Depressionen, Müdigkeit und Haarausfall: Eisenmangel als unterschätzte Ursache

Schlapp und antriebslos? Das kann viele Gründe haben. Ist die Erschöpfung ein Dauerzustand, kann sich ein Eisenmangel dahinter verbergen. Gerade Frauen im gebärfähigen Alter sind gefährdet, da sie bei der Menstruation regelmäßig Blut verlieren und oft nicht genug von dem Spurenelement zu sich nehmen. Der Wiener Allgemeinmediziner Christian Schuberth, der sich auf die Behandlung von Eisenmangel spezialisiert hat, hat einen Ratgeber zum Thema geschrieben. Im Gespräch erklärt er die wichtigsten Fakten rund um das Phänomen.
Sie schreiben in Ihrem Buch, dass Eisenmangel öfter vorkommt als vermutet. Woran erkennt man, dass man betroffen sein könnte?
An bestimmten Beschwerden, die oft auch in Kombination auftreten. Kardinalsymptom ist Müdigkeit und Abgeschlagenheit. Das ist natürlich ein sehr breites Symptom, das viele andere Ursachen haben kann. Trotzdem ist es ein wichtiger Anhaltspunkt. Häufige Anzeichen sind auch Haarausfall, trockene oder juckende Haut und eingerissene Mundwinkel. Außerdem gibt es Beschwerden, die seltener mit Eisenmangel assoziiert werden, wie zum Beispiel das Restless-Legs-Syndrom. Das ist ein unangenehmes Kribbeln und Ziehen in den Beinen, das oft guten, erholsamen Schlaf verhindert. Ein weiteres wichtiges Symptom sind depressive Verstimmungen. Ich sehe immer wieder, dass bei leichten bis mittelgradigen Depressionen ein lang anhaltender Eisenmangel eigentlich die Hauptursache war.
Stimmt es, dass Betroffene manchmal seltsame Gelüste entwickeln, zum Beispiel nach Erde?
Ja. Bei einem schweren Eisenmangel kann es zur sogenannten Pica kommen, einem seltenen Phänomen: Dabei gelüstet es Menschen nach Dingen, die eigentlich nicht essbar sind, zum Beispiel Erde oder Sand. Ich habe gelernt, beim Erstgespräch mit meinen Patienten genau hinzuhören, weil man da oft sehr nützliche Informationen bekommt. Wenn jemand ganz auffällig erzählt, dass er besonders Lust auf irgendetwas hat, muss man sich immer überlegen, was dahinterstecken könnte. Der Körper hat für alles einen Grund.
Klarheit bringt aber nur eine Blutuntersuchung. Welcher Wert ist dabei der entscheidende?
Sozusagen der Goldstandard zur Ermittlung eines Eisenmangels ist Ferritin. Dieser Wert zeigt an, wie gut die Eisenspeicher gefüllt sind. Dagegen ist Serum-Eisen, also die Konzentration von Eisen im Blutserum, nicht dazu geeignet, einem Eisenmangel auf die Spur zu kommen, weil dieser Wert zu stark schwankt. Ferritin ist der wesentlich stabilere Marker. Es ist aber auch ein Entzündungsprotein, das von Entzündungen beeinflusst wird. Daher kann der Wert ‚falsch‘ hoch sein, wenn im Körper entzündliche Prozesse in Gang sind. Aus diesem Grund sollte man immer den CRP-Wert mitbestimmen, der auf Entzündungen hinweist. Ist dieser Wert im Normalbereich, kann man sich aufs Ferritin verlassen.

