KOMMENTAR - Trumps neuer Zollschock: Der Umgang mit der Schweiz wird zum wichtigen Signal


Trotz zahlreichen Dienstreisen nach Washington, Telefonaten auf höchster Ebene, ausgesetzten Digitalsteuern und aufgeschobenen Gegenzöllen droht Donald Trump seinen wichtigsten Handelspartnern mit noch höheren Zöllen als vor der Zollpause. Auf Importen aus Kanada sollen ab dem 1. August 35 Prozent anfallen.
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In der Post, die Mexiko und die EU am Samstag erhielten, verkündete Trump je 30 Prozent. Die Anfang dieses Jahres laut den Berechnungen der Welthandelsorganisation (WTO) noch geltenden Durchschnittszölle von 0 Prozent für Mexiko, 0,25 Prozent für Kanada und 3,5 Prozent für die EU wirken wie aus einer anderen Welt.
Taktik oder TrendwendeDennoch vermochte Trumps Zollpolitik die Euphorie am amerikanischen Aktienmarkt bisher nicht nachhaltig zu dämpfen. Die Anleger reagierten zwar im April geschockt. Doch seit der amerikanische Präsident seine sogenannten «reziproken» Zollsätze ausgesetzt hat und auch mit China eine 90-tägige Zollpause vereinbart hat, setzen die Märkte auf «Taco»: «Trump always chickens out» – wenn es ernst wird, kriegt Trump immer kalte Füsse und gibt nach. Seine Drohungen interpretieren die «Taco»-Anhänger als blosse Taktik, damit er bessere Deals abschliessen kann.
Doch Trumps Massnahmen der vergangenen Wochen können auch als Trendwende interpretiert werden. Um es mit einem ähnlichen Akronym auszudrücken: Vielleicht gilt statt «Taco» bald «Tadie»: «Trump always does it in the end» – am Schluss macht Trump es.
Er tut, was er will, und setzt – anders als in seiner ersten Amtsperiode – seine Drohungen in die Tat um. Die Verhandlungsangebote waren ein Ablenkungsmanöver. Trump will sehr hohe Zölle als Allzweckwaffe einsetzen und meinte es ernst, als er im Januar sagte, das schönste Wort im Dictionnaire sei für ihn «Zoll».
Tatsächlich hat Trump auch in der Zollpause Schritt für Schritt die Sätze erhöht und Verfahren zur Einführung von neuen Zöllen gestartet. Auch ohne «reziproke» Zölle hat sich der durchschnittlich angewandte Zollsatz auf Importen aus aller Welt seit Jahresanfang bereits von 2,1 auf 13,7 Prozent erhöht – Tendenz steigend.
Auf wen hört Trump?Wichtige Aufschlüsse darüber, wer recht hat, dürfte in den nächsten Tagen der Umgang des Weissen Hauses mit der Schweiz geben. Die USA verzeichnen mit der Eidgenossenschaft zwar wegen ihrer Pharma- und Goldimporte ebenfalls ein substanzielles Handelsbilanzdefizit. Trump drohte deswegen anfänglich mit «reziproken» Zöllen von 31 Prozent. Doch die Schweiz hat ihre Industriezölle bereits auf null gesetzt.
Schweizer Firmen sind die siebtgrössten ausländischen Investoren in den USA und stellen in Aussicht, nochmals deutlich mehr zu investieren, wenn die Rahmenbedingungen stimmen und die Unsicherheit abnimmt.
Die Schweiz hat sich mit dem Finanzminister Scott Bessent und dem Handelsbeauftragten Jamieson Greer dem Vernehmen nach bereits auf eine Vereinbarung geeinigt, die den pauschalen Zollsatz von 10 Prozent beibehält und Ausnahmen unter anderem für Pharma gewährt. Auch sonst setzt die Einigung auf verstärkte Kooperation. Der Entwurf liegt nun im Weissen Haus.
Sollte die Schweiz in den nächsten Tagen keinen Brief von Donald Trump erhalten oder gar das Abkommen abschliessen können, wäre dies ein starkes Signal zugunsten der «Taco»-Gemeinde. Es würde darauf hindeuten, dass Trump seine Briefe vor allem verschickt, um den Verhandlungsdruck zu erhöhen und bald Deals abschliessen zu können.
Setzt sich Trump hingegen über das verhandelte Abkommen hinweg und verfährt mit der Schweiz in den nächsten Tagen ähnlich wie mit der EU, dann lässt sich «Tadie» kaum mehr von der Hand weisen.
Der Mann im Weissen Haus fühlt sich durch die bisher verhaltenen Marktreaktionen erst recht in seinem Protektionismus bestärkt. Er desavouiert seine ökonomisch versierten Verhandler und agiert zunehmend autoritär und unberechenbar. Das Sagen haben nur noch Trump selber und ein kleinster Kreis von radikalen Einflüsterern wie der unorthodoxe Ökonom Peter Navarro oder der ultrarechte Berater Steve Bannon.
Zu hoffen ist, dass die «Taco»-Fraktion recht behält. Doch die Zeichen mehren sich, dass mit «Tadie» zu rechnen ist. Dann blieben nur noch die amerikanischen Gerichte und Wähler als Ausweg.
nzz.ch