Größter Eisberg der Welt ist zerfallen und schmilzt

Wie eine riesige, weiße Wand, die aus dem Meer ragt, und bis zum Horizont reicht: So beschrieben Forschende „A23a”, den wohl größten Eisberg der Welt. Einige seiner Klippen waren 400 Meter hoch. Mit 3672 Quadratkilometern war der Koloss so groß wie Mallorca und fast eine Billion Tonnen schwer. Doch längst sind die Eiswände von A23a nun vom Meerwasser zerfressen und ausgehöhlt. Er ist in diesen Tagen dabei, im Atlantischen Ozean zu zerfallen, zu schmelzen und für immer zu verschwinden.
A23a war 1986 vom Filchner-Ronne-Schelfeis in der Antarktis abgebrochen, einer Eismasse am oberen Ende des Weddellmeeres. Danach hing er jahrzehntelang am Meeresboden fest, von wo er sich allmählich löste. Anfangs blieb er allerdings noch in zirkulierenden Strömungen gefangen.

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Ein Glücksfall für die damalige Sowjetunion: Auf dem Eisberg hatte sich nämlich die – zum Zeitpunkt des Abbruchs unbesetzte – sowjetische Forschungsstation Druzhnaya 1 befunden. Sie war zunächst nicht mehr auffindbar gewesen und man hatte befürchtet, sie sei im Meer versunken. Dann aber zeigten Satellitenaufnahmen, dass sie mit dem Eisberg gemeinsam vom Festland abgebrochen war. Weil sich A23a noch nicht sehr weit entfernt hatte, konnten Material und Verpflegung aus der Druzhnaya 1 mit einem Helikopter geborgen werden.
Im Jahr 2023 hatte sich A23a dann endgültig losgerissen und war auf Wanderschaft gegangen. Seitdem hat er eine weite Reise zurückgelegt. Die antarktische Zirkumpolarstrom sorgte dafür, dass A23a in den Südatlantik gespült wurde. Dabei folgte er derselben Route, die schon viele Eisberge vor und nach ihm zurückgelegt haben, und die deshalb auch die Eisbergallee genannt wird.
2024 hing A23a wieder fest: In einem Strömungswirbel vor den Südlichen Orkneyinseln, nördlich der Antarktischen Halbinsel, drehte er sich einige Monate lang im Kreis. Forschende hatten vermutet, dass A23a dort jahrelang überdauern könnte. Doch Ende 2024 war er aus dem Strudel freigekommen und seitdem auf die Insel Südgeorgien zugetrieben. Zunächst war befürchtet worden, dass A23a dort Populationen von Pinguinen und Robben bedrohen könnte.
Wenn sich Eismassen zwischen Meer und Brutkolonien an Land schieben, können diese entweder ganz von der Nahrungszufuhr aus dem Meer abgeschnitten werden. Oder die Tiere müssen weitere Wege zurücklegen – was zu viel Energie kosten kann, um zu überleben. Im Jahr 2004 hatte das Antreiben des Eisbergs A38 vor Südgeorgien schon einmal zu einem Tiersterben geführt. Tausende Heuler und Pinguinküken waren damals an den Stränden verhungert.
Doch im Fall von A23a ging es noch einmal gut, zumindest für die Tiere: Im März diesen Jahres war er in den seichten Gewässern vor Südgeorgien auf Grund gelaufen. Gelöst hatte er sich von dort erst wieder im Mai. Seitdem treibt er in einer Strömung, die Südgeorgien umrundet, der Southern Antarctic Circumpolar Current Front (SACCF).
Nun aber die schlechte Nachricht: Er ist nun wenigen Tagen in mehrere große Stücke zerfallen, teilt das Polarforschungsinstitut British Antarctiv Survey Anfang September mit.
„Der Eisberg bricht rapide auseinander und verliert riesige Brocken, die selbst als große Eisberge bezeichnet werden“, sagte Andrew Meijers, Eisberg-Experte des Instituts, gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. A23a sei dadurch auf 1700 Quadratkilometer geschrumpft. Der größte Eisberg der Welt sei nun D15A: Ein Eisberg vor der antarktischen Küste, der mit rund 3000 Quadratkilometern etwa doppelt so groß sei wie das verbliebene Stück von A23a, sagte Meijers.
A23a sei zwar immer noch der zweitgrößte Eisberg. Das dürfte sich aber wohl in den kommenden Wochen ändern, so der Meereisforscher. „Ich gehe davon aus, dass sich seine Zersplitterung beschleunigen wird“, sagt Meijers. Seit Anfang 2024 schmelze A23a immer schneller und er befinde sich in Gewässern, deren Temperatur deutlich über dem Gefrierpunkt liege. Mit dem nun bevorstehenden Frühling auf der Südhalbkugel werde der Eisberg wohl schon bald in so kleine Teile zerfallen, dass man ihn nicht mehr weiter verfolgen könne.
Eisberge wie A23a werden nicht nur deshalb genau beobachtet, weil sie so faszinierend sind: Sie können die internationale Schifffahrt behindern und gefährden. Außerdem kann ihr Schmelzprozess Auswirkungen auf die Umwelt haben. So setzen schmelzende Eisberge Nährstoffe wie Eisen im Wasser frei, die Ökosystem verändern können. Die genauen Folgen werden noch erforscht.
Das Besondere an A23a sei, dass er so alt geworden sei, sagte Daniela Jansen, Gletscherforscherin am Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung gegenüber der dpa. Das liege daran, dass er lange Zeit in kalten Gewässern festgesessen sei.
Jansen sagte auch, es sei zwar ein normaler Prozess, dass Eisberge vom Schelfeis in der Antarktis abbrechen. Dieser verstärke sich aber durch den Klimawandel: „Eine Erwärmung des Ozeans und der Atmosphäre kann dazu führen, dass Schelfeise instabil werden und komplett zerfallen.“ Das könne dann zu einem erhöhtem Abfluss von Eis vom Land ins Meer führen, was den Meeresspiegel steigen lässt. Wenn ein schwimmender Eisberg schmelze, ändere das den Meeresspiegel hingegen nicht.
rnd