Finanzwächter strafen Paris ab: Frankreich rückt ein Stück näher an die Super-Krise


Frankreich bekommt die Quittung für seine unsolide Finanzpolitik: Die Ratingagentur S&P stufte das Land herab. Für den neuen Premierminister Lecornu wird damit die Lage nicht einfacher.
Die Rating-Agentur S&P hat die Kreditwürdigkeit Frankreichs angesichts der anhaltenden politischen Instabilität im Land erneut herabgestuft. Wie S&P am Freitagabend bekanntgab, wurde die Bewertung Frankreichs von AA-/A-1+ auf A+/A-1 gesenkt. Es handelt sich bereits um die zweite Herabstufung in anderthalb Jahren.
Die "Unsicherheit hinsichtlich der französischen Staatsfinanzen" bleibe trotz der in der vergangenen Woche erfolgten Vorstellung eines Haushaltsentwurfs für 2026 hoch, erklärte S&P zur Begründung seiner Entscheidung. Die Rating-Agentur zählt neben Moody's und Fitch zu den drei einflussreichsten der Welt. Durch die Herabstufung von der zweithöchsten Klasse AA auf A+ werden französische Staatsanleihen nunmehr auf dem gleichen Niveau eingestuft wie jene aus Spanien, Japan, Portugal und China.
S&P erklärte zur Erläuterung seiner Entscheidung weiter, Frankreich erlebe "derzeit die schwerste politische Instabilität seit der Gründung der Fünften Republik im Jahr 1958". Präsident Emmanuel Macron müsse "ohne klare Mehrheit" im Parlament und einer "zunehmenden politischen Fragmentierung" zurechtkommen.
Zur Lage der Staatsfinanzen hieß es, zwar werde für 2025 das Ziel erreicht, die Neuverschuldung auf 5,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu halten. Mangels zusätzlicher Maßnahmen zur Senkung des Defizits werde die Sanierung des Staatshaushaltes aber "langsamer als erwartet" verlaufen. Bis Ende 2028 werde die Schuldenquote Frankreichs 121 Prozent des BIP erreichen. Zum Vergleich: Ende 2024 waren es 112 Prozent. Angesichts der 2027 anstehenden Präsidentschaftswahl sei an der "tatsächlichen Fähigkeit" Frankreichs zu zweifeln, die jährliche Neuverschuldung bis 2029 auf drei Prozent des BIP zu senken.

Finanzminister Roland Lescure erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur AFP, er nehme die Herabstufung durch S&P "zur Kenntnis". Er bekräftigte die Absicht der Regierung, die Neuverschuldung bis 2029 stufenweise auf unter drei Prozent des BIP zu senken.
Rating-Agenturen wie Fitch, Moody's und S&P stufen die Kreditwürdigkeit von Unternehmen und Staaten ein – also ihre Fähigkeit, ihre Schulden zurückzuzahlen. Die Bewertungsstufen reichen von AAA (beste Bewertung) bis D (Zahlungsausfall). Eine Herabstufung durch die Agenturen ist für die Staaten problematisch, weil sie in der Folge damit rechnen müssen, höhere Zinsen auf ihre Staatsanleihen zu zahlen.
Die Anleihenmärkte hatten schon im Vorfeld der Herabstufung auf den düsteren Finanzausblick für Frankreich reagiert. Investoren verlangen inzwischen deutlich höhere Zinsen dafür, dass sie Frankreich frisches Geld geben. In den Hauptstädten der Eurozone und auch bei der Europäischen Zentralbank wird die Entwicklung aufmerksam beobachtet. Die Sorge: Frankreich gerät in eine gefährlichere Abwärtsspirale. Immer höhere Zinszahlungen verschärfen die Finanzlage weiter, was Investoren noch vorsichtiger werden lässt. Im Extremfall könnte sich Frankreich dann nicht mehr an den Anleihenmärkten refinanzieren. Die Eurozone hätte dann eine neue Schuldenkrise, nur dass mit Frankreich ein Land im Mittelpunkt stünde, das ungleich größer ist als damals Griechenland.
Die Wahrscheinlichkeit für ein solches Szenario ist bisher allerdings gering. S&P weist im Ratingbericht daraufhin, dass die ausstehenden Schulden Frankreichs eine relativ lange Laufzeit von durchschnittlich 8,5 Jahren haben. Die verschlechterten Konditionen auf dem Anleihenmarkt kommen daher nur langsam zum Tragen, weil der Refinanzierungsbedarf überschaubar ist. Die Zinsbelastung dürfte daher nur langsam ansteigen (siehe Grafik). Zudem hat die EZB vorgesorgt: Sie könnte zur Not Staatsanleihen aufkaufen, wenn es Turbulenzen am Anleihenmarkt geben sollte.

Nichtsdestotrotz muss Frankreich aufpassen, dass die Situation nicht eskaliert. Denn die schlechte Stimmung drückt inzwischen auf auf die Wirtschaft. S&P erwartet in den nächsten Jahren nur ein verhaltendes Wachstum. Die Hoffnungen ruhen jetzt auf Sébastien Lecornu. Präsident Macron hatte ihm am Freitag vergangener Woche zum zweiten Mal zum Premierminister ernannt und mit der Bildung einer Regierung beauftragt. Es ist die vierte Regierung in weniger als anderthalb Jahren und bereits die sechste seit der Wiederwahl Macrons 2022.
Am Donnerstag musste Lecornu sich dann bereits zwei Misstrauensvoten in der Nationalversammlung stellen – überstand beide aber. Der Preis dafür war seine Ankündigung, die Nationalversammlung über die Aussetzung der umstrittenen Rentenreform abstimmen zu lassen, mit der das Rentenalter von 62 schrittweise auf 64 Jahre angehoben werden soll.
FOCUS