Vor fünfzig Jahren kürte sich der Tennis-Star Arthur Ashe zum ersten schwarzen Wimbledon-Sieger – und wurde zur Rassen-Ikone wider Willen


Die All England Lawn Tennis Championships, besser bekannt unter dem Namen Wimbledon, sind voll von erinnerungswürdigen Episoden. Seit der ersten Austragung des Turniers 1877 hat dieses älteste und prestigeträchtigste Tennisturnier der Welt immer wieder Geschichte geschrieben.
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Zu den markantesten Daten in der Historie gehört der 5. Juli 1975, der Tag, an dem Arthur Ashe als erster und bis heute einziger dunkelhäutiger Spieler an der Church Road triumphierte. Kurz vor seinem 32. Geburtstag besiegte er im Final seinen amerikanischen Landsmann Jimmy Connors überraschend deutlich (6:1, 6:1, 5:7, 6:4).
Die Niederlage in Wimbledon gegen Ashe ist ein Punkt in der glamourösen Karriere von Connors, über den dieser nur ungern spricht. Vor dem diesjährigen Turnier und dem 50-Jahre-Jubiläum von Ashes Premiere lehnte Connors eine Interview-Anfrage der «New York Times» ab. In seiner 2013 erschienenen Autobiografie «The Outsider» schrieb er, vor dem Duell mit Ashe sei er in seinem Erstrundenmatch ausgerutscht, wobei er einen Haarriss am Schienbein erlitten habe. Dieser habe ihn dann im Match gegen den Konkurrenten Ashe behindert.
Nelson Mandela wünschte sich ein Treffen mit ihmConnors und Ashe mögen Landsleute und Teamkollegen gewesen sein, Freunde wurden sie nie. Ihre Rivalität ging weit über den Tennis-Court hinaus. Zum Zeitpunkt ihres Wimbledon-Finals von 1975 liefen gleich zwei von Connors angestrebte Klagen, die auch auf Ashe zielten. Eine über 10 Millionen Dollar gegen die von Ashe präsidierte ATP, weil Connors in der World-Team-Tennisserie mitgespielt hatte und deswegen vom French Open 1974 ausgeschlossen war. Die zweite über 5 Millionen Dollar gegen Ashe persönlich, weil sich dieser geweigert hatte, für die USA im Davis-Cup zu spielen. Beide Klagen liess Connors später fallen.
Connors und Ashe verkörperten zwei verschiedene Lebensstile und Ansichten. Der eine, Connors, war ein weisser Amerikaner aus einem von Rassismus gezeichneten Landstrich in Illinois, Ashe ein dunkelhäutiger Athlet, der sich zeit seines Lebens um Rassengleichheit bemüht hatte. Er war geprägt vom Arbeitsethos seiner früh verstorbenen Mutter, die ihm das Lesen beigebracht hatte, als er gerade einmal vier Jahre alt war. Eines der berühmtesten Zitate von ihm lautet: «Erfolg ist eine Reise, kein Ziel. Der Weg auf dieser ist oft wichtiger als das, was dabei herauskommt.»
Mit seinem Titel in Wimbledon wurde Arthur Ashe zu einer Figur, an der sich seine schwarzen Landsleute orientierten. Er lehnte sich auch gegen die südafrikanische Apartheid-Politik auf. Trotzdem hat er seinen Einfluss auf die Gleichstellung der Rassen immer heruntergespielt.
Tatsache aber ist: Nachdem der südafrikanische Freiheitskämpfer Nelson Mandela 1990 aus dem Gefängnis entlassen worden war, war Ashe einer der Ersten, die der Politiker zu sehen wünschte. Doch als Mandela im Gespräch mit dem Tennisspieler die Rassenfrage diskutieren wollte, erwiderte dieser, es gebe wichtigere Anliegen und Themen, etwa die Ausbildung der dunkelhäutigen Jugend.
Arthur Ashe war eine Ikone, geachtet und verehrt wie vor ihm allenfalls der Boxer Muhammad Ali. Ashe liess sich nur schwer in eine Schublade stecken. Als er 1976 vor seiner Titelverteidigung in Wimbledon von der BBC darauf angesprochen wurde, wie er sich als Botschafter der schwarzen Gemeinschaft fühle, hob er die Augenbrauen und antwortete: «Es ist nicht gegen Wimbledon, aber ich möchte nicht einfach deshalb in Erinnerung bleiben, weil ich einmal Wimbledon gewonnen habe. Es gibt Athletinnen und Athleten, die haben Wimbledon weit öfter gewonnen, Martina Navratilova etwa, neunmal.» Und die dunkelhäutige Amerikanerin Serena Williams feierte später sieben Titel.
Jimmy Connors war einer jener Konkurrenten, die Arthur Ashe als Tennisspieler lange nicht für voll nahmen. Dazu beigetragen haben wohl die Resultate aus ihren Direktvergleichen. Im sogenannten Head-to-Head führt der achtfache Grand-Slam-Sieger Connors mit 6:1-Siegen. Wimbledon 1975 markierte für Ashe auf dem Platz den einzigen Triumph über Connors.
Opfer eines medizinischen FehlersAshe wurde in Amerika erst postum zur Ikone. Das 1997 gebaute Stadion im New Yorker Billie-Jean-King-National-Tenniscenter von Flushing Meadows, wo jeweils im Herbst das US Open stattfindet, trägt seinen Namen. Der amerikanische Tennis-Verband honorierte damit weniger die sportlichen Erfolge von Ashe. Mit 45 Titeln, drei davon an Major-Turnieren, war er bedeutend weniger erfolgreich als Connors, dessen 109 Turniertitel bis heute einen Rekord darstellen, an dem selbst Roger Federer scheiterte. Ashe wird in Amerika eben auch wegen seiner Verdienste im Rassenkampf verehrt.
Zu seinem Ansehen trägt sein tragisches Schicksal bei. Ashe verstarb am 6. Februar 1993 im Alter von nur 49 Jahren. Bei einer Herzoperation hatte er eine mit dem Aids-Virus kontaminierte Blutkonserve erhalten. Ashe machte seine Diagnose öffentlich und gründete das Arthur Ashe Institute for urban Health. Dazu setzte er sich bis zum Ende seines Lebens für die Aufklärung der Bevölkerung über das HI-Virus und Aids ein. Das Sportmagazin «Sports Illustrated» wählte ihn im Jahr vor seinem Tod zum Sportler des Jahres. Nun, am Samstag, dürfte man besonders an der Church Road Ashes gedenken.
nzz.ch