„Das Kind wird nicht zum Unterricht gehen, es hat einen Arzttermin.“

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„Das Kind wird nicht zum Unterricht gehen, es hat einen Arzttermin.“

„Das Kind wird nicht zum Unterricht gehen, es hat einen Arzttermin.“

Um 7:37 Uhr erhalte ich eine Nachricht von meinem Bruder Cesc: „Nordecke. Haupttribüne. Reihe 1, Platz 3. Überprüfe den Platz.“ Die Nachricht ist eine sanfte Aufforderung, ein subtiler Hinweis auf Erinnerungen. Ich weiß genau, was er meint: Geh zurück, geh hinein, die Tribüne hoch, such dir diesen Platz aus unserer Kindheit und spüre, wie er sich jetzt inmitten der Baustelle anfühlt. Wie jemand, der in den Raum zurückkehrt, in dem er träumen gelernt hat.

Die Rückkehr ins Camp Nou, noch immer in spärlicher Gestalt, fühlte sich wie ein Initiationsritus an. Der Verein nannte es ein „öffentliches Training“, aber es war kein Training. Es war eine Art Pilgerfahrt für die ganze Stadt. 23.000 Menschen beobachteten die Mannschaft beim lockeren Joggen auf dem frisch gemähten Rasen. Es gab keinen Gegner, keinen VAR, keine Überraschungsaufstellung, keinen epischen Moment. Nur Rondos, Dehnübungen und Insiderwitze. Und doch waren wir da, an dem Ort, von dem wir wussten, dass er das kollektive Glück beherbergte.

Vizepräsidentin Elena Fort weinte, als sie an ihre Lieben dachte. Sie weinte um den leeren Stuhl, den jeder von uns irgendwo im Stadion aufbewahrt. Jenen Stuhl, auf dem jene saßen, die uns lehrten, Barça mit offenen Augen und unbeschwerten Herzen zu verfolgen. Jene emotionale Achterbahnfahrt, die nur Fußball oder das Leben selbst auslösen können – was letztendlich dasselbe ist. Fragen Sie nur Joan Laporta, gestern Inbegriff des emotionalen Barça-Fans, den wir alle in uns tragen (oder auch nach außen).

Auf den Tribünen spielte sich eine unsichtbare Choreografie ab. Großeltern zeigten auf das Tor, als wäre es eine Landkarte: „Da, genau da, ich erinnere mich…“ Eine unanständige Anzahl von Eltern, die eine seit Generationen bewährte Lüge praktizierten: „Das Kind kann heute nicht zur Schule gehen, es hat einen Arzttermin“, während die Kinder auf den Rasen starrten und nach Lamine Yamal suchten.

Im neu gestalteten Spotify Camp Nou waren viele Kinder auf den Tribünen.

Àlex Garcia
Selbst im abgerissenen Zustand weiß Camp Nou noch immer, wer du bist, wer wir sind...

Das neue Camp Nou (mit prominent platziertem Spotify-Logo) wirkte wie ein aufgerissener Körper, ein halbfertiger Roman. Unfertige Gänge, freiliegende Rohre, frischer Beton und drei gelbe Kräne wie metallene Giraffen. Nichts war vollendet, nichts elegant, nichts Instagram-tauglich . Und doch war alles perfekt wiedererkennbar. Es war, als käme man nach Hause und wüsste, wo die Dinge sind, selbst wenn man sie nicht sehen konnte. Das Camp Nou, selbst im destruierten Zustand, weiß immer noch, wer du bist, wer wir sind …

Dann war da noch die Musikanlage. Eine Art akustische Euphorie in unnötiger, fast schon komischer Lautstärke. Wie immer. Die Playlist schwankte zwischen aktuellen Hits ( Si antes te hubiera conocido – Karol G), unsterblichen Neunziger-Klassikern ( Freed from Desire – Gala) und den absolut zeitlosen Hits ( Take On Me – Aha). Es schien, als hätte jemand beschlossen, dass, wenn das Stadion schon nicht voll sein sollte, wenigstens die Musikanlage voll sein würde. Lang lebe Spotify!

Die Rückkehr war schön, aber nicht in unberührter Schönheit, sondern eher mit einem Hauch von Staub. Wir sind zurückgekehrt, ohne wirklich zurückgekehrt zu sein. Wie wenn man sein altes Zimmer betritt, das nun als Abstellraum dient, und das Licht auch ohne Lampe wiedererkennt.

Wir wissen nicht, wann der große Tag kommt. Der Tag der wahren Rückkehr. Der Tag des ersten Spiels. Der Tag der Familienplätze (rot, Cesc, unser Platz ist rot!). Wir wissen nur, dass an diesem Tag selbst der sonst so farblose Ter Stegen weinen wird, denn dieser Verein strotzt selbst im Training nur so vor Emotionen.

Die Rückkehr ins Camp Nou, selbst in seinem nur noch rudimentären Zustand, fühlte sich irgendwie wie ein Initiationsritus an.

Und dann werden wir verstehen, dass dieses imperiale Stadion nicht irgendein Ort ist. Es ist eine tragbare Heimat, die wir endlich zurückerobert haben werden.

lavanguardia

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