Der Dollar erleidet den stärksten Einbruch seit 1973 – das Vertrauen in die US-Währung erodiert


Amerika steht an einer Wegscheide. In einer Marathonsitzung streitet der Senat darüber, ob er das wichtigste Gesetz von Präsident Donald Trump – er nennt es «Big Beautiful Bill» – genehmigen will. Weil dieses umfangreiche Steuersenkungen vorsieht, würde der Schuldenberg des Landes, der schon jetzt bedrohlich gross ist, weiter ansteigen.
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Die zuständige Behörde rechnet damit, dass die Verschuldung des Staates von heute 100 Prozent des Bruttoinlandprodukts bis in 20 Jahren auf 156 Prozent hochschiesst. Schon jetzt aber gibt der Staat mehr Geld aus für die Schuldzinsen als fürs Militär. Trump dagegen argumentiert, die USA könnten die Steuerausfälle «zehnfach durch Wachstum ausgleichen».
An den globalen Devisenmärkten jedoch scheint diese Logik nicht zu verfangen. Die ausufernden Schulden sind ein wesentlicher Grund dafür, dass die USA bei den Gläubigern massiv an Vertrauen verlieren. Der Dollar hat im ersten Halbjahr so stark an Wert eingebüsst wie zuletzt im Jahr 1973. Gegenüber einem breiten Korb an Währungen beträgt der Einbruch 11 Prozent. Zum Franken und Euro ist der Verlust gar noch grösser. Erstmals ist der Dollarkurs diese Woche unter 79 Rappen gefallen.
Das Jahr 1973 markiert den Zusammenbruch des globalen Währungssystems von Bretton Woods, welches nach dem Zweiten Weltkrieg etabliert wurde. Die meisten Länder gaben die Bindung ihrer Währung an den Dollar auf und gingen stattdessen zu flexiblen Wechselkursen über. Als Parallele zu heute fällt weiter auf: Auch damals litten die USA an einem hohen Leistungsbilanzdefizit.
Ist der aktuelle Absturz des Dollars der Vorbote zu einer ähnlich dramatischen Umwälzung wie in den 1970er-Jahren? Die Finanzmärkte erwarten derzeit keine Eskalation im Zollstreit, obwohl die Verhandlungen der USA mit ihren Handelspartnern nur schleppend vorankommen und die angedrohten Zölle lediglich ausgesetzt sind.
Dieser Optimismus spiegelt sich auch an den Aktienmärkten: Selbst die vorübergehend gebeutelte US-Börse hat Anfang Woche einen Rekordstand erreicht. Laut dem Datendienst Bloomberg ist es in den letzten 100 Jahren nur dreimal vorgekommen, dass der Index S&P 500 in einem Quartal um mehr als 10 Prozent abstürzte und diesen Verlust in der gleichen Periode wieder aufholen konnte.
Der schwache Dollar fördert die InflationUnter der Oberfläche allerdings zeigen sich bedenkliche Risse. «Das könnte der Sommer der wirtschaftlichen Hölle werden», fasst der TV-Sender CNN die verbreiteten Bedenken zusammen. Für grosse Unsicherheit sorgt die weitere Entwicklung der Inflation: Zuletzt wies das Land einen Jahresteuerung von 2,4 Prozent aus. Die diversen Zölle, die bereits in Kraft getreten sind, dürften den Preisauftrieb nun beschleunigen.
Vor allem aber führt der schwache Dollar dazu, dass die Amerikaner für viele Güter deutlich mehr bezahlen müssen. So prognostiziert die Rating-Agentur Fitch, dass der Konsumentenpreisindex bis Ende Jahr auf 4 Prozent ansteigen wird. Falls der Handelsstreit erneut aufflammt, sei sogar eine noch stärkere Teuerung denkbar.
Dies stellt die US-Notenbank Fed vor einen heiklen Balanceakt. Denn die amerikanische Konjunktur verliert an Fahrt. Arbeitslose haben mehr Mühe, eine neue Stelle zu finden. Zudem hat sich die Kauflaune der Konsumenten eingetrübt. Dies spricht eigentlich für tiefere Zinsen: So erwartet der Marktkonsens, dass die Notenbank bis Ende 2026 fünf Zinssenkungen vornimmt, womit sich der Leitzins bei 3 Prozent einpendeln würde.
Elon Musk will eigene Partei gründenDass aber trotz der schwachen Konjunktur die Inflation im Gegenteil anzieht, ist ein schlechtes Signal – welches das Vertrauen in den Dollar zusätzlich beschädigt. Jamie Dimon, der Chef der grössten US-Bank JP Morgan, warnte kürzlich gar vor den Risiken einer Stagflation. Ebenso kritisierte er das übermässige Staatsdefizit seines Landes.
Das erbitterte Ringen um Trumps Steuer- und Haushaltsgesetz droht zudem, die politische Landschaft der USA nachhaltig zu verändern. So hat der Unternehmer und frühere Trump-Unterstützer Elon Musk angekündigt, er werde eine eigene Partei ins Leben rufen, falls die Republikaner das Gesetz verabschieden. «Jedes Mitglied des Kongresses, das für eine Reduzierung der Staatsausgaben geworben und dann sofort für die grösste Schuldenerhöhung der Geschichte gestimmt hat, sollte sich schämen», tadelte Musk auf seiner Plattform X.
Solange die USA weitere Turbulenzen durchlaufen, wird auch der Druck auf den Dollar anhalten. Die Investmentbank Goldman Sachs erwartet entsprechend, dass die Abwertung der US-Währung weitergeht – obschon in etwas geringerem Tempo. Zur Erinnerung: Noch im Jahr 2000 kostete ein Dollar bis zu 1 Franken 80. Seither hat sich der Kurs mehr als halbiert.
nzz.ch