Universitäten: Trump schafft Diversitätsvorgaben ab, in der Schweiz werden sie weiter verschärft

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Universitäten: Trump schafft Diversitätsvorgaben ab, in der Schweiz werden sie weiter verschärft

Universitäten: Trump schafft Diversitätsvorgaben ab, in der Schweiz werden sie weiter verschärft
Verlangt wird «eine vielfältige Zusammensetzung der Studierenden- und Dozierendenschaft» (Universität Luzern).

Boris Bürgisser / CH Media

Für einmal waren die Gutachter gnädig. Sie anerkennen, dass die Theologische Hochschule Chur «zwei Gleichstellungs- und Inklusionsbeauftragte» eingesetzt habe. Lob verdienten auch die «Vorgaben zur gendergerechten Sprache» und «dass die Hochschule die aktuellen Debatten um die Rolle der Frauen in der katholischen Kirche aufgreift». Trotzdem bestehe Handlungsbedarf. «Die TH Chur muss im Bereich der Diversität klare Ziele und Massnahmen definieren und ihre Umsetzung periodisch überprüfen», heisst es im Bericht.

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Sämtliche Schweizer Hochschulen müssen sich alle sieben Jahre einer Qualitätskontrolle unterziehen, sofern sie staatlich anerkannte Diplome und Titel ausstellen möchten. Das gilt für grosse Institutionen wie die ETH Zürich oder die Universität Lausanne genauso wie für kleine Privatunis, die oft auf ein einziges Fachgebiet spezialisiert sind. Verantwortlich für das Verfahren ist der Schweizerische Akkreditierungsrat. Zum Teil erteilt er die Akkreditierung nur unter gewissen Auflagen, die dann innerhalb einer Frist erfüllt werden müssen.

Den Unis droht der Entzug der Akkreditierung

Dass regelmässig überprüft werden soll, ob eine Institution die Qualität von Lehre und Forschung sicherstellen kann, ist unbestritten. Die Gutachter legen seit einigen Jahren allerdings einen auffallend starken Fokus auf Diversitäts- und Gleichstellungsthemen, wie den öffentlich einsehbaren Berichten der Gutachteragenturen zu entnehmen ist. Im letzten Gutachten zur Eidgenössischen Hochschule für Sport Magglingen (EHSM) heisst es zum Beispiel: «Die EHSM muss weiter in Richtung systematischer Verankerung/Umsetzung der Voraussetzungen der Chancengleichheit gehen, zugunsten der Mitarbeitenden und der Studierenden, namentlich in Bezug auf die Sprachen und die kulturelle Vielfalt.» Im Bericht zur privaten Swiss Business School (SBS) wird wohlwollend festgestellt, dass sich «die SBS aktiv um ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Geschlechtern in ihrem Lehrkörper bemüht», und nimmt dabei zur Kenntnis, dass «die Suche nach qualifizierten weiblichen Lehrkräften» nicht einfach sei.

Der Druck auf die Bildungsinstitutionen, Gleichstellungsmassnahmen zu ergreifen oder gendergerechte Sprache einzuführen, wird dadurch von den Behörden hoch gehalten. Es droht der Entzug der Akkreditierung.

Wird zukünftig auch die sexuelle Ausrichtung der Uni-Angehörigen erfasst?

In den USA geht die Tendenz genau in die andere Richtung. Präsident Donald Trump hat sämtlichen Diversitätsvorgaben den Kampf angesagt. Fördermassnahmen für Menschen einer bestimmten Hautfarbe oder sexuellen Orientierung bezeichnet er als «illegale und unmoralische Diskriminierung». Er wolle eine Gesellschaft, in der nicht die Hautfarbe, sondern nur die Leistung zähle, sagt Trump. Mit spürbaren Folgen: Hunderte von Firmen und Institutionen schlossen in den letzten Monaten ihre Gleichstellungsbüros; der zuvor gefeierte Dreiklang, Diversity, Equity, Inclusion (DEI), ist plötzlich verpönt. Selbst die renommierte Harvard-Universität, die gegen Trumps Einmischungen am meisten Widerstand leistet, benannte ihr DEI-Büro um.

