Pop-Szene Schweiz: Die Berner geben den Ton an, die Zürcher haben das Nachsehen

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Pop-Szene Schweiz: Die Berner geben den Ton an, die Zürcher haben das Nachsehen

Pop-Szene Schweiz: Die Berner geben den Ton an, die Zürcher haben das Nachsehen
Gölä – inspiriert vom Blues und von den Berner Bergen.

Er ist enttäuscht, der schlanke Mann in Trenchcoat und mit schickem Hut. In den achtziger Jahren habe es in Zürich noch eine vitale, laute Punkszene gegeben. Unterdessen aber herrsche tote Hose an der Limmat. Und diesem negativen Befund entsprechend sieht man das Gewässer in düsterem Schwarz-Weiss dahinfliessen. Ganz anders an der Aare: Berner Musiker schafften es seit Jahrzehnten und bis heute, die Hitparaden zu stürmen und «die Schweiz zu rocken».

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Beim Mann mit Hut handelt es sich um den Musiker und Filmemacher Stascha Bader. Für seine Dokumentation «Das Geheimnis von Bern» hat er sich aufgemacht, quasi als Detektiv hinter das Rätsel des anhaltenden Berner Erfolgs zu kommen. Sein Anliegen scheint berechtigt: Die Schweizer Pop-Musik wird seit je von Berner Bands wie Rumpelstilz, Zürich West und Patent Ochsner, von Sängern wie Gölä oder Rapperinnen wie Steff la Cheffe dominiert.

Die Rapperin Steff la Cheffe hat das «Guggisberglied» in ihr Repertoire aufgenommen.
Lebendige Tradition

Könnte es sein, dass der klangvolle Berner Dialekt den Berner Musikern einen Vorteil gegenüber der Schweizer Konkurrenz verschafft? Stascha Bader diskutiert das als Erstes mit stilbildenden Rappern wie Baze und Greis. Ihre Mundart verbreite durchaus eine gewisse Gemütlichkeit, findet Baze. Greis hingegen führt die lebendige Tradition an: Er habe schon als Kind Berner Rocksongs gehört; das habe ihn auf die Rap-Karriere vorbereitet.

Die Suche des Detektivs geht weiter. Er trifft sich in einem einschlägigen Plattenladen mit Samuel Mumenthaler. Der Publizist führt hier mit kurzen Tonbeispielen durch die Musikgeschichte. So wird deutlich, dass der Troubadour Mani Matter in den sechziger Jahren für einen Schub im Berner Songwriting sorgte, von dem Polo Hofer dann als erster Mundartrocker profitierte. Mumenthaler zeigt aber auch, dass zuvor schon Swing-Stars wie Teddy Stauffer und Hazy Osterwald aus Bern stammten.

Die historische Perspektive wird immer bestimmender in Stascha Baders Film. So erinnert der Veranstalter und DJ Baldy Minder daran, wie eng der Zusammenhalt zwischen den unterschiedlichen Musikergenerationen stets gewesen sei; das habe für inspirierende Kollaborationen gesorgt. Sogleich wird ein altes Video von Polo Hofer, Kuno Lauener und Büne Huber gezeigt, die gemeinsam Mani Matters «Dr Sidi Abdel Assar vo el Hama» zum Besten geben.

Kuno Lauener: die Verkörperung von Berner Coolness.

Schade nur, dass Bader keinen Musiker aus der prägenden Rocker-Generation zu Wort kommen lässt. Zumindest ein Gespräch mit dem noch immer aktiven Büne Huber hätte man erwartet. Stattdessen trifft er sich mit Gölä und Trauffer, die sich beide mehr von der Berner Bergwelt als von der Aarestadt inspirieren lassen. Damit rückt die Bedeutung der Volksmusik und Volkskultur in den Fokus.

Schon die Alten rockten die Schweiz

In einer originellen filmischen Inszenierung am Berner Hauptbahnhof singen die Rapperin Steff la Cheffe und die Folk-Pop-Sängerin Christine Lauterburg das «Guggisberglied». Der traurige Text dient dem Regisseur als Brücke in die Literaturgeschichte. Stascha Bader schwärmt für die zeitlosen Werke eines Jeremias Gotthelf oder eines Albrecht von Haller. Am Geschichten-Fluss dieser Ahnen könnten die jungen Berner Musiker bis heute immer wieder andocken. Kein Wunder, erzählten sie in ihren Songs lebendige Geschichten – wie etwa Kuno Lauener in «I schänke dr mis Härz».

Ist der Berner Erfolg damit erklärt? Jedenfalls verliert der Detektiv nun seine Contenance und schwärmt in Plattitüden: «Gotthelf rockt die Schweiz schon seit zweihundert Jahren». Der Film aber erweist sich insgesamt als anregendes Spiel mit Hypothesen – auch wenn die Berner Musikszene ihr Geheimnis nicht ganz preisgibt.

Der Filmemacher Stascha Bader macht selbst auch Musik.
nzz.ch

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