EU-Klimaziel: Neuer Streit in der Koalition

In Woche eins nach der Sommerpause kocht in der Koalition der nächste Streit hoch - dieses Mal wegen der neuen EU-Klimaziele. Mit ihnen soll der gemeinsame Treibhausgasausstoß der Mitgliedsstaaten bis 2040 um 90 Prozent gegenüber 1990 verringert werden. Die Entscheidung darüber steht nächste Woche an.
Eigentlich soll sie in der Runde der Umweltminister gefällt werden. Doch anders als Umwelt- und Klimaminister Carsten Schneider (SPD) möchte das Bundeskanzleramt, dass dies im Europäischen Rat der Staats- und Regierungschefs geschieht. Der gravierende Unterschied dabei: Im Umweltministerrat reicht eine einfache Mehrheit aus, während die Entscheidung im EU-Rat einstimmig ausfallen muss.
Es wäre sehr unwahrscheinlich, dass das ambitionierte Ziel bei den Staats- und Regierungschefs auf ungeteilte Zustimmung stößt. Die Folge: Das neue Klimagesetz mitsamt seiner Reduktionsziele, das im Anschluss auch noch im Parlament und von den Mitgliedsstaaten beschlossen werden muss, würde aufgeschoben. Und der Vorwurf, die Ziele insgesamt verwässern zu wollen, steht im Raum.
„Das Knirschen in der Koalition ist hörbar und schwer erträglich. Ich bin darüber auch stinkig“, sagte Schneider dem Newsletter-Dienst Table. Im Koalitionsvertrag sei das anders verabredet gewesen. Auch SPD-Fraktionschef Matthias Miersch betonte mit Blick auf eine mögliche Verschiebung der nationalen oder auch EU-Klimaziele: „Diese Entscheidung kann, sehr, sehr toxisch sein.“
Klimaminister Carsten Schneider (SPD) mit Blick auf ein abgespecktes EU-Klimaziel.
Schneider warnt: „Wenn wir auf europäischer Ebene ein abweichendes Ziel für 2040 beschließen, das weniger CO₂-Reduktion vorsieht, national aber gezwungen sind, unter anderem durch das Verfassungsgericht, mehr zu machen, dann wird das eine Sonderbelastung für die deutsche Industrie.“ Das könne niemand wollen. „Jeder, der bei Verstand ist, sollte in diese Richtung gehen.“
Deutschland will in seinen nationalen Klimazielen die Emissionen bis 2040 um mindestens 88 Prozent gegenüber 1990 senken und hat für 2045 das Ziel, nicht mehr neue Treibhausgase zu produzieren als aus der Atmosphäre entfernt werden können. Das neue Klimaziel der EU sieht zudem vor, dass von den 90 Prozent Reduktion bis zu drei Prozent über Klimaschutzinvestitionen in anderen Ländern erreicht werden dürfen.
Auch Frankreich besteht darauf, dass die Regierungschefs über den Vorschlag der Kommission abstimmen und nicht die Umweltminister. Schneider sagte am Dienstag, es gehe jetzt darum, Frankreich und auch Italien zu einem klaren Ja zu bewegen. Gibt es allerdings keinen Konsens in der deutschen Regierung, kann sie auch kein Votum abgeben.
Zusätzlicher Druck besteht mit Blick auf die im November anstehende Weltklimakonferenz im brasilianischen Belem. Denn aus dem Klimaziel 2040 leitet die EU auch die verbindlichen Nationalen Beiträge (NDC) für das Jahr 2035 ab. Das NDC der Europäischen Union müsste noch vor Beginn des Klimagipfels in Brasilien veröffentlicht werden. Eigentlich hätte das NDC bereits im Februar bei der Klimarahmenkonvention UNFCCC eingereicht werden müssen.
Klimaschützer hatten erst kürzlich in einem offenen Brief an Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) appelliert: „Verhindern Sie diese Verzögerung des Klimaschutzes! Sorgen Sie dafür, dass das EU-2040-Klimaziel von minus 90 Prozent sowie der EU-Klimabeitrag (NDC) am 18. September im Umweltrat beschlossen wird.“ Alles andere werde den internationalen Klimaschutz gefährden.
(Mit dpa-Material)
rnd