DER ANDERE BLICK - Geld allein reicht nicht, um Deutschlands Wirtschaftskrise zu lösen

Der andere Blick
von Thomas Fuster
Die deutsche Wirtschaft stagniert seit Jahren. Doch statt Reformen gibt es nur Milliarden. Für kurze Zeit mag das helfen, doch für eine dauerhafte Lösung ist mehr Mut gefordert.
Sie lesen einen Auszug aus dem Newsletter «Der andere Blick am Abend», heute von Thomas Fuster, Wirtschaftsredaktor der NZZ. Abonnieren Sie den Newsletter kostenlos. Nicht in Deutschland wohnhaft? Hier profitieren.
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Mit Geld lässt sich vieles zudecken, selbst die ideologischen Unterschiede zwischen den deutschen Koalitionspartnern. Noch im Februar nach den Bundestagswahlen fragte man sich, wie die Union und die SPD je eine gemeinsame Linie finden würden. Doch der Konsens war schnell da. Gemeinsam setzte man die Schuldenbremse ausser Kraft und gab jeder Partei die von ihr gewünschten Milliarden. Damit waren die Differenzen bereinigt – wobei der CDU-Chef Friedrich Merz auf maximale Distanz zu seinen Wahlversprechen gehen musste.
Wachsender Unmut der UnternehmenSeither wirkt es wie ein inoffizielles Regierungsprogramm: Probleme werden mit Geld zugeschüttet. Deutlich zeigt sich dies in der Wirtschaftspolitik, wo der Reformdruck gross ist. Zwar stagniert Europas grösste Volkswirtschaft seit sechs Jahren. Doch statt die strukturellen Probleme anzugehen, setzt man einseitig aufs Schuldenmachen. Vor allem mit dem 500-Milliarden-Euro-Infrastrukturpaket, das seinen Namen kaum verdient, da ein grosser Teil des Geldes auch für den Konsum und das Stopfen von Haushaltslöchern zweckentfremdet wird.
Zu besprechen gibt es daher viel, wenn die Regierung zu einer zweitägigen und noch bis Mittwoch dauernden Klausurtagung zusammenkommt. In abgeschiedener Lage wird am Tegeler See über die Wettbewerbsfähigkeit diskutiert. All dies vor dem Hintergrund eines wachsenden Unmuts bei Unternehmensvertretern. Diese hatten sich im Frühjahr noch gefreut, dass mit Merz wieder ein Mann der Wirtschaft die Politik bestimmt. Doch die Erwartungen haben sich bisher nicht erfüllt. Der angekündigte «Herbst der Reformen» ist noch nirgendwo erkennbar.
Was das Treffen bringen wird, bleibt offen. Doch wer primär an den nächsten Wahltermin denkt, und das tun leider die meisten Politiker, greift wohl weiterhin lieber zum Geldtopf als zu unpopulären Strukturreformen. Schliesslich entfaltet auch das 500-Milliarden-Paket in kurzer Frist eine belebende Wirkung und besänftigt das Wahlvolk. So erwarten die führenden Wirtschaftsinstitute, dass Deutschland aufgrund der spendablen Ausgabenpolitik in den nächsten zwei Jahren wieder leicht wachsen wird.
Ein Spiel auf ZeitNachhaltig ist dieser Aufschwung aber nicht. Entfacht wird nur ein Strohfeuer, das wieder erlischt, sobald die Milliarden verbrannt sind. Für eine dauerhafte und breit abgestützte Erholung braucht es mehr als Schuldenberge, wie sie der Nachbar Frankreich auftürmt. Entscheidend ist, das Wachstumspotenzial und die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Das verlangt einen längeren Atem und vor allem eine funktionierende Energiepolitik, weniger Bürokratie, mehr Produktivität, tiefere Steuern und eine Sozialpolitik, die nicht an der demografischen Last zerbricht.
Der Wille, in diese Richtung zu gehen, ist klein. Zwar hat die Regierung für diverse Themen schon diverse Kommissionen eingesetzt. Doch das nährt den Verdacht, dass auf Zeit gespielt wird. So hat Deutschland, um Merz selbst zu zitieren, kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem. Es war daher keine gute Idee, der Politik zuerst viel Geld zu geben und dann Reformen zu erwarten. Besser wäre der umgekehrte Weg gewesen. Denn erst wenn die Politik mit knappen Mitteln ringt, wächst auch die Bereitschaft zu Veränderungen.
Dass diese Bereitschaft fehlt, kritisieren nicht mehr nur bürgerliche Kreise. Mit Franz Müntefering fordert auch ein früherer SPD-Vorsitzender mehr Mut von seiner Partei, etwa beim Thema höheres Rentenalter. «Bevor der Wagen in den Graben fährt, muss man auch lenken», sagte Müntefering vor kurzem in einem seiner seltenen Interviews. Das von ihm und Gerhard Schröder geschnürte Hartz-IV-Paket war die letzte bedeutsame Wirtschaftsreform Deutschlands. Mehr als zwanzig Jahre später wäre es höchste Zeit für einen ähnlich ambitionierten Aufbruch. Das verlangt mehr als offene Geldschleusen.
Georg Schorr
Wir bräuchten einen Gerhard Schröder haben aber nur die halben Portionen Merz/Klingbeil. Mit denen wird das nichts mehr, das Land ist lost.
Harald Lehmann
Der Wille zu Reformen ist nicht klein. Der ist genau Null. Die Gelddruckmaschine anzuwerfen ist viel bequemer. Inflation? Egal. Das wird nichts...
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