Midsommar: Was das Sommerfest der Schweden so besonders macht

Das Verhältnis der Schwedinnen und Schweden zu ihrem offiziellen Nationalfeiertag ist nordisch-reserviert. Am 6. Juni stellen sie vielleicht ein kleines Holzfähnchen auf die Kaffeetafel. Doch viel mehr als Kuchen passiert nicht. Gut zwei Wochen später aber, da kommt Feierlaune auf: Am Mittsommerfest feiern die Schweden den Sommer, ihr Land und seine Traditionen, letztlich das Leben an sich. Midsommar – das ist insgeheim der eigentliche Nationalfeiertag des nordischen Königreichs!
Zum Fest gehören einige Dinge einfach dazu: Blumen im Haar, ein Tanz um die Mittsommerstange, Trinklieder zum herben Aquavit sowie Hering, neue Kartoffeln und Erdbeeren. Im Folgenden erklären wir, was es mit all dem auf sich hat.
Beginnen wir ganz grundsätzlich:
An Mittsommer wird der längste Tag des Jahres gefeiert. Und das bis spät in die kurze, lauwarme Sommernacht hinein, in der es in ganz Schweden gar nicht richtig dunkel wird (Stichwort: „Weiße Nächte“). Nördlich des Polarkreises, der bei 66° 33′ 55″ verläuft, geht die Sonne sogar überhaupt nicht unter, sondern verschwindet allenfalls hinter einer Bergkuppe. Die Tage rund um den 21. Juni sind auf der Nordhalbkugel die längsten. Nach der Sommersonnenwende werden die Tage in Skandinavien wieder kürzer.
Gefeiert wurde die Sommersonnenwende schon in vorchristlicher Zeit. Im Christentum wurde in diese Zeit das Hochfest der Geburt Johannes’ des Täufers gelegt – der Johannistag am 24. Juni. Das folgte einer ähnlichen Logik wie bei der Wahl des Datums für das Weihnachtsfest: Jesu Geburt wird liturgisch kurz nach der Wintersonnenwende begangen, die auf den 21. Dezember fällt. Dass die Feste St. Johannis und Weihnachten ein paar Tage später im Kalender stehen als die kosmische Himmelskonstellation, hat den simplen Grund, dass man sich so sicher sein konnte, dass die Tage wirklich wieder kürzer oder länger werden.
Vor der gregorianischen Kalenderreform fiel die Wintersonnenwende übrigens noch in die erste Dezemberhälfte – und auch das feiern die Schwedinnen und Schweden bis auf den heutigen Tag ausgiebig: mit dem Luciafest am 13. Dezember.
Die schwedischen Mittsommer-Feierlichkeiten erstrecken sich über ein ganzes Wochenende. Los geht es mit dem Fest bereits am Freitagabend – Midsommarafton genannt. Der Freitag ist offiziell noch ein normaler Arbeitstag, dennoch geht an diesem Tag spätestens ab mittags nichts mehr seinen normalen Gang. Fast alle Geschäfte sind den ganzen Tag über geschlossen. Der eigentliche Mittsommertag ist dann der Sonnabend, der als „roter Tag“ im Kalender auch ein offizieller Feiertag ist. Auch der Sonntag dient uneingeschränkt zum Ausnüchtern.
Im Jahr 2025 fällt der Vorabend des Mittsommerfests auf Freitag, den 20. Juni. Der Mittsommertag ist am Sonnabend, 21. Juni.
Gehandhabt wird das in Schweden so seit einer Kalenderreform, die 1953 in Kraft trat. Seitdem fällt Midsommar immer auf den Sonnabend zwischen dem 20. und dem 26. Juni. Davor war der Mittsommertag gleichbedeutend mit dem bereits genannten St. Johannistag am 24. Juni. Der Vorabend des Fests zum Reinfeiern war damit einst also immer der 23. Juni.
Ziel der Reform war es, die ausgelassenen Feierlichkeiten zu diesem allenthalben hochgeschätzten Fest besser mit der Arbeitswoche in Einklang zu bringen – indem man sie an beziehungsweise auf das Wochenende verlegte.
Für die Schwedinnen und Schweden gibt es eine ganze Reihe von besonderen Traditionen, die alljährlich rund um Midsommar gepflegt werden wollen. Seinen Höhepunkt hat das Fest direkt zu Beginn am Midsommarafton, also dem Vorabend des eigentlichen Fests. Das ist ein bisschen so wie an Heiligabend: Im Grunde ist der Tag noch gar nicht das eigentliche Weihnachtsfest, und doch bekommen die Kinder schon ihre Geschenke.
An diesem Freitag also treffen sich die Schwedinnen und Schweden im Kreis ihrer Familie und mit Freunden, um die sommerlichen Festlichkeiten beginnen zu lassen. Vielfach bereitet man sie seit dem Vormittag gemeinsam vor. Das Sommerfest ist spätestens dann in vollem Gange, wenn die Mittsommerstange aufgestellt ist – auf Schwedisch „midsommarstång” oder „majstång“ genannt.

