Postfinance verhängt Negativzinsen von 3 Prozent auf Kontoguthaben mehrerer Grosskunden – bereits ab 100 000 Franken

Die niedrigen Zinsen hinterlassen Spuren bei Postfinance. Ab November werden mehrere Grosskunden für ihre Guthaben zur Kasse gebeten. Privatkunden sind derzeit nicht betroffen.

Postfinance sorgt mit hohen Negativzinsen für Wirbel. Das Portal «Inside Paradeplatz» hat am Freitag in einem Artikel einen Brief des Finanzdienstleisters an einen Kunden veröffentlicht, in dem dieser darüber informiert wird, dass Postfinance ab 1. November dieses Jahres eine Gebühr von 3 Prozent auf dessen Kontoguthaben verlangt – und zwar ab dem Schwellenwert von 100 000 Franken. Die Konditionen gälten «für die Summe aller Ihrer Konten in Schweizerfranken», hiess es darin. Zukünftige Veränderungen beim Schwellenwert und bei der Gebühr seien «jederzeit möglich».
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Eine Sprecherin des Finanzinstituts bestätigt, dass der Brief echt ist. Allerdings sei er an einen Grosskunden geschickt worden und betreffe einen individuell festgelegten Schwellenwert. Privatkunden seien von der Gebühr nicht betroffen. Seit Mitte Jahr seien solche Briefe gestaffelt an «wenige hundert Grosskunden» verschickt worden. Der Finanzdienstleister der Schweizerischen Post hat nach eigenen Angaben 2,4 Millionen Privat- und Geschäftskunden.
Auch Pensionskassen von Gebühren betroffenDie Auswahl der betroffenen Kunden sei unter anderem «nach sorgfältiger Prüfung der individuellen Kundensituation» erfolgt, teilt die Sprecherin weiter mit. Nähere Angaben zu der Selektion machte sie nicht. Unter diesen einzelnen Grosskunden der Postfinance seien auch Pensionskassen.
Dahinter dürfte stecken, dass der Druck auf das Zinsdifferenzgeschäft der Postfinance aufgrund der sehr niedrigen Zinsen zugenommen hat. Auch das unsichere geopolitische Umfeld und Schwankungen an den Finanzmärkten könnten eine Rolle spielen.
Eine «sehr harte Massnahme»«Für Banken sind Nullzinsen, wie sie die Schweizerische Nationalbank derzeit vorgibt, ein schwieriges Umfeld», sagt Andreas Dietrich, Finanzprofessor an der Hochschule Luzern. Einzelne Finanzhäuser verlangten von Grosskunden bereits wieder Negativzinsen, auch wenn dies sehr unpopulär sei. Einen Negativzins von 3 Prozent ab einem Kontoguthaben von 100 000 Franken sieht er indessen als «sehr harte Massnahme».
Es könne nicht das Ziel von Postfinance sein, vermögende Kunden loszuwerden, sagt Dietrich. Vielmehr wolle das Finanzinstitut die betroffenen Kunden wohl stärker in sein Anlagegeschäft drängen. Mit Anlageprodukten verdient Postfinance Geld – wenn Kunden hingegen Cash auf ihren Konten herumliegen lassen, ist das nicht der Fall. Postfinance sei letztlich stark im Bereich der Retailkunden tätig, die Kunden dort hätten im Durchschnitt oftmals geringere Vermögen.
«Postfinance muss Geld verdienen, das schaffen sie im Zinsdifferenzgeschäft derzeit praktisch nicht», sagt Dietrich. Folglich müssten sie das Anlagegeschäft pushen. Dabei dürfte auch eine Rolle spielen, dass Postfinance keine Kredite vergeben darf.
Laut der Postfinance-Sprecherin verfolgt Postfinance mit den Gebühren keine «Rentabilisierung». Vielmehr sei das Ziel, die Auswirkungen grosser Einlagen auf die Bilanz aktiv zu steuern und zugleich die vorgegebenen regulatorischen Vorgaben zu erfüllen. Postfinance sei dazu als systemrelevante Bank verpflichtet. Das Finanzhaus werde indessen weiterhin alles dafür tun, seine Privatkundinnen und Privatkunden vor Guthabengebühren oder Negativzinsen zu schützen, fuhr sie fort.
Pensionskassen brauchen Liquidität und KontoguthabenAus dem Vorsorgesektor kommt indessen Kritik, zumal auch Pensionskassen von den Änderungen bei Postfinance betroffen sind. «Vorsorgeeinrichtungen sind – bei allem Verständnis für regulatorische Anforderungen der Banken – darauf angewiesen, einen Teil der Sparvermögen ihrer Versicherten liquide zu halten», sagt Lukas Müller-Brunner, Direktor des Pensionskassenverbands Asip.
Die Kassen kämen schlichtweg nicht darum herum, ein Mindestmass an Liquidität zu halten. So würden nicht nur Beiträge in Franken und Rappen an die Vorsorgeeinrichtung überwiesen, sondern diese bezahle auch Renten, Kapitalbezüge oder Leistungen beim Wechsel der versicherten Person zu einer anderen Vorsorgeeinrichtung in dieser Form aus. «Eine Pensionskasse kann Renten nicht in Aktienanteilen bezahlen», sagt Müller-Brunner.
nzz.ch