Davon lassen sich die hiesigen Behörden nicht beirren. Im Gegenteil. Der Hochschulrat ist daran, die Qualitätsstandards für die Akkreditierung zu revidieren. Der NZZ liegt der Entwurf vor. In der gegenwärtig geltenden Verordnung ist nur die Förderung der «Chancengleichheit» und der «tatsächlichen Gleichstellung von Mann und Frau» festgeschrieben. Neu sollen «Diversität» und «Inklusion» hinzukommen, was darauf hindeutet, dass dieser Bereich wohl ein noch stärkeres Gewicht erhält.

Wird zukünftig an den Universitäten nicht nur das Geschlecht von Studenten und Mitarbeitern erfasst, sondern auch die Hautfarbe, wie das in den USA lange üblich war? Oder sogar die sexuelle Orientierung, um sicherzustellen, dass die Diversität auch in dieser Hinsicht gegeben ist? In den USA ist in konservativen Kreisen derzeit viel von «viewpoint diversity» die Rede, also von der Vielfalt an Perspektiven und politischen Ansichten, die insbesondere an den links geprägten Universitäten gefördert werden müsse. Ist etwa das gemeint?

Der Hochschulrat will zum gegenwärtigen Zeitpunkt keinen Kommentar abgeben. Der Entwurf werde erst am 26. Mai intern diskutiert und danach in die Vernehmlassung geschickt. Der Akkreditierungsrat, der den Vorschlag eingebracht hat, sagt auf Anfrage: «Es geht nicht darum, Quoten für Hautfarbe oder sexuelle Orientierung einzuführen.» In der Hochschulpolitik werde aber typischerweise auf «eine vielfältige Zusammensetzung der Studierenden- und Dozierendenschaft» Wert gelegt. «Dazu können etwa Migrationserfahrungen, unterschiedliche Geschlechtsidentitäten oder ein bildungsferner Hintergrund zählen.»

Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit

Bei den grossen öffentlichen Universitäten sind die Vorgaben für die Akkreditierung kein grosses Thema, sie verfügen mittlerweile alle über üppig ausgestattete Gleichstellungsbüros und Anlaufstellen. Dass manchmal eine weniger qualifizierte Person für eine Stelle berücksichtigt wird, um das Ungleichgewicht bei den Geschlechtern auszugleichen, ist dort längst nichts Ungewöhnliches mehr. Für kleinere, private Hochschulen sieht die Situation anders aus. Die Universitäre Theologische Hochschule STH Basel zum Beispiel, die ausschliesslich ein evangelisches Theologiestudium anbietet, wurde beim letzten Akkreditierungsprozess angewiesen, die «offensichtliche Schieflage des Geschlechterverhältnisses der (hauptamtlichen) Lehrpersonen» zu beheben. Und: «Die STH Basel muss im Bereich der Diversität klare Ziele sowie Massnahmen definieren und deren Umsetzung periodisch überprüfen.»

Stefan Schweyer ist an der STH für den Akkreditierungprozess zuständig. Der Theologieprofessor sieht durch den starken Fokus auf Gleichstellungsfragen die Forschungsfreiheit tangiert. «Wenn bei Anstellungen Aspekte relevant werden, die mit der fachlichen Qualifikation nichts zu tun haben, so wird es schwierig», sagt er. Dass die Diversität künftig sogar eine noch grössere Rolle spielen soll, bereitet ihm Sorgen: «Unsere Institution steht Studierenden aller Religionen und Konfessionen offen. Trotzdem studieren bei uns hauptsächlich reformierte und evangelische Christen, das liegt in der Natur der Sache.» Wenn mit Diversität auch gemeint sein sollte, dass sich die Studentenschaft religiös divers zusammensetzen müsse, so sei das für die STH Basel gar nicht erreichbar. «Bis jetzt ist aber unklar, was genau mit der Forderung nach ‹Diversität› konkret gemeint ist», sagt er.

Die meisten gesellschaftlichen Trends schwappen mit zeitlicher Verzögerung aus den USA nach Europa und in die Schweiz über. Das galt auch für die Identitätspolitik, die jede gesellschaftliche Gruppe ausser den weissen Männern als benachteiligt und besonders schützenswert ansieht. Ihr entsprangen die zahlreichen Diversity-Massnahmen, die sich vielerorts durchsetzen konnten, insbesondere an den Universitäten. Womöglich wird auch die trumpsche Gegenbewegung früher oder später hier eintreffen. Die Frage lautet, ob die Behörden die geplante Revision der Akkreditierungsrichtlinien vorher noch unter Dach und Fach bringen können.

nzz.ch

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