Kunden erwarten Kurssprünge.»
Furcht vor der nahenden FinanzkriseRendite ist eine potenziell heikle Erwartung an eine Geldanlage, die keine laufenden Erträge bietet. Der Wert der Barren und Münzen hängt allein von der Nachfrage ab. Doch für den Moment ist die Nachfrage ungebrochen: Der Goldpreis hat allein in den vergangenen zwölf Monaten um 60 Prozent zugelegt und steht bei mehr als 4100 Dollar je Unze.
Schweizer Anleger haben ihren Beitrag geleistet: Wenn sie physisches Gold (ohne Schmuck) besitzen, sind es derzeit durchschnittlich 115 Gramm – knapp 15 Prozent mehr als vor einem Jahr. Gleichzeitig verkaufen auch ungewöhnlich viele Schweizer Gold, um von den Kurssteigerungen zu profitieren, wie Brenner zu berichten weiss. Doch die Käufer sind deutlich in der Mehrheit.
Das könnte mit ihrer pessimistischen Einstellung zusammenhängen: 72 Prozent der Befragten erwarten innerhalb der nächsten fünf Jahre eine Finanzkrise. «Angesichts von geopolitischen Unsicherheiten und Handelskonflikten gehen die Leute davon aus, dass eine Krise kommt», sagt Sven Reinecke, Direktor des Instituts für Marketing und Customer Insight an der HSG.
Gold wird damit seinem Ruf als «Fluchtwährung» gerecht. Das Edelmetall ist auch im Wettstreit mit anderen Anlageformen beliebter geworden. Wenn Schweizer einen grösseren Geldbetrag zur freien Verfügung hätten, würden sie in 30 Prozent der Fälle in Gold investieren, ergab die Befragung. Das sind fast 4 Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. An der Spitze stehen unangefochten mit 43 Prozent die Immobilien, im Volksmund auch Betongold genannt.
Ungebrochene Liebe zum Sparkonto«Sehr überraschend liegen Giro- und Sparkonten bei der Beliebtheit immer noch auf Platz zwei», konstatiert HSG-Experte Reinecke. Er bringt dies unter anderem mit einer gewissen Trägheit der Anleger in Verbindung. Die Konten sind in der Regel nicht oder sehr tief verzinst. Manchmal sind die Schweizer aber auch aufgeschlossen: Mit knapp 18 Prozent sind Kryptowährungen inzwischen etwas beliebter als Renten- und Lebensversicherungen (Mehrfachnennungen waren möglich).
Insgesamt halten derzeit 71 Prozent der Schweizer Edelmetalle für eine sinnvolle Anlageform. 2019 waren es erst 61 Prozent. Im Schatten des Goldes erlebt auch Silber einen Aufschwung. Nicht nur an den Finanzmärkten, wo der Preis je Unze in den vergangenen zwölf Monaten immerhin um rund die Hälfte geklettert ist.
Auch Schweizer Investoren greifen öfter zu Silber: «Kunden, die früher nur Gold kauften, nehmen jetzt Silber als Beimischung hinzu», berichtet Christian Brenner von Philoro. Dabei dürfte auch eine Rolle spielen, dass Gold bereits so teuer geworden ist, und Anleger eine Alternative suchen. Noch überwiegt allerdings die klassische «Anlageform» des Edelmetalls: Von den durchschnittlich 377 Gramm, die ein Silberbesitzer sein Eigen nennt, liegt der grösste Teil als Schmuck oder Besteck im Schrank oder der Schublade.
nzz.ch