Im Alter werde ich anfällig für Verschwörungstheorien. So bestimmen diese meine Anlagestrategie

Nach Gold halte ich jetzt auch noch Bitcoin im Portefeuille, um mich vor einer neuerlichen Schuldenkrise zu schützen. Für den Fall, dass nächstes Jahr die KI-Blase platzt, habe ich eine Radikallösung in der Hinterhand.

Jennifer Lorenzini / Reuters
Vor einem Jahr outete ich mich in dieser Kolumne als späten Gold-Fan. Zuvor hatte ich die Gold-Bugs mitsamt ihren Verschwörungstheorien belächelt.
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Wie konnte das nur geschehen? Vielleicht, weil ich nun im 51. Lebensjahr selbst empfänglicher für Verschwörungstheorien bin. Oder weil die Erwartung, dass sich die unkontrolliert wachsenden Staatsschulden nur noch durch die Notenpresse kontrollieren lassen, mittlerweile ziemlich mainstream geworden ist.
So oder so. Ich hätte nie gedacht, dass ausgerechnet Edelmetall so viel zur Performance meiner 3. Säule beitragen kann, wo ich rund 8 Prozent Gold halte. Das geht bei meinem Anbieter, der erlaubt, mit einer beschränkten Auswahl von günstigen Indexfonds einen eigenen Anlagemix zusammenzustellen.
Plötzliche ZweifelVor kurzem jedoch habe ich Zweifel bekommen, als ich auf Social Media einen Bericht über Warteschlangen vor Edelmetallhändlern sah. Ich dachte: Jetzt bläst sich eine Blase auf.
Sollte ich meinen Goldanteil reduzieren? Ich loggte mich schon bei meinem 3.-Säule-Anbieter ein, entschied mich dann aber im letzten Moment dagegen, zur Tat zu schreiten. Schliesslich sollte man seine Anlagestrategie nur in Ausnahmefällen anpassen. Und ich glaube ja weiterhin an Gold und seine Schutzwirkung bei einer neuerlichen Schulden- und Währungskrise.
Aber wo ich mich schon eingeloggt hatte, sah ich, dass neu auch Bitcoin-Anlagen möglich sind – bis zu einem Anteil von 5 Prozent. Mit dem Resultat, dass ich jetzt neben Gold auch noch 5 Prozent Bitcoin halte.
So fühle ich mich gerüstet für eine Staatsschuldenkrise und das Schreckgespenst des Debasements. Dieser historische Begriff aus dem Münzwesen wird von uns, den Gold-Bugs, Bitcoin-Freunden und libertären Spinnern metaphorisch verwendet. Früher entzog der Herrscher bei Budgetproblemen den Gold- oder Silbermünzen gerne einen Teil des Edelmetalls und ersetzte es durch Kupfer. Die Geldstücke behielten so ihren Nennwert, während ihr Materialwert sank. Die Machthaber manipulieren seit je unser Geld.
Im Kontext heutiger Währungen bedeutet Debasement die schleichende Entwertung durch eine massive Ausweitung der Geldmenge. Davon sind wir in der Schweiz zum Glück weniger betroffen, und trotzdem habe ich mit meiner 3. Säule ein Abwehrdispositiv in Stellung gebracht. Ich bin ein Prepper.
Dunkle VorahnungJüngst habe ich auch eine Funktion in meiner 3a-App entdeckt, wie man mit einem Klick all seine Wertschriften verkaufen kann. Wie praktisch, dachte ich, denn seit einigen Monaten habe ich eine dunkle Vorahnung: dass nächstes Jahr die KI-Blase platzt und sich Investitionen im Umfang von Hunderten von Milliarden Dollar als wertlos herausstellen. Dann würden in einer allgemeinen Panik wohl alle Aktien in den Keller rauschen und Hochrisikoanlagen wie Bitcoin am tiefsten.
Investoren, die mit Fremdkapital spekuliert haben, werfen dann auch ihr Gold auf den Markt, weil die Banken sie auffordern, Geld nachzuschiessen, und Gold bis dahin am wenigsten Wert verloren hat. Kurz: Es kommt zu einer handfesten Finanzkrise.
Ich jedoch triumphiere. Weil ich rechtzeitig den richtigen Knopf gedrückt haben werde.
Ein Artikel aus dem «NZZ am Sonntag»
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