Japans Anleiherenditen auf Langzeithoch – eine Wahl sorgt am Bondmarkt für Aufregung


Japans Anleger haben Wahlen lange ignoriert. Doch die Oberhauswahlen am 20. Juli wirken sich drastisch auf den Anleihemarkt aus. In dieser Woche stiegen die Renditen für zehnjährige Anleihen auf 1,59 Prozent, den höchsten Wert seit 2008. In einem Land, dessen Leitzins nach Jahrzehnten der Nullzinspolitik noch heute bei 0,5 Prozent liegt, ist das ein hoher Wert. Papiere mit 20- und 30-jähriger Laufzeit übertrafen sogar das Niveau von 1999.
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Als Grund gelten eine mögliche Wahlniederlage der Regierungskoalition und ihre Auswirkungen auf die Fiskalpolitik. Kazuhiko Sano, Anleiheanalyst bei der Tokai Tokyo Securities, sagt: «Berichte über weitere Schwierigkeiten der Regierungskoalition bei der Oberhauswahl verstärkten die Sorgen über eine Verschlechterung der Haushaltslage.»
Auch der Chefökonom der UBS Japan, Masamichi Adachi, ist alarmiert. Die Wahlen, bei denen die Hälfte der oberen Parlamentskammer gewählt wird, «werden für den japanischen Markt ein einzigartiges und wichtiges Ereignis sein».
Das Oberhaus entscheidet zwar nicht über den Regierungschef oder die Regierung. Da die Koalition aus Liberaldemokratischer Partei und der kleinen Komeito im Unterhaus jedoch bereits keine Mehrheit mehr hat, könnte ein Verlust der Mehrheit im Oberhaus zu einem Rücktritt des Regierungschefs Shigeru Ishiba führen.
Adachi rechnet in diesem Fall zumindest mit einer Regierungsneubildung, im Extremfall sogar mit einer Neuordnung der politischen Landschaft. Für die wachsende Zahl ausländischer Anleger in japanische Staatsanleihen ist jedoch eine weitere Vertagung der Sanierung des mit 240 Prozent der Wirtschaftskraft verschuldeten Staats entscheidender.
Forderungen nach expansiver Haushaltspolitik verunsichernAlle drei führenden Oppositionsparteien fordern Steuersenkungen, die rechtsgerichtete Sanseito, die an Popularität gewinnt, sogar eine vollständige Abschaffung der zehnprozentigen Mehrwertsteuer. Ishibas parteiinterne Gegner bevorzugen ebenfalls eine schuldenfinanzierte Konjunkturpolitik. Daher würden «Bond-Vigilanten» Japan derzeit ins Visier nehmen, heisst es am Markt.
So werden Anleger bezeichnet, die als Warnung an Regierungen grosse Mengen an Staatsanleihen abstossen und damit die Renditen in die Höhe treiben. Damit protestieren sie etwa gegen riesige Konjunkturprogramme und Steuersenkungen, die ihrer Meinung nach die Haushaltslage verschlechtern.
Ein Beispiel ist Ales Koutny, Leiter des Bereichs internationale Zinsen beim Investmentberater Vanguard. «Angesichts der zunehmenden Forderungen nach noch mehr Staatsausgaben haben wir unsere Untergewichtung in Japan insgesamt erhöht», sagte er gegenüber Reuters.
«Ohne Haushaltsdisziplin wird der Anleihemarkt Druck auf die Wirtschaft ausüben», so Koutny weiter. Er warnte sogar davor, dass Japan einen ähnlichen Weg wie Grossbritannien vor ein paar Jahren einschlagen könne. 2022 reagierte der Markt negativ auf ein Wirtschaftsprogramm der damaligen Premierministerin Liz Truss und zwang sie nach nur fünfzig Tagen im Amt zum Rücktritt.
Akira Hoshino, Head of Markets bei Citigroup Securities, malt folgendes Szenario: Nach der Wahl des Repräsentantenhauses machen sich am Markt fiskalische Sorgen breit, die Renditen steigen. Dies könnte ausländische Anleger zwingen, Anleihen zu verkaufen, um die Kursverluste einzugrenzen. Das hätte wiederum Folgen für den Devisenmarkt und die Geldpolitik.
Yen-Verkäufe und Dollar-Käufe würden in diesem Fall den Dollar auf über 150 Yen treiben. Dadurch würde sich der Inflationsdruck durch höhere Importkosten erhöhen. Dies könnte die Notenbank dazu veranlassen, entgegen allen Erwartungen den Leitzins bereits im September erneut anzuheben. Bis jetzt gehen die Märkte davon aus, dass die Bank von Japan wegen der Unsicherheit durch den US-Zollkrieg die Zinsen erst im kommenden Jahr wieder erhöhen wird.
Das wachsende Gewicht ausländischer Anleger sorgt für Volatilität.Der japanische Bond-Analyst Sano glaubt zwar, dass der jüngste Renditeanstieg übertrieben ist. Doch auch er sieht das Risiko, dass die Renditen im sehr langfristigen Bereich weiter steigen könnten. Der Grund dafür ist technischer Natur.
Viele Anleger würden abwarten und damit für geringe Liquidität am Markt sorgen. Das bedeutet, dass es nur wenige Käufer gibt, wodurch die Preise für Anleihen fallen und die Renditen im Gegenzug steigen. Die Volatilität wird noch dadurch verstärkt, dass ausländische Anleger eine deutlich grössere Rolle spielen als noch vor ein paar Jahren.
Lange waren Japans Staatsschulden zu mehr als 90 Prozent in japanischer Hand. Niemand wollte der Erste sein, der eine Karte aus dem wachsenden Schuldenturm zog, da alle unter dem darauffolgenden Kollaps begraben würden. Zudem stabilisierte die Notenbank den Markt durch Anleihekäufe. Vorübergehend besass sie mehr als die Hälfte der japanischen Schulden. Aufgrund dieser Faktoren war der Markt trotz dem schnell wachsenden Schuldenberg stabil und die Zinsen niedrig.
Laut der jüngsten Notenbankstatistik stieg der Anteil der Ausländer im Frühjahr jedoch zeitweise auf über 14 Prozent an. Die Folgen ihres Handelns werden noch dadurch verstärkt, dass durch den grossen Bond-Besitz der verfügbare Markt deutlich kleiner ist. Takahiro Otsuka, Bond-Stratege bei Mitsubishi UFJ Morgan Stanley Securities, glaubt daher, dass die Rendite zehnjähriger Staatsanleihen auf über 1,6 Prozent steigen könnte.
nzz.ch