Mittsommer findet im Juni statt und ist eine Feier zur Sommersonnenwende, dem längsten Tag des Jahres. Es ist einer der meist gefeierten Feiertage in Schweden. Im Laufe des Tages wird ein Maibaum aufgestellt, um den sich die Menschen versammeln, um zu tanzen und zu singen.
Quelle: Anna Hållams/imagebank.sweden.se
Majstång kann man guten Gewissens mit Maibaum übersetzen, denn das „maj“ in majstång geht auf das Verb maja zurück, was so viel wie mit „mit Blumen schmücken“ bedeutet. Und genau das wird am Freitag gemacht: Die Stange wird mit frisch gepflückten Blumen und Birkenzweigen ausgestaltet und dann auf einer Wiese aufgestellt.
Doch nicht jede Familie schmückt für sich allein. Ganz im Gegenteil. Die sonst so reservierten Schwedinnen und Schweden werden zu Midsommar zu echten Gemeinschaftsfans: Meist versammelt sich das ganze Dorf auf einer Festwiese und begeht die Feier gemeinsam.
Zur Feier des Tages flattert allerorten feierlich die blaugelbe schwedische Flagge im Wind. Das ist der höchst offizielle Part. Im Laufe des Abends tanzen die Schwedinnen und Schweden dann um ihre Mittsommerstange herum. Das ist weitaus weniger staatstragend.
Solange das Wetter mitspielt, werden also alle Festivitäten im Freien begangen. Der Sommer im Norden ist kurz und will genutzt werden. Das Wochenende ist für nicht wenige zudem der Beginn ihres bis zu fünfwöchigen Jahresurlaubs. Wenn das kein Grund zum Feiern ist?
Jung und Alt singen bei alldem traditionelle Lieder: Das bekannteste ist „Små grodorna” („Die kleinen Frösche“), zu dem nicht nur lustige Quak-Laute ertönen, sondern auch beherzt gehüpft werden darf. Ein leichter, unbeschwerter Reigen! Für Schweden gehört es an diesem Wochenende zum guten Ton, sein Alter zu vergessen.

Mittsommer findet im Juni statt und ist eine Feier zur Sommersonnenwende, dem längsten Tag des Jahres. Es ist einer der meist gefeierten Feiertage in Schweden. Im Laufe des Tages wird ein Maibaum aufgestellt, um den sich die Menschen versammeln, um zu tanzen und zu singen.
Quelle: Vilhelm Stokstad/imagebank.sweden.se
Abwechslung ins ausgelassene Sommerfest bringen etliche Spiele, die ebenso wie die Tanzeinlagen für besondere Gemeinschaftserlebnisse sorgen. Beliebt ist nach wie vor der wohl größte Klassiker der Gartenspiele: das simple Sackhüpfen.
Nicht fehlen darf „Kubb“, was hierzulande als Wikingerschach bekannt ist: Hierbei müssen zehn kleine Holzklötze und der große „König“, der in der Mitte steht, umgeworfen werden. Der König muss umgeworfen werden, indem man rückwärts und durch die Beine ein kleines Holzstöckchen nach ihm schmeißt. Man kann sich vorzüglich darüber streiten, ob die Ausführung des Wurfs nun regelkonform erfolgt ist oder nicht.
Eine große! So stehen unverheiratete Frauen der Tradition folgend am Freitag vor der besonderen Aufgabe, sieben bestimmte Blumen zu suchen und zu pflücken. Auf sieben verschiedenen Wiesen.
Im Einzelnen sind das:
- Klee
- Veilchen
- Vergissmeinnicht
- Glockenblumen
- Wollgras
- Margeriten und
- Wiesen-Lieschgras
Diese Blumen und Kräuter sollen in der Mittsommernacht unters Kopfkissen gelegt werden. Im Traum erscheint dann, so die Hoffnung, genau derjenige Mann, den man später einmal heiraten wird. Gepflückt werden müssen die Blumen schweigend, damit der Zauber wirkt. Und in Erfüllung geht die Offenbarung auch nur, wenn die Frau niemandem, aber niemandem von ihrem Traum erzählt.

Mittsommer ist einer der meist gefeierten Feiertage in Schweden. Die Menschen pflücken traditionell Blumen und gestalten ihre eigenen Blumenkränze, die sie den ganzen Tag über tragen. Es heißt auch, dass man von seinem zukünftigen Ehepartner träumt, wenn man zu Mittsommer sieben verschiedene Blumen unter sein Kopfkissen legt.
Quelle: Alexander Hall/imagebank.sweden.se
Doch Blumen spielen nicht nur für die unverheirateten Frauen eine wichtige Rolle am Midsommar-Wochenende. Unverzichtbares Accessoire für alle Schwedinnen und zunehmend auch für Schweden ist ein Blumenkranz im Haar („midsommarkrans”). Er ist ein uraltes Fruchtbarkeitssymbol.
Viele Schwedinnen und Schweden machen sich an Mittsommer schick – und holen ihre Tracht aus dem Kleiderschrank. Andere setzen heutzutage auf weit weniger formelle und luftigere Kleidung, auch eingedenk des Alkoholgehalts, der sich mitunter im Verlauf des Fests einstellt.

