Die Vorschläge zu den Kapitalregeln sind «total daneben» – die UBS wirft dem Bund Vertrauensbruch vor

Die Bankspitze ist bei der Übernahme der Credit Suisse davon ausgegangen, dass sie nicht mit strengeren Vorgaben abgestraft wird. Das schreibt die UBS in ihrer ablehnenden Stellungnahme zu den vorgeschlagenen Eigenkapitalregeln.
Andreas Becker / Keystone
Man kann über fast alles vernünftig reden – aber bei den Vorschlägen zu den Eigenkapitalregeln schiesst der Bundesrat weit über das Ziel hinaus: Etwa dies ist die Botschaft der UBS in ihrer am Dienstag publizierten Vernehmlassungsantwort zur geplanten Revision der Eigenmittelverordnung für Banken.
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Zur Diskussion stehen zwei separate Revisionsprojekte, die sich gegenseitig beeinflussen. Diesen Juni hatte der Bundesrat eine Verordnungsrevision in die Vernehmlassung geschickt, die vor allem eine konservativere Bewertung gewisser Bankaktiven verlangt und nebst der UBS im Grundsatz auch die anderen Banken betrifft. Am vergangenen Freitag hat die Regierung zudem ein Gesetzesprojekt in die Vernehmlassung geschickt, das faktisch nur die UBS betrifft: Die Bank müsste laut diesem Vorschlag künftig ihre Auslandstöchter zu 100 Prozent mit «echtem» Eigenkapital (im Jargon: mit hartem Kernkapital) unterlegen statt wie bisher nur zu 45 Prozent.
Die Sache klingt technisch, doch es geht um Milliarden. Die Bankspitze erscheint deshalb äusserst nervös und übt auf allen möglichen Ebenen Druck aus, um die drohenden Verschärfungen abzuschwächen. Am Dienstag illustrierte die UBS die Bedeutung des Themas auch dadurch, dass der Konzernchef Sergio Ermotti und das Konzernleitungsmitglied Markus Ronner die Vernehmlassungsantwort der Bank persönlich vor den Medien in Zürich erklärten.
Fluch der guten Tat?Formal betrifft die Vernehmlassungsantwort der Bank nur die geplante Verordnungsänderung, doch die Bank ist in ihrer Stellungnahme auch auf das für sie noch bedeutendere Gesetzesprojekt für die Kapitalunterlegung für Auslandtöchter eingegangen. Eine erste Kernbotschaft der UBS lautet frei übersetzt: Wir haben dem Bund mit der Übernahme der CS aus der Patsche geholfen, und trotzdem werden wir jetzt für diese gute Tat mit schärferen Regeln bestraft.
Die UBS wirft in ihrer Stellungnahme dem Bund im Prinzip einen Vertrauensbruch vor. Aufgrund der Gespräche mit den Behörden während der CS-Krise habe der UBS-Verwaltungsrat die Notübernahme «im klaren Verständnis» bewilligt, dass die UBS «nicht mit unangemessenen regulatorischen Forderungen abgestraft würde, welche das erfolgreiche Geschäftsmodell der UBS infrage stellen». Die Bank habe beim Kauf der CS darauf vertrauen müssen, «dass die geltenden Rahmenbedingungen im Wesentlichen Bestand haben».
Die UBS sagt nicht ausdrücklich, dass die Bundesbehörden eine Zusicherung zu einem Verzicht auf Regelverschärfungen gegeben hätten. Weder die Aufsichtsbehörden noch der Bundesrat könnten ein solches Versprechen geben. Denn sie alle haben noch einen Chef: das Parlament. Und das Parlament hat auch noch einen Chef: das Volk. Doch die Enttäuschung der Bank dringt deutlich durch.
Strenger als der RestInhaltlich sendet die UBS in ihrer Stellungnahme vor allem zwei Hauptbotschaften: Die Kapitalvorschläge des Bundesrats würden das Schweizer Regime in der Summe weit strenger machen als ausländische Regeln, und die Massnahmen seien nicht zielgerichtet. Gemäss der vorgeschlagenen Verordnungsänderung sind Software und latente Steueransprüche künftig bei der Berechnung des regulatorischen Eigenkapitals voll abzuziehen – weil diese Posten laut Bundesangaben in einer Krise rasch an Wert verlieren können.
