Bahn-Generalsanierung Hamburg-Berlin startet im August - doch reicht das Geld?

Die Deutsche Bahn steht vor der nächsten Bewährungsprobe: Anfang August beginnt die Generalsanierung einer der meistbefahrenen Strecken Deutschlands zwischen Hamburg und Berlin. Bis Ende April 2026 wird die 280 Kilometer lange Strecke komplett gesperrt: Knapp 180 Kilometer Gleis und rund 200 Weichen sollen erneuert werden. Auch neue Funkmasten, zusätzliche Überholgleise sowie Bauarbeiten an 28 Bahnhöfen wird es geben.
„Dank all dieser Maßnahmen muss in den kommenden Jahren deutlich weniger gebaut werden“, betont die Deutsche Bahn. Klar ist allerdings jetzt schon, dass das ursprünglich eingeplante digitale Zugkontrollsystem ETCS erst später eingebaut wird.
Die Vorbereitungen für die Generalsanierung laufen seit Monaten: Fernzüge zwischen Haupt- und Hansestadt fahren ab August über Umwege und 45 Minuten länger, aber weiterhin direkt und ohne Umstieg. Nahverkehrspendler hingegen müssen neun Monate lang auf Ersatzverkehre mit Bussen ausweichen und Geduld für teils deutlich längere Fahrzeiten mitbringen. Insgesamt sollen auf 28 Buslinien durch Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein täglich bis zu 86.000 Kilometer gefahren werden, so der Plan.
Ein Verbund mittelständischer Busunternehmen aus Süddeutschland hat die europaweite Ausschreibung für den Auftrag gewonnen: Ecovista ist mit mehr als 200 neuen Bussen, inklusive Ersatzbussen, am Start. Sie leuchten wie schon beim Riedbahn-Ersatzverkehr weithin sichtbar in knalligem Purpur. 500 Fahrerinnen und Fahrer wurden eingestellt, teils aus dem europäischen Ausland.
„Entlang der Strecke wurden insgesamt sieben Standorte eingerichtet, an denen das Fahrpersonal untergebracht ist und die Busse geparkt werden”, erläutert eine Mitarbeiterin von Ecovista. Derzeit lädt die DB entlang der Busrouten Anwohner und Pendler zu Roadshows ein, um sie vor Ort mit Infos zu Fahrplänen und Umsteigemöglichkeiten sowie ersten Blicken in die Busse zu versorgen. Ob die Busse pünktlich oder mit Verspätung unterwegs sind, können die Fahrgäste in Echtzeit via DB-App verfolgen.
Vor allem in den ersten Wochen werde man die Nutzung der Busse genau beobachten und auch Fahrgäste zählen, sagt eine DB-Sprecherin. „Mit den Daten können die Projektpartner Buskapazitäten dann gegebenenfalls anpassen.“
Schon jetzt zeichnet sich ab: Im Vergleich zu Hamburg-Berlin war die Generalsanierung der Riedbahn zwischen Frankfurt und Mannheim 2024 eine Art Aufwärmübung - nur 70 Kilometer lang, nur fünf Monate Sperrung und ein Ersatzverkehr fast parallel zur Bahntrasse. Trotzdem war sie mit insgesamt rund 1,5 Milliarden Euro deutlich teurer als geplant, zunächst war von 500 Millionen Euro die Rede. Nun startet die Variante für Fortgeschrittene. Auch preislich gesehen. Denn bereits vorab sind die Kosten mit 2,2 Milliarden Euro veranschlagt.
Fortgeschritten sind die Herausforderungen auch für den Güterverkehr, der teils sogar Hunderte Kilometer Umwege in Kauf nehmen muss. Die Kritik der Branche hält deshalb an. „Die Umleitungen sind weder optimal geplant noch ausreichend ertüchtigt”, moniert das Güterbahn-Netzwerk Europäischer Eisenbahnen (NEE). Grundsätzlich ist den Güterbahnen die jüngst von der DB angekündigte Entzerrung des Sanierungszeitplans bis 2036 zwar willkommen - am liebsten sähe man Nachbesserungen im Konzept jedoch ab sofort und nicht erst ab 2027.
Matthias Gastel, Bahnexperte der Grünen-Bundestagsfraktion
Matthias Gastel, Bahnexperte der Grünen im Bundestag, hingegen drängt auf mehr Tempo. „Ich sehe sehr kritisch, dass die jetzige Koalition die notwendige Grundsanierung verzögern möchte. Denn ich weiß nicht, ob die Infrastruktur einen Aufschub von bis zu fünf Jahren überhaupt durchhält“, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Außerdem werde es bis dahin weiterhin ein sehr hohes Störaufkommen geben.
„Diese Koalition will nicht die notwendigen Mittel in die Schiene investieren“, kritisiert Gastel. Sanierungen und Ersatzinvestitionen - also Dinge, die immer wieder nötig sind - seien aus dem Regelhaushalt in das Sondervermögen Infrastruktur verschoben worden. „Es wäre aber klug, das Sondervermögen nur für Dinge zu nutzen, die irgendwann ein Ende haben – wie Neubau, Digitalisierung oder Elektrifizierung." Das alles sei unterfinanziert, sagt Gastel. „2029 wird mehr als eine Milliarde Euro fehlen.“
Tatsächlich gibt es in Deutschland immer noch zahlreiche Strecken ohne Oberleitungen, auf denen weiterhin Dieselloks unterwegs sind: Nur 62 Prozent des Schienennetzes ist bisher elektrisiert. Das Ziel bis 2030 lautet 75 Prozent. Um dies zu erreichen, müssten jedoch 600 Kilometer pro Jahr elektrisiert werden - derzeit schafft man kaum mehr als ein Zehntel davon.
Bahnchef Richard Lutz hat angesichts des Haushaltsbeschlusses bereits gewarnt, der Aus- und Neubau der Schienen könne ins Stocken geraten. Schon gegenüber dem bereits bestehenden Bedarf gebe es eine Lücke von 17 Milliarden Euro. Auch die Grünen-Fraktion schlägt Alarm: Die Bundesregierung beschere kommenden Regierungen ein massives Problem im Kernhaushalt. Es sei völlig offen, wie es mit der Schienenfinanzierung nach dem Auslaufen des Sondervermögens weitergehe, heißt es dort.
In der Tat dürfte es ein Kraftakt werden, dann von Neuem Milliardensummen in einen Regelhaushalt einzustellen. Zu den Schienenprojekten, deren Finanzierung wackelt, gehören unter anderem der seit Jahren umkämpfte Brenner-Nordzulauf, die Neubaustrecke Hamburg-Hannover oder der Ausbau der Franken-Sachsen-Magistrale zwischen Nürnberg, Hof und Dresden.
rnd