Tour de France 2025: Tadej Pogacar stürzt – Wirbel um Flitzer

Jonas Abrahamsen jubelte über den größten Erfolg seiner Karriere, wenig später kämpfte sich Tadej Pogacar nach seiner Schrecksekunde ins Ziel. Der 29 Jahre alte Norweger Abrahamsen hat nach einem atemlosen Highspeed-Ritt durch Südfrankreich im Sprint einer Spitzengruppe die elfte Etappe der Tour de France gewonnen. Pogacar stürzte in der Schlussphase, kam aber mit einem blauen Auge davon.
Für Abrahmsen war es der erste Etappensieg bei der Frankreich-Rundfahrt. Der Mann vom Team Uno-X Mobility verwies nach dem 156,8 km langen Rundkurs mit Start und Ziel in Toulouse den Schweizer Mauro Schmid auf den zweiten Platz. Topstar Mathieu van der Poel wurde Dritter.
Während des Zielsprints sorgte ein Flitzer mit einer politischen Botschaft auf seinem T-Shirt für eine gefährliche Situation. Als Abrahamsen und Schmid auf den letzten Metern in höchstem Tempo um den Sieg spurteten, stürmte plötzlich ein Mann auf die Straße und rannte den beiden hinterher. Der Auftritt des Störenfrieds, der ein Shirt mit der Aufschrift „Israel raus aus der Tour“ trug, endete schmerzhaft, ein Sicherheitsbeamter eilte dem Flitzer entgegen und rammte ihn in die Streckenbegrenzung. Wenig später war der Mann nicht mehr zu sehen. Die Präfektur bestätigte die Festnahme.
Extinction Rebellion Toulouse behauptete, eine „Schockaktion für Palästina“ durchgeführt zu haben. In einer Erklärung forderte sie den Ausschluss des vom israelisch-kanadischen Milliardär Sylvan Adams gegründeten Teams Israel-Premier Tech, für das auch der deutsche Radprofi Pascal Ackermann (Kandel) bei der Tour fährt.
Für eine weitere Schrecksekunde in der Schlussphase der Etappe sorgte Pogacar: Fünf km vor dem Ziel war der Weltmeister auf bittere Weise zu Fall gekommen. Mit nur einer Hand am Lenker hängte sich Pogacar am Rad seines Vordermannes Tobias Johannessen auf, der ihn aber von der Seite geschnitten hatte. „Wir waren am Limit und ein Fahrer hat entschieden, von links nach rechts zu ziehen, er hat mich nicht gesehen und komplett geschnitten“, kritisierte Pogacar. Er habe „glücklicherweise keine ernsthaften Verletzungen erlitten. Keine Gehirnerschütterung oder Knochenbrüche“, sagte Adrian Rotunno, Teamarzt von UAE Emirates-XRG: „Er hat einige allgemeine Prellungen und Abschürfungen am linken Unterarm und an der Hüfte, ist aber ansonsten in Ordnung.“ Pogacar könne das Rennen aus medizinischer Sicht fortsetzen.
Pogacar rappelte sich nach dem Sturz hoch und nahm schnell die Verfolgung wieder auf. Anschließend profitierte der 26-Jährige vom Sportsgeist seiner Kontrahenten. Jonas Vingegaard und die anderen Topfahrer drosselten das Tempo, weshalb Pogacar beim Tagessieg des Norwegers Abrahamsen letztlich keine Zeit verlor. „Danke an das Peloton, das gewartet hat. Großen Respekt an alle“, sagte der Slowene.
„Ich habe es ehrlich gesagt gar nicht mitbekommen, aber wir haben auf jeden Fall ein bisschen das Tempo rausgenommen“, erklärte Deutschlands Hoffnungsträger Florian Lipowitz, der erneut eine starke Leistung zeigte und mit den Favoriten das Ziel erreichte: „Ich glaube aber, das gehört auch im Radsport dazu, dass man das nicht macht. Absolut.“
Der Ire Ben Healy verteidigte sein Gelbes Trikot des Gesamtführenden erfolgreich, am Donnerstag dürfte dieses Unterfangen für den Überraschungsmann der ersten Woche noch deutlich schwieriger, wenn nicht gar unmöglich, werden. 29 Sekunden beträgt sein Vorsprung auf Pogacar, Vingegaard ist 1:46 Minuten zurück.
Am giftigen Anstieg auf die Côte de Pech David mit durchschnittlich über 12 Prozent Steigung knapp zehn km vor dem Ziel arbeiteten Schmid und Abrahamsen gut zusammen und hielten sich die prominenten Verfolger um Wout van Aert und van der Poel vom Hals. Van der Poels mächtige Attacke kam zu spät, ihm fehlten letztlich wenige Sekunden auf den Sieger.
Wer nach dem ersten Ruhetag eine gemütliche Etappe erwartet hatte, sah sich getäuscht. Von Beginn an entwickelte sich bei sommerlicher Hitze von über 30 Grad ein gnadenloses Ausscheidungsfahren. Ein ganzer Haufen Teams schien gehobenes Interesse am Etappensieg in Toulouse zu haben, was eine geordnete Rennsituation trotz des weitgehend flachen Terrains unmöglich machte.
Sogar Vingegaard zeigte sich zwischendurch in der Offensive und sorgte für zusätzliche Nervosität im Feld. Lipowitz wurde auf dem falschen Fuß erwischt und musste die – letztlich erfolgreiche – Verfolgung zunächst mit einem Verpflegungsbeutel um den Hals antreten.
Schonen war für einen Großteil der Fahrer zu keiner Zeit möglich, obwohl erst am Donnerstag die ganz heiße Tourphase beginnt – und besonders die Hauptdarsteller auf den ersten Showdown im Hochgebirge brennen. Er sei froh, bislang alles überstanden zu haben, sagte Pogacar vor der ersten von drei Pyrenäen-Etappen inklusive der harten Bergankunft in Hautacam: „Jetzt kommt unser Terrain und meine Hauptrivalen liegen hinter mir, sie müssen attackieren.“
Ob Vingegaard dies schon auf den 180,6 km mit insgesamt vier kategorisierten Anstiegen und dem Start in Auch versucht? Denkbar, die längeren Anstiege liegen ihm bekanntermaßen, 2022 triumphierte er am „Berg der Dänen“.
RND/SID/dpa
rnd