Gemäss der UBS würde diese Massnahme zusammen mit weiteren kleineren Retuschen den Eigenmittelbedarf der Bank um etwa 11 Milliarden Dollar erhöhen, wovon 8 Milliarden auf die UBS-Gruppenebene und der Rest auf das Stammhaus (Mutterbank) entfallen. Von den grossen Finanzplätzen kennt laut der UBS nur Grossbritannien einen vollen Abzug bei der Eigenkapitalberechnung für Software, und bei den latenten Steueransprüchen gebe es eine solche Vorgabe bis jetzt nicht. Die Annahme, dass die beiden diskutierten Aktivposten in einer Krise automatisch wertlos würden, ist laut der Bank zudem falsch. Müsste die UBS zum Beispiel die Vermögensverwaltung in den USA verkaufen, würde man die relevante Software mitverkaufen.
Auch bei der Gesetzesvorlage zu den Auslandtöchtern will der Bundesrat gemäss der UBS weit über die Praxis auf anderen Finanzplätzen hinausgehen. Die Kapitalvorgabe für die Mutterbank würde mit dieser Massnahme alleine um etwa 23 Milliarden Dollar steigen. Angesichts des relativ kleinen Schweizer Heimmarkts waren und sind die Auslandtöchter globaler Grossbanken für die Schweizer Behörden viel bedeutender als für die Aufseher auf grösseren Finanzplätzen. Hinzu kommen die bitteren Erfahrungen der Credit Suisse und der UBS vor allem in den USA in den letzten Jahrzehnten – mit wiederholt riesigen Abschreibern und Verlusten.
Die strengeren Kapitalvorgaben für Auslandtöchter würden laut Bundesangaben das Auslandgeschäft für die UBS verteuern, nicht aber das Schweizer Geschäft. Die UBS sagt dagegen, dass die Kosten des zusätzlichen Eigenkapitals in der Mutterbank auch vom Schweizer Geschäft zu tragen wären, da dieses ebenfalls zu einer Tochter des Stammhauses gehöre. Faktisch sagt die Bank damit, dass sie durch die Verteilung der Zusatzkosten das Auslandgeschäft zulasten des Schweizer Geschäfts quersubventionieren würde. Die Bank beziffert ihre Eigenkapitalkosten auf der Basis von Analystenschätzungen auf rund 10 Prozent pro Jahr, während Fremdkapital deutlich günstiger sei.
«Total daneben»Das Zusammenspiel aller Vorschläge und der schon beschlossenen Verschärfungen würde laut der UBS die Kapitalvorgaben für die Bank im Vergleich zu jenen für ausländische Grossbanken um mindestens 50 Prozent strenger machen. Die UBS nennt für eine Vergleichsgruppe von sechzehn anderen global systemrelevanten Banken aus Grossbritannien, der EU und den USA eine Eigenkapitalvorgabe von derzeit durchschnittlich 11,6 Prozent der risikogewichteten Aktiven. Mit vergleichbaren Bewertungen würde die UBS laut eigenen Angaben mindestens etwa 21 Prozent Eigenkapital halten müssen – wobei die ausgewiesene Mindestquote wegen tieferer Bewertungen und höherer Risikogewichtungen bei etwa 17 Prozent läge.
Der Bund hatte argumentiert, dass die UBS im neuen Regime durch Optimierungen mit einer Eigenkapitalquote von 15 Prozent durchkommen könnte; die vom Bund genannten sechs Vergleichsbanken wie JP Morgan, HSBC und Deutsche Bank wiesen laut den Angaben Ende 2024 im Mittel eine Quote von knapp 15 Prozent aus. Bei globalen Vermögensverwaltungsbanken liege die durchschnittliche Eigenkapitalquote gar bei etwa 20 Prozent. Nicht berücksichtigt bei diesem Vergleich sind indes allfällige strengere Schweizer Regeln zur Bewertung und zur Risikogewichtung.
Das Fazit des UBS-Chefs Ermotti: Die Vorschläge des Bundesrats zu den Kapitalregeln seien «total daneben». Doch könnte sich die UBS durch eine Änderung des Geschäftsmodells anpassen? Ermotti dazu: «Es ist ausgeschlossen, unser Geschäftsmodell zu ändern.»
nzz.ch