Galina Ozeran aka Chikiss in Berlin-Weding: Musikalische Sternstunde

Berlin ist die Stadt der Avantgarde, und das gilt ganz besonders für das Feld der Musik. Wer das nicht glaubt, konnte am Mittwochabend in Berlin-Wedding erneut Zeuge der künstlerischen Vielfalt werden, die Berlin als Musikhauptstadt zu bieten hat. Auf dem Hof des noch recht unbekannten Ballhauses Prinzenallee, eines Kulturzentrums zwischen Wollankstraße und Osloer Straße im Westteil der Stadt, ballten sich junge Musikbegeisterte, um die Live-Performance der Künstlerin Galina Ozeran aka Chikiss zu bestaunen. Die Belarussin hatte den Plan gefasst, Berlins Musikhimmel mit einer weiteren Sternstunde experimentellen Synthesizer-Pops zu beglücken. Und der Plan ist voll aufgegangen.
Als die ersten schrillen Takte ertönten, wusste man bereits: Dieser Abend würde nicht ohne Überraschungen ablaufen. Chikiss präsentierte ihr neues Album „Between Time and Laziness“, das sich mit den Möglichkeiten elektronischer Musik befasst und zugleich durchbrochen wird durch die rauchig-markante Stimme der Sängerin. Der erste Song des neuen Albums, „4:45“, reflektiert in seiner magischen Introvertiertheit bereits den Anspruch der Musikerin, die Sphären zwischen Raum und Zeit durcheinanderzuwirbeln. Das merkte man in Wedding besonders stark: Die Faszination, die von Chikiss’ Musik ausgeht, hat auch damit zu tun, dass sie zwischen St. Petersburg, Berlin und Athen geschrieben wurde. Produziert wurden die Stücke in Zusammenarbeit mit Jaakko Eino Kalevi, veröffentlicht wurde das Album auf dem Hamburger Label Bureau B. Diese kuriose Mischung hört man den eigenartig-melancholischen und immer wieder hoffnungsvoll aufschimmernden Stücken eindeutig an.
Viele der Songs sind auf Russisch geschrieben. Chikiss’ fragile Stimme mischt sich in die kalten Synthesizer-Sounds und kreiert eine eigentümliche Melancholie, die auch zu den Themen der Songs passt. Chikiss begibt sich in ihren Kompositionen auf Identitätssuche, lotet postsowjetische Traumata aus, reflektiert über sich selbst als Künstlerin in einer komplizierter werdenden Welt. Auf der Bühne ist sie an diesem performativen Abend nicht alleine: Es begleiten sie die Musiker Jaakko Eino Kalevi, Die Wilde Jagd, Saeko Killy, Sveta Ben und Mustelide. Je länger der Abend dauert, desto berauschter ist das Publikum. Die kühle Stimmung beißt sich ins Herz, sodass man glaubt, aus den Erdlaufbahnen der Gegenwart hinausgeworfen und in eine abstrakte Zukunft hineinkatapultiert zu werden. Dieser Abend, er wird in Erinnerung bleiben – als kleine, feine Sternstunde einer experimentellen Musikreise.
Chikiss: „Between Time and Laziness“, bei Spotify verfügbar.
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Berliner-zeitung