Warum es in Kanada eine Straße gibt, die niemand aussprechen kann

Wer nicht auf der Suche nach einem bestimmten Ort ist, schenkt Straßennamen wohl kaum Beachtung. Dabei würde unser Leben ohne Straßennamen sehr viel mühseliger sein.
Zum ersten Mal die Freunde in einer anderen Stadt besuchen? Gar nicht so einfach, wenn man nur die Information hat „Ich wohne in dem weißen Haus mit dem großen Baum davor“. Sich etwas online bestellen und liefern lassen? Im Grunde nicht möglich, wenn der Paketdienst nicht weiß, wohin.
Hinter Straßennamen steht oftmals auch eine tiefere Bedeutung. Häufig sind sie auch eine Ehrung für bestimmte Personen oder eine Erinnerung an wichtige Ereignisse. Immer wieder verschwinden auch Namen, wenn beispielsweise die Ehrung aus der heutigen Sicht nicht mehr gerechtfertigt ist.
So auch im kanadischen Vancouver. In der Metropole an der Westküste im Süden British Columbias war die Trutch Street nach Joseph Trutch benannt – einem Gouverneur, den das britische Empire 1871 dort einsetzte. Trutch war Rassist, der die First Nations, die indigenen Völker Kanadas, verachtete und ihnen Rechte und Land wegnahm. Niemand also, nach dem eine Stadt eine Straße benennen sollte.
Und so kam es, dass die Menschen, die vorher in der Trutch Street wohnten, nun Probleme haben ihren Straßennamen auszusprechen. Denn dieser lautet jetzt šxʷməθkʷəy̓əmasəm Street.
Die Buchstaben stammen aus dem Nordamerikanischen Phonetischen Alphabet. Und sind Teil der Sprache, den die Musqueam, ein indigenes Volk aus der Region, sprachen. Wie die Stadt erklärt, gibt es in Vancouver niemanden mehr, der die Sprache fließend spricht.
Und trotzdem: „Die Umbenennung der Straße ist ein wichtiger Akt der Versöhnung, und die Stadt arbeitet eng mit den Musqueam zusammen, um sicherzustellen, dass diese Arbeit mit Respekt, Zusammenarbeit und Sorgfalt durchgeführt wird“, erklärt Vancouver dazu. Wie der Straßenname richtig ausgesprochen wird, kann man auf der Website der Stadt lernen.
Ein erster Antrag auf Umbenennung wurde bereits 2012 gestellt, 2021 entschied die Stadt Vancouver, dass der Name geändert werden soll. Jetzt ist es endlich so weit. „Es ist ein großartiges Gefühl, die Namensänderung tatsächlich zu sehen, unabhängig von der politischen Frage, einfach nur zu sehen, dass unsere Sprache in der Öffentlichkeit, wo die Menschen leben, präsent ist“, sagte Larry Grant, Ältester der Musqueam.
Da jedoch manche Onlinesysteme wie zum Beispiel bei der kanadischen Post die nicht lateinischen Buchstaben noch nicht verarbeiten können, hat die Straße auch noch einen zweiten Namen bekommen. Musqueamview Street kann als Adresse überall dort benutzt werden, wo die nicht lateinischen Buchstaben nicht funktionieren.
Das soll es den Anwohnern einfacher machen, womit wir wieder bei alltäglichen Dingen wie Online-Händlern wären. Aber auch der Sicherheitsaspekt spielt eine Rolle. Feuerwehr und Rettungsdienst hatten Bedenken angemeldet, dass jemand in Not sonst nicht sagen könnte, wo sie oder er ist.
An der Straße wird es aber auch eine Informationstafel zu dem neuen Namen geben, ebenfalls mit der Möglichkeit, sich die richtige Aussprache anzuhören. Außerdem wird über den Grund der Umbenennung aufgeklärt.
Was müssen Reisende aktuell wissen? Alle wichtigen News für den Urlaub findest du beim reisereporter, die besten Reiseangebote auf unserer Deal-Seite.
rnd