Richterwahl: Ohne Informationen keine Legitimität

Weniger als eine Woche vor der Wahl zur Erneuerung der Richter-, Friedensrichter- und Justizministerämter bringt die gestern, am 26. Mai, von Enkoll veröffentlichte Umfrage eine beunruhigende Realität ans Licht: 86 Prozent der Befragten geben an, dass sie wissen, dass Richterwahlen stattfinden werden, aber nur 48 Prozent kennen das Datum und kaum 18 Prozent fühlen sich gut informiert. Noch aufschlussreicher: 77 % können keinen einzigen Kandidaten nennen. Das heißt, es ist eine Wahl ohne sichtbaren Wettbewerb, ohne öffentliche Debatte und ohne bekannte Profile. Dennoch sind 72 Prozent der Befragten der Meinung, dass die Reform notwendig sei, und 60 Prozent sind überzeugt, dass sie Korruption und Straflosigkeit verringern werde.
Wie lässt sich dieser Optimismus inmitten weit verbreiteter Unwissenheit erklären? Es gibt nur ein Datum: Präsidentin Claudia Sheinbaum, die selbst unter den Anhängern der Opposition eine Zustimmungsrate von 83 % hat. Mit anderen Worten: Die Unterstützung für die Richterauswahl beruht nicht auf Fachwissen oder öffentlichem Interesse, sondern auf der Popularität des Präsidenten. Es beruht auf dem Glauben der Mexikaner an die Politik und nicht auf Fakten.
Die prognostizierte Wahlbeteiligung ist ebenso alarmierend. Das INE schätzt, dass zwischen 8 und 15 Prozent der registrierten Wähler ihre Stimme abgeben werden, während Enkoll von maximal 22,9 Prozent ausgeht. Das mangelnde Interesse lässt sich auf mehrere Faktoren zurückführen: weitverbreitete Unwissenheit, die Tatsache, dass die Wähler bis zu zehn Stimmzettel erhalten und über bis zu 40 Richterposten entscheiden müssen, und die zunehmende Wahrnehmung, dass es sich um eine von Morena kontrollierte Wahl handelt, deren Funktionäre Berichten in verschiedenen Medien und sozialen Netzwerken zufolge „Akkordeons“ verteilen, die den Bürgern vorschreiben, wen sie wählen sollen. Was eine Übung in bürgerschaftlicher Überlegung sein sollte, verwandelt sich somit in einen Mechanismus parteipolitischen Gehorsams.
Das wirkliche Problem besteht darin, dass die Bürger die folgende Geschichte geglaubt haben: dass die Volksabstimmung Unabhängigkeit garantiert, dass gewählte Richter ehrlicher sind und dass der Volkswille Privilegien abschafft. Doch weder der Kontext noch die Geschichte stützen diese Annahmen. Dort, wo Richter durch Wahl gewählt wurden, wie in einigen US-Bundesstaaten, waren die Ergebnisse gemischt. In Bolivien waren im Jahr 2011 60 % der Stimmen ungültig oder leer, im Jahr 2017 waren es über 65 %. In Japan ist die Stimmabgabe per Nachwahl marginal und Routine. In der Schweiz ist die Volkswahl auf bestimmte Kantone beschränkt und die Bundesrichter werden vom Parlament nach parteipolitischen Quoten ernannt. Es gibt keinen Fall, in dem bewiesen wurde, dass eine Wahl zu größerer Unabhängigkeit der Justiz führt.
Enkolls Studie legitimiert die Reform keineswegs, sondern offenbart vielmehr ihre Achillesferse: Sie zielt auf eine Demokratisierung der Justiz ohne kritische Bürger, ohne Informationen und ohne Mindestbedingungen für Wettbewerb. Es handelt sich um ein von oben herab gesteuertes, als Wahl getarntes Konzept, dessen institutionelle Durchführbarkeit bereits vor der ersten Stimmabgabe in Frage gestellt wird.
Und schließlich scheinen diejenigen, die heute die Autonomie der Justiz verteidigen, zu vergessen, dass diese nie unabhängig war. Dabei handelt es sich nicht um einen Bruch mit der Vergangenheit, sondern vielmehr um die Formalisierung der alten Unterordnung unter die Exekutive. Der Unterschied besteht darin, dass dieser Gehorsam nun an der Wahlurne bestätigt und in die Rhetorik der Demokratie verpackt wird. Es geht nicht darum, dem Volk Macht zu verleihen, sondern vielmehr darum, die politische Kontrolle durch Wahllegitimität zu schützen.
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Eleconomista