Entschädigung bei Flugverspätung: Bekommen wir bald weniger Geld?

Wenn Flüge verspätet sind oder gar ausfallen, ist das sehr ärgerlich. Immerhin schützen die EU-Fluggastrechte Reisende zumindest vor finanziellen Verlusten und davor, mit dem Problem alleine gelassen zu werden.
Grundlage ist die Verordnung Nr. 261 aus dem Jahr 2004. Demnach haben Fluggäste bei mehr als drei Stunden Verspätung Anspruch auf eine Entschädigung von 250, 400 oder 600 Euro – abhängig ist das von der Länge des Fluges und davon, ob die Probleme im Einflussbereich der Airline liegen.
Aber: Die EU erwägt, die Fluggastrechte zu ändern, und zwar zulasten der Reisenden. Denn künftig könnte es bei Verspätungen und Flugausfällen seltener eine finanzielle Entschädigung geben. Nach Informationen von „Bild“ könnte die Reform bereits am 5. Juni 2025 beschlossen werden.
Der Hammer: Die bisherige Drei-Stunden-Regel, bei der es bis zu 600 Euro Entschädigung gibt, soll ersatzlos gestrichen werden.
Die Entschädigungspflicht soll nur noch bei deutlich längeren Verzögerungen gelten: fünf Stunden bei Kurzstreckenflügen (bis 3.500 Kilometer), neun Stunden bei Mittelstreckenflügen (bis 6.000 Kilometer) und zwölf Stunden bei Langstreckenflügen (mehr als 6.000 Kilometer).
Die maximale Ausgleichszahlung soll von 600 auf 500 Euro bei längeren Flügen sinken und 300 Euro bei Flügen unter 3.500 Kilometern betragen.
Die Pläne sehen noch weitere Einschnitte zulasten der Fluggäste vor: Als „außergewöhnliche Umstände“ sollten künftig sogar Streiks, Krankheit der Crew und technische Probleme gelten. In diesen Fällen müssen Airlines gar keine Entschädigung zahlen.
Verbraucherschützer haben gegenüber der „Brussels Time” berechnet, dass damit 85 Prozent aller verspäteten Flüge nicht mehr erstattungsfähig wären.
Von Verbraucherschützern hagelt es Kritik an dem Vorschlag der EU-Kommission. Die derzeitige Verordnung gelte weltweit als Erfolgsgeschichte im Verbraucherschutz, erklärt Tomasz Pawliszyn, CEO vom Fluggastrechteportal „Airhelp“.
Andere Länder wie Großbritannien, Kanada, Saudi-Arabien, die Türkei, Brasilien und die USA hätten sich diesem Standard schon angeschlossen oder planten es zumindest.

Bei Ausfällen und Verspätungen stehen Reisende vor vielen Problemen.
Quelle: IMAGO/Westlight
Umso unverständlicher sei der Vorstoß, die Verordnung nun verändern zu wollen. „Die Drei-Stunden-Schwelle stellt ein gutes Gleichgewicht zwischen Verbraucherschutz und dem Verständnis für die Schwierigkeiten dar, die Fluggesellschaften bei der Organisation und Durchführung von Flügen haben. Drei Stunden sind weit mehr als die durchschnittliche Flugdauer in Europa, und eine dreistündige Verspätung kann zu erheblichen Störungen der Reisepläne führen“, betont der CEO von „Airhelp“.
Eine Verlängerung auf fünf Stunden oder sogar noch länger würde lediglich die Gewinne der Fluggesellschaften weiter maximieren. Die International Air Transport Association (IATA) schätze die Einnahmen der Flugbranche 2024 auf rund 940 Milliarden Euro – ein Anstieg von 6,2 Prozent zu 2023.
Auch Oskar de Felice, Leiter der Rechtsabteilung und Fluggastrechtsexperte bei „Flightright“ zeigt sich empört: „Eine Anhebung der Verspätungsgrenze wäre ein Affront gegen Verbraucherrechte und aus unserer Sicht nicht hinnehmbar.“
Die Kosten für Entschädigungen gemäß der Verordnung (EG) 261 liegen laut einer Analyse von „Airhelp“ lediglich bei 0,58 Cent bis 1,17 Euro pro Person. Der Gewinn der Airlines betrage im Durchschnitt jedoch mehr als 6,20 Euro pro Person.
Es gebe keinerlei Daten, die zeigen würden, dass die Verordnung eine zu große Belastung für die Airlines darstelle, erklärt Pawliszyn dazu. Außerdem sei „die Drei-Stunden-Regel ein wichtiger Anreiz für die Fluggesellschaften, pünktlich zu sein“.
Statt einer Anpassung der Fluggastrechte zugunsten der Airlines fordern beide Portale eine Anpassung der Verordnung zugunsten von Reisenden:
- Höhere Ausgleichszahlungen: „Airhelp“ fordert eine Anpassung der Höchstbeträge für Ausgleichszahlungen auf 900 Euro, „Flightright“ sogar auf 1200 Euro. Grund dafür ist, dass der Realwert des Entschädigungsbeitrages durch Inflation seit Inkrafttreten der Verordnung im Jahr 2004 abgenommen habe.
- Bestimmungen für verlorenes, verspätetes oder beschädigtes Gepäck oder Zusatzleistungen müssten in die Verordnung aufgenommen werden, empfiehlt „Airhelp“.
- Eine Ausweitung der Verordnung auf alle Flüge in die EU – unabhängig von der Fluggesellschaft – würde außerdem für mehr Gerechtigkeit sorgen.
- Insolvenzschutz: Reisende sollten im Falle einer Airline-Pleite Insolvenzschutz genießen, fordert „Flightright”. Außerdem sollten Fluggesellschaften mindestens acht Wochen vor Abflug über Streichungen oder Änderungen informieren müssen.
- Versteckte Gebühren für Gepäck oder Sitzplatzreservierungen sollten verboten werden, genauso wie es Familien ermöglicht werden müsse, ohne Zusatzkosten zusammenzusitzen.
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