Männer reden nicht gern über ihre Gesundheit. Und sie achten auch weniger darauf. Das kostet Lebensjahre


Es war ein Event, dem ich mit Vorfreude und Spannung, aber auch mit einer gehörigen Portion Beklommenheit entgegengesehen hatte: Vor einigen Tagen fand ein Treffen meiner alten Schulklasse statt, eine erschreckende Zahl von Jahren nach der Matura. In Erinnerung hatte ich junge Männer (wir waren eine reine Jungenschule) mit langen Haaren, die einst unermüdlich zur Musik von Pink Floyd, Led Zeppelin und den Stones tanzten. Wie würden sie sich in all den Jahren verändert haben? Würde ich einer Gruppe älterer Herren gegenüberstehen, die sich gegenseitig ihr gesundheitliches Leid klagen?
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In dieser Kolumne werfen Autorinnen und Autoren einen persönlichen Blick auf Themen aus Medizin und Gesundheit.
Schnell gesellte sich zu der Wiedersehensfreude Erleichterung. Lange Haare waren passé, mehrere der alten Klassenkameraden hatten gar keine mehr. Lediglich Lutz, der einst wirkte wie der jüngere Bruder von Paul McCartney, hatte noch einen vollen, wenn auch grauen Schopf. In den Gesichtern der Anwesenden spiegelte sich indes Zufriedenheit und auch Vitalität; der zurückgelegte Lebensweg war zu einem Zeitpunkt, an dem es mehr Gestern als Morgen gibt, wohl ein überwiegend glücklicher gewesen.
Freilich sind bei solchen Jubiläen die Teilnehmer nicht ganz repräsentativ. Bald sprachen wir über diejenigen, die nicht mehr unter uns weilten. Glücklicherweise waren das von den rund siebzig damaligen Absolventen nur einige wenige.
Auffällig war: Das Thema Gesundheit ist in einer Runde reifer Männer offenbar keines. Bernd, Uwe und ich, die drei Mediziner unserer Klasse, waren die Einzigen, die in den Gesprächen nachfragten – und von zwei Herzinfarkten, einer Nierentransplantation und einer erfolgreich operierten Netzhautablösung erfuhren.
Bloss nicht über psychische Probleme reden!Offensichtlich gilt für viele Männer nach wie vor: Nur keine Schwäche zeigen! Und so reden gerade reifere Männer nach allen Erfahrungen und Studien weniger gern über ihre Gesundheit. Dies mit Abstufungen: Zu einem Herzinfarkt bekennt man(n) sich noch eher als zu psychischen Problemen, dem grossen Tabu unseres Geschlechts.
Statistiken und Studien belegen zudem: Zum Schweigen gesellt sich noch das Nichtstun. Männer gehen seltener zum Arzt als Frauen, sie nehmen Vorsorgeangebote nicht ausreichend an, sie fürchten sich vielfach geradezu vor Untersuchungen und möglichen Diagnosen.
Die geringere Ehrlichkeit gegenüber sich selbst und das Zögern, Hilfe anzunehmen, dürften zwei Gründe für unsere im Vergleich zu Frauen geringere Lebenserwartung sein. Sie liegt in der Schweiz bei rund 82 Jahren, heute geborene Frauen können auf 86 Jahre hoffen.
Immerhin: Alkohol und Zigaretten sind bei den alten Herren outAn diesem Sommerabend war aber auch zu beobachten: Über Gesundheit wird zwar nicht offen gesprochen, durchaus aber darauf geachtet. Der Alkoholkonsum war vergleichsweise bescheiden. Mehrere Herren bestellten sich den Salatteller, nur ein einziges Eisbein brachte der Kellner an unsere Tische.
Gesundheitsbewusstsein zeigte sich auch beim beliebten Gesprächsthema Freizeitgestaltung: Von mehreren Alt-Herren-Fussballmannschaften war zu hören, von geplanten Sommerferien auf dem Velo oder gar von Halbmarathons. Am erfreulichsten aus meiner Sicht: Niemand verliess kurzfristig das Lokal, um draussen «eine zu rauchen» – das zu Schulzeiten fast endemische Verhalten ist ein Ding der Vergangenheit. Das stimmt mich optimistisch, dass sich alle in zehn Jahren wiedersehen können.
Bereits erschienene Texte unserer Kolumne «Hauptsache, gesund» finden Sie hier.
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