In der Region Dalarna in Mittelschweden ist Mittsommer ein großes Fest – und hier tragen viele Menschen nach wie vor ihre Tracht.
Quelle: IMAGO/TT
Die wertvollen Trachten vom Gelage nicht in Mitleidenschaft zu ziehen, das wird die Idee desjenigen oder derjenigen sein, der zu einem schlichten weißen Hemd beziehungsweise einem geblümten Sommerkleid greift.
Kulinarisch gehört zu einem schwedischen Mittsommerfest ein Klassiker-Trio einfach zwingend dazu:
- eingelegter Hering
- neue Kartoffeln („Färskpotatis“, nur echt mit Dill!)
- und Erdbeeren
Die drei Bestandteile sind die Essenz des schwedischen Sommergeschmacks. Sind sie reichlich vorhanden, ist alles gut.
Gute Gastgeberinnen und Gastgeber bauen das Angebot auf der Festtafel natürlich noch gebührend aus – mit kalten wie halbwarmen Speisen:
- Knäckebrot mit Butter
- Köttbullar und Würstchen
- Käsevariationen und Lachs
- sowie Salate
So wird daraus ein Smörgåsbord - also ein Büfett, wie es in dem Königreich traditionell ihn ähnlicher Form auch zu Ostern und Weihnachten aufgetischt wird.

Nach dem Hauptgericht wird es Zeit für den Nachtisch. Neben Erdbeeren ist auch Prinzessinnentorte äußerst beliebt.
Quelle: IMAGO/TT
Als Nachtisch gibt es hauptsächlich eines: Erdbeeren. Sowohl frisch als auch eingezuckert. Mit reichlich Schlagsahne. Schließlich ist Mittsommer! Und dann noch einmal als Erdbeerkuchen („jordgubbstårta“).
Wer die kleinen roten Beeren irgendwann nicht mehr sehen kann, für den gibt es dann noch ein Stück schwedische Prinzessinentorte, die durch ihren hellgrünen Marzipanmantel besticht.
Alkohol in Schweden ist teuer. Aber an Midsommar wird es dennoch feuchtfröhlich. Für schwedische Verhältnisse sogar äußerst feuchtfröhlich. Und das liegt am Snaps, der bei der Feier in Massen und nicht in Maßen genossen wird. In mindestens drei Geschmacksrichtungen fließt der Aquavit, und begleitet wird der Genuss stets von Trinkliedern. Das bekannteste und beliebteste der Trinklieder heißt „Helan går“, was übersetzt so viel bedeutet wie „das Ganze geht (runter)“.

Zum Mittagessen im Garten gibt es traditionell eingelegten Hering und neue Kartoffeln. Und als Nachtisch: Erdbeeren!
Quelle: Anna Hållams/imagebank.sweden.se
Neben Schnaps gehören zu den Mittsommergetränken in der Regel Bier sowie Weißwein und Sekt. Auch Apfelwein ist beliebt. Und nicht nur für die Kinder stehen meist Holunderblütensaft oder Rhabarbersaft bereit.
Midsommar ist untrennbar mit Schweden verbunden. Gefeiert wird die Sommersonnenwende jedoch auch in den Nachbarländern des nordischen Königreichs. Im Folgenden schauen wir zum Abschluss noch auf die Traditionen, die es in Finnland, Norwegen und Co. gibt.
Mittsommer in Finnland
Die Finnen feiern ihr Mittsommerfest alljährlich am selben Tag wie die Schweden – also auch am Sonnabend, der in den Zeitraum zwischen dem 20. und 26. Juni fällt. Sie nennen den Tag „Juhannus“ und begehen ihn mit Tanzveranstaltungen und Nachtkonzerten. Gerne sitzen die Finnen zu diesem sommerlichen Festtag am Wasser und trinken ein speziell für diesen Anlass gebrautes Bier. An Stränden und auf Lichtungen werden traditionell große Feuer entfacht. Mittsommer ist zudem ein beliebter Termin für Hochzeiten.
Mittsommer in Norwegen und Dänemark
Freudenfeuer in der Mittsommernacht gibt es auch in den Königreichen Norwegen und Dänemark. Sie nennen das Fest Sankt Hans – und feiern es noch immer in der Nacht vom 23. auf den 24. Juni. In vielen Orten Dänemarks und in einigen norwegischen Gemeinden werden dabei auch Papierhexen verbrannt. Alle singen gemeinsam das dänische Lied „Vi elsker vort land“ (Midsommervisen) von Holger Drachmann. Auch Fackel- und Laternenumzüge sind verbreitet.
Mittsommer im Baltikum und in Polen
Auch in den baltischen Republiken Estland, Lettland und Litauen sowie in Polen ist die Mittsommernacht noch immer die, die dem 24. Juni vorausgeht. In dieser werden Feuer entfacht. Zum Teil landen auch hier Strohpuppen in den Flammen. Verbreitet ist die Tradition des Blumenkränzebindens. Liebespaare gehen gemeinsam in den Wald und suchen nach der Farnblüte. Gefeiert wird eher privat im Kreise der Familie. Aufgetischt wird insbesondere in Litauen dabei Kümmelkäse und Bier.
rnd