Thomas Häberli ahnte, dass er im Servette FC nur ein Trainer auf Zeit ist – nun ist er seinen Job nach zwei Meisterschaftsrunden los


Salvatore Di Nolfi / Keystone
Acht Tage mit drei Niederlagen haben genügt, um Thomas Häberli aus dem Traineramt bei Servette zu spülen. Es ist ein nachvollziehbarer Entscheid, Häberli war im Sommer 2024 eine Notlösung, er profitierte davon, dass die Genfer sich in Zeitnot befanden und wenig bezahlbare Kandidaten zur Auswahl standen. Mit ihm erreichte Servette Platz 2, aber dieses Abschneiden hatte etwas Schmeichelhaftes. Servette wirkte unter ihm desorganisiert, eine Spielidee war kaum je zu erkennen; die Mannschaft lebte von ihrem Talent. Im Februar in Sitten rettete ihn ein Penalty in der 98. Minute vor der Entlassung.
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Als sich der Klub danach fing, fragte Häberli, ob es eine gemeinsame Zukunft gebe. Der Sportchef René Weiler positionierte sich in dieser Frage nicht, er war ob der andauernden versuchten Einflussnahmen der Chefetage ohnehin schon zermürbt; sein Signal an die Klubführung lautete mehr oder weniger: Ihr wisst ja sowieso alles besser, also entscheidet doch am besten selbst. Der im Fussball wenig erfahrene Präsident Hervé Broch führte die Verhandlungen mit Häberli und entschied sich letztlich für die Vertragsverlängerung. Obwohl Servette sich unter anderem auch mit Peter Zeidler beschäftigte.
Häberli machte den Lokalfürsten Jérémy Frick zur Nummer 1 – der politische Entscheid fiel ihm jetzt auf die FüsseHäberli schien zu wissen, dass das zwischen ihm und Servette keine Amour fou war, also versuchte er, sein Leben ein bisschen zu erleichtern. Kurz nach dem Saisonende teilte er intern mit, dass der in der Saison 2024/25 wenig berücksichtigte Torhüter Jérémy Frick neu die Nummer 1 sein werde. Frick, 32, ist ein mittelmässiger Super-League-Goalie, aber er ist Captain dieser Mannschaft und eine Art Lokalfürst, dessen Wort Gewicht hat und der beste Beziehungen in die Chefetage unterhält. Als Weiler 2023, damals noch als Trainer, intern kundtat, dass er mit der Vertragsverlängerung abwarten würde, band der Verwaltungsrat Frick flugs bis 2027.
Fricks Beförderung zur Nummer 1 hatte keinerlei sportliche Gründe, der Konkurrent Joël Mall war seit seiner Ankunft in Genf im Sommer 2023 meist der bessere Torhüter – im Sommer wollte ihn Lugano abwerben. Aber Häberli spürte, dass er Verbündete brauchte.
Es hat entsprechend eine gewisse Ironie, dass es ausgerechnet Frick war, der am Samstag mit einem kapitalen Fehler den 1:4-Niedergang gegen St. Gallen und damit das Ende Häberlis einleitete. Er hatte sich in der Startphase den Ball beim Abschlag zu weit vorgelegt und wurde vom Stürmer Willem Geubbels wie ein Junior düpiert, das Tor hatte etwas Slapstickartiges.
Man kann Häberli diesen Entscheid ankreiden, aber sein Scheitern hat viele Gründe. Servette ist ein komplexes Gebilde mit undurchsichtigen Finanzströmen, eigenwilligen Strukturen und abenteuerlicher Entscheidungsfindung. Nach dem Abgang des desillusionierten Sportchefs Weiler hat sich der Klub im Sommer neu aufgestellt und operiert jetzt als einziger Verein in der Super League ohne sportlichen Leiter, dafür mit einer Sportkommission.
Das Gremium dient in erster Linie dem Zweck, dass die graue Eminenz im Klub, der Schattenpräsident Didier Fischer, mehr Einfluss nehmen kann. Es ist im Sommer mit zwei ehemaligen Mitarbeitern bestückt worden: Gérard Bonneau, einem Ex-Scout von Olympique Lyon. Und Alain Geiger, dem ehemaligen Trainer.
Bonneau hat Servette zwischen 2018 und 2021 einige Topspieler zugeführt, unter anderem den Mittelfeldstrategen Timothé Cognat. Aber er ist 71, und sein letzter Verein, Dijon, stieg unter seiner Führung 2023 aus der Ligue 2 ab.
Spätestens nach dem Fomba-Transfer realisierte Häberli, dass er ein Trainer auf Zeit istMit Bonneau und seinem engen Vertrauten Yoan Loche beackert Servette jetzt abermals vor allem den französischen Markt. Am 25. Juli stellte der Klub etwa den defensiven Mittelfeldspieler Lamine Fomba vor, der von St-Étienne nach Genf wechselte. Häberli hatte nicht nur von diesem Transfer keine Kenntnis, er wurde vor vollendete Tatsachen gestellt und soll überrascht reagiert haben, weil auf dieser Position seiner Ansicht nach wenig Bedarf bestand.
Schon eher hätte er einen Rechtsverteidiger gebraucht, nachdem der Japaner Keigo Tsunemoto dem Vernehmen nach für die bescheidene Summe von 1,2 Millionen Franken nach Basel verkauft worden war. Sparta Prag hatte im Winter das Doppelte geboten, aber Servette zog es offenbar vor, einen direkten Konkurrenten zu stärken. Es ist ein eigenartiges Signal. Tsunemotos Nachfolger, das Eigengewächs Théo Magnin, verschuldete am Mittwoch gegen Viktoria Pilsen den entscheidenden Penalty, der das Aus in der Champions-League-Qualifikation bedeutete.
Was Häberli angeht, wird dem Luzerner das Schweigen seiner Chefs nicht das einzige Indiz gewesen sein, dass er in diesem Klub ein Trainer auf Zeit ist – es kam vor, dass Rückfragen von ihm nicht einmal beantwortet wurden. Wobei man sich fragen kann, wieso die Führung seinen Vertrag verlängerte, wenn sie doch offensichtlich so wenig von diesem Coach hielt, dass eine schlechte Woche genügte, um sich von ihm zu trennen. Häberli war kein teurer Trainer, aber auch seine Abfindung wird eine niedrige sechsstellige Summe kosten, und das strukturelle Defizit bei Servette ist schon ohne mehrere Trainer auf der Lohnliste gross genug.
Der inzwischen in die Major League Soccer (MLS) zu D. C. United weitergezogene Weiler konnte von der Inkohärenz und der sehr, sagen wir, selektiven Kommunikationsweise der Führung ein Lied singen. Ein halbes Jahr lang hatte er versucht, den ehemaligen Spieler und heutigen Agenten Walter Fernandez mit einem Mandat einzubinden, um den Rekrutierungsprozess zu professionalisieren.
Bearbeitet wurde das Begehren nie. Wer das Ohr des Strippenziehers Fischer nicht findet oder verliert, hat in Genf keine Chance. Fischer ist für seine unzimperliche zwischenmenschliche Art bekannt, die Flut an Abgängen in den letzten Jahren quer durch die «Groupe Grenat» spricht eine klare Sprache. In Gesprächen wird immer wieder ein Mangel an Respekt beklagt.
Es ist eine Konstellation, die auch Häberlis Nachfolger wird aushalten müssen. Ad interim betreuen die Assistenten Alexandre Alphonse und Bojan Dimic die Mannschaft, die am Donnerstag in der Qualifikation zur Europa League auf den FC Utrecht trifft.
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