ZUR PERSON: Dr. Christian Schuberth (46) ist Allgemeinmediziner mit eigener Praxis in Wien. Er hat sich auf das Thema Eisenmangel spezialisiert und dazu im Juni einen Ratgeber veröffentlicht: Eisenmangel - Erkennen, therapieren, kontrollieren. Trias Verlag, Stuttgart 2025. 136 Seiten, 24 Euro.
Quelle: Schuberth/ Luiza Puiu
Welcher Wert ist denn normal?
Allgemeine Referenzwerte zu finden, ist sehr schwierig. Labore geben unterschiedliche Normwerte für Ferritin an. Meiner Erfahrung nach ist die Untergrenze oft zu niedrig angesetzt. Ich würde sagen, dass der Ferritinwert zwischen 70 und 300 Nanogramm pro Milliliter liegen sollte. Aber es ist sehr individuell, welcher Wert optimal ist. Es gibt Patienten, die sich mit 70 ng/ml super fühlen und keinen Benefit von zusätzlichem Eisen haben, andere benötigen 150, um sich richtig wohlzufühlen. Ich versuche daher immer, mit den Patienten mit der Zeit herauszufinden, bei welchem Eisenstatus es ihnen wirklich gut geht.
Sie gehen davon aus, dass Eisenmangel in Mitteleuropa häufig ist. Aber warum? Unser Ernährungszustand ist insgesamt doch recht gut.
Wir sind zwar mit Kalorien gut versorgt, nehmen aber doch oft zu wenig Vitamine und Spurenelemente auf. Man hat beobachtet, dass mit steigender Kohlendioxidkonzentration in der Luft der Eisenanteil in Grundnahrungsmitteln wie Getreide und Kartoffeln abnimmt. Das wird sich noch verstärken. Außerdem haben viele Menschen Ernährungsgewohnheiten, die mit einer geringen Eisenaufnahme verbunden sind. Pizza und Pasta zum Beispiel haben relativ wenig Eisen.
Wer ist besonders häufig von Eisenmangel betroffen?
Eine wichtige Risikogruppe sind Frauen im Menstruationsalter – insbesondere dann, wenn sie sich vegetarisch oder vegan ernähren und viel Sport treiben. Im höheren Alter sind aber auch öfter Männer betroffen. Eisenmangel kann nämlich auch in Folge chronischer Erkrankungen oder häufiger Einnahme bestimmter Medikamente entstehen. Zum Beispiel führen Blutverdünner zu verstärkten Mikroblutungen im Körper, die langfristig Eisenmangel verursachen können. Magensäureblocker, sogenannte Protonenpumpen-Inhibitoren, beeinträchtigen die Eisenaufnahme. Im höheren Alter gibt es ja kaum jemanden, der keinen solchen Magenschutz oder ein Blutverdünnungs-Medikament nimmt.

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Kann man den Eisenmangel mit einer Ernährungsumstellung in den Griff bekommen?
Wenn man das extrem konsequent machen würde, würde das wahrscheinlich fast immer funktionieren. Es ist jedoch so, dass man seine Lebensgewohnheiten dazu meist stark ändern müsste. Meiner Erfahrung nach braucht es deshalb doch oft Nahrungsergänzungsmittel oder auch Infusionen.
Welche Ernährungstipps haben Sie?
Für mich kristallisiert sich immer stärker heraus, wie sehr es auf das Frühstück ankommt. Wenn man gesund frühstückt, ist schon viel erreicht, und man hat später am Tag nicht mehr den Druck, aufholen zu müssen. Deswegen habe ich im Buch ein spezielles Eisenmüsli erwähnt, das unter anderem aus Weizenkleie, Hirse- und Haferflocken besteht. Man kann es schon am Vorabend zubereiten, damit es nachts quellen kann. Dann ist es besser verdaulich, und das Eisen wird auch noch besser aufgenommen. Was man mittags oder abends isst, ist dann nicht mehr so wichtig. Oft ist man da ja unterwegs oder kann es sich nicht aussuchen, was man isst. Abgesehen davon sollte man schon schauen, dass man ein- bis zweimal pro Woche rotes Fleisch isst. Es gibt aber auch Erbsennudeln und Hülsenfrüchte, die sehr eisenreich sind. Die Kombination mit Vitamin C sorgt dafür, dass der Körper das Eisen gut aufnehmen kann.
Es gibt ein riesiges Angebot an Nahrungsergänzungsmitteln mit Eisen. Wie gut helfen sie?
Pauschal kann man das nicht sagen. Es sind schlechte Produkte dabei, die einfach nicht gut funktionieren und schnell Nebenwirkungen machen. Und dann gibt es auch einige sehr gute Produkte am Markt, die von der Verträglichkeit her sogar deutlich besser sind als rezeptpflichtige Präparate. Diese sind nämlich eher hoch dosiert und übersteigen bei weitem die mögliche Darmresorption. Man merkt das daran, dass der Stuhl schnell schwarz-dunkel wird und Nebenwirkungen wie Verstopfung und Übelkeit zunehmen. Letzten Endes muss man individuell ausprobieren, ob ein Präparat etwas bringt oder nicht. Wenn sich der Zustand gar nicht bessert, dann bleibt eine Infusion. Die hilft auf jeden Fall.
Ist eine Selbstbehandlung riskant?
Prinzipiell kann ich niemandem raten, ohne vorherigen Laborbefund Eisen über mehrere Wochen zu supplementieren. Wenn man den Verdacht hat, an Eisenmangel zu leiden und ein Arzttermin in weiter Ferne liegt, kann man schon mal zwei bis vier Wochen ein gutes Nahrungsergänzungsmittel einnehmen und beobachten, ob eine Besserung eintritt. Ist dies nicht der Fall, würde ich spätestens dann einen Arzt aufsuchen und die unkontrollierte Einnahme beenden.
rnd