Die sich verschärfende Krise im Gesundheitswesen: So wirkt sich die komplexe Situation auf Patienten und Nutzer aus.
Die Krise im kolumbianischen Gesundheitssystem ist längst keine bloße technische Warnung oder Debatte zwischen dem Gesundheitsministerium und Berufsverbänden mehr: Sie ist bittere Realität, die auf den Straßen, in den Krankenhäusern und zu Hause spürbar ist. Zu den finanziellen Alarmmeldungen der Krankenkassen, Krankenhäuser und Kliniken gesellen sich die Proteste von Lehrkräften und die Berichte von Patienten, die zwischen langen Wartezeiten und Versorgungsengpässen den Preis für ein System zahlen, das täglich weiter zerbricht.
 In den letzten Wochen haben drei verschiedene Fronten – wachsende Schulden gegenüber Leistungserbringern, der Streik der Lehrer wegen ihrer speziellen Gesundheitsregelung und Fälle von Nutzern ohne Versorgung – die gleiche Wahrheit offenbart: Das kolumbianische Gesundheitswesen durchlebt seinen kritischsten Moment seit Jahren.
 Laut einem Bericht des Verbandes der pharmazeutischen Forschungs- und Entwicklungslabore (Afidro) erreichten die Forderungen der Pharmabranche Ende des zweiten Quartals 2025 4,2 Billionen US-Dollar. Diese Zahl verdeutlicht die Verschärfung einer Krise, die bereits die Grenzen des Tragfähigen überschritten hat. Davon entfallen 35,3 % auf überfällige und rund 3 % auf uneinbringliche Forderungen. 

Das als „Pilotprojekt“ für die Reform vorgestellte Gesundheitsmodell für Lehrkräfte spiegelt die aktuelle Krise wider. Foto: Néstor Gómez – EL TIEMPO
 Die Verschlechterung ist kein Einzelfall. Laut einer Analyse des Unternehmens Sectorial belaufen sich die Gesamtschulden des Systems gegenüber Gesundheitsdienstleistern auf 24 Billionen US-Dollar, wovon die Hälfte bei den staatlich regulierten Gesundheitsförderunternehmen (EPS) konzentriert ist. An der Spitze steht Nueva EPS: Dieses Unternehmen hat trotz staatlicher Kontrolle Verbindlichkeiten in Höhe von 6,69 Billionen US-Dollar angehäuft, von denen mehr als 4 Billionen US-Dollar überfällig sind.
 Die direkte Folge dieser Unterfinanzierung ist der fortschreitende Niedergang des Krankenhausnetzes. Allein im ersten Halbjahr 2025 wurden 6.084 Gesundheitseinrichtungen geschlossen, fast so viele wie im gesamten Jahr 2024. Am stärksten betroffen sind Einrichtungen mit geringem und mittlerem Behandlungsaufwand – Zahnmedizin, Allgemeinmedizin, Physiotherapie und Krankenpflege –, also genau jene, die den ersten Kontaktpunkt für Patienten mit dem Gesundheitssystem darstellen.
 „Die Zahlen zeigen ein geschwächtes Netzwerk. Wenn keine strukturellen Entscheidungen hinsichtlich Zahlungen und Vertragsbedingungen getroffen werden, könnte es zu einem fortschreitenden Zusammenbruch der grundlegenden Dienstleistungen kommen“, warnte Jorge Toro, Direktor der Union der IPS (Unips). 

Schulden, Lehrerstreiks und Beschwerden von Nutzern verdeutlichen die Krise im Gesundheitssystem. Foto: Néstor Gómez – EL TIEMPO
 Die finanzielle Verschlechterung wirkt sich bereits direkt auf die Nutzer aus. In den ersten sechs Monaten des Jahres gingen über eine Million Beschwerden ein, von denen 30,2 % Verzögerungen bei der Terminvergabe und 18,8 % die Verweigerung von Medikamenten oder Technologien betrafen. „Wir befinden uns heute in einer strukturellen finanziellen Krise. Leidtragende sind letztendlich die Patienten“, erklärte Alejandro Escobar, Branchenanalyst.
 Die Krise lässt sich nicht allein in Zahlen messen. Vor Kurzem hat ein Vorfall in Barranquilla dem Zusammenbruch erneut ein menschliches Gesicht gegeben. Ein Video, das eine schwangere Frau zeigt, die nach über vier Stunden Wartezeit auf Medikamente in einer Apotheke im Norden der Stadt zusammenbricht, verbreitete sich rasant in den sozialen Medien. „Niemand hat etwas unternommen“, berichtete einer der Zeugen.
 Laut Zeugenaussagen traf die Frau um 8:00 Uhr morgens mit ihrer Mutter ein und wurde nach langem Warten ohnmächtig, als sie endlich aufgerufen wurde. „Wir mussten ihr helfen, weil das Personal nicht reagierte. Der Krankenwagen traf zwanzig Minuten später ein“, sagte Carmen Ariza, eine der Anwesenden. Der Vorfall löste in den sozialen Medien Empörung aus und verdeutlichte die prekäre Lage der Apothekenversorgung in mehreren Gesundheitszentren, wo Medikamentenmangel und endlose Warteschlangen zur Normalität geworden sind. 

Warten, erkranken und protestieren – das sind die menschlichen Facetten des Zusammenbruchs des kolumbianischen Gesundheitssystems. Foto: Néstor Gómez – EL TIEMPO
 Der Teufelskreis ist offensichtlich: Krankenkassen zahlen nicht an Gesundheitsdienstleister; Kliniken stellen ihre Leistungen ein; Krankenhäuser reduzieren ihre Kapazitäten; und Patienten, denen keine andere Wahl bleibt, müssen lange Wartezeiten in Kauf nehmen oder in andere Regionen reisen, um behandelt zu werden. All dies hat seinen Ursprung in einer Pro-Kopf-Zahlung, die die Regierung für ausreichend hält, die aber von anderen Akteuren im System nachdrücklich als unzureichend bezeichnet wurde (und dies wurde vom Verfassungsgericht bestätigt).
 Selbst führende Gesundheitsdienstleister wie die Shaio-Klinik und das San José Krankenhaus haben kürzlich angekündigt, die Behandlung von Patienten der Nueva EPS aufgrund ausbleibender Zahlungen einzustellen. Der Krankenhausverband warnt, dass es bei ausbleibenden Zahlungen kurzfristig zu weiteren flächendeckenden Behandlungsstopps noch vor Jahresende kommen könnte.
 Der Fall der Lehrer: Das Testmodell in der Krise Während das Krankenhausnetzwerk seine schwerste Krise durchlebt, tut sich innerhalb der Lehrergewerkschaft eine weitere Konfliktfront auf. Am vergangenen Donnerstag, dem 30. Oktober, traten die der Gewerkschaft Fecode angeschlossenen Lehrer in einen 24-stündigen nationalen Streik, der sich gegen die Krise des Gesundheitsmodells des Lehrer-Sozialversicherungsfonds (Fomag) richtete.
 Das Lehrersystem, ein von Fiduprevisora verwaltetes Sonderregime, wurde von der Regierung selbst als „Pilotprojekt“ für die Gesundheitsreform präsentiert. Ein Jahr nach seiner Einführung spiegelt es jedoch dieselben Probleme wider, die das gesamte System plagen: Kostenüberschreitungen, unregelmäßige Verträge, Verzögerungen in der Versorgung und ein explosionsartiges Ausgabenwachstum. 

Tausende von Betriebsschließungen beeinträchtigen die Gesundheitsversorgung und den Zugang dazu. Foto: ESNEYDER GUTIÉRREZ C.
 Laut Martha Alfonso, einer Führungskraft bei Fecode, richtet sich die Unzufriedenheit der Lehrkräfte nicht gegen das Modell an sich, sondern gegen dessen Umsetzung. „Der Appell richtet sich an Fiduprevisora, Kostenüberschreitungen zu vermeiden und sicherzustellen, dass die Gesundheitsdienstleister zeitnah Antworten erhalten. Gleichzeitig wird an die Gesundheitsdienstleister selbst appelliert, keine überhöhten Preise zu verlangen und die benötigten Leistungen zu erbringen“, erklärte sie.
 Alfonso prangerte an, dass die von Fiduprevisora unterzeichneten Verträge in den ersten Monaten der Umsetzung unverhältnismäßig hohe Werte aufwiesen und Kopfpauschalen von 138.000 US-Dollar pro Patient erreichten, während der Marktdurchschnitt nicht über 39.000 US-Dollar liegt.
 Ein Modell, das vom Zusammenbruch bedroht ist Die Summe all dieser Faktoren – unbezahlbare Schulden, Betriebsschließungen, Konflikte im Sonderlehrerregime und Warnungen von Aufsichtsbehörden – schafft ein Szenario, das viele Experten als perfekten Sturm bezeichnen.
 Der Generalrechnungsprüfer gab bekannt, dass Nueva EPS noch ausstehende, noch nicht legalisierte Vorauszahlungen in Höhe von 15,3 Billionen Dollar hat und dass das Unternehmen seit 2023 keine testierten Jahresabschlüsse mehr vorweisen kann, was die Kenntnis seiner tatsächlichen Buchhaltungssituation unmöglich macht.
 Angesichts dieser Situation beharrte Gesundheitsminister Guillermo Alfonso Jaramillo darauf, dass „die EPS (Gesundheitsfördernde Einrichtungen) entweder ihre Schulden begleichen oder wir sie liquidieren werden.“ Diese Aussage ist jedoch widersprüchlich: Die Regierung selbst kontrolliert sieben EPS – darunter Nueva EPS –, die mehr als 11,7 Millionen Mitglieder haben und für den Großteil der ausstehenden Schulden verantwortlich sind.
 Inmitten all der Statistiken, Streiks und Schließungen steht der Patient im Mittelpunkt. Jede Beschwerde, jede ausgesetzte Leistung und jeder unbezahlte Vertrag bedeutet, dass ein Kolumbianer keinen Zugang zu seiner Behandlung erhält oder monatelang auf einen grundlegenden Termin warten muss.
 Die Krise ist keine Frage des Managements oder eines Modells mehr; sie ist ein humanitäres Problem. Und während die Regierung auf einer Reform beharrt, die erneut ins Stocken geraten ist, zeigen die Fakten, dass das System auf allen Ebenen – im öffentlichen, privaten und Sonderbereich – von innen heraus zerfällt.
 Journalist für Umwelt und Gesundheit
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