Datenschützer warnen: Warum Bargeld nicht so anonym ist, wie wir gerne denken

von Malte Mansholt
3 Min.Deutsche lieben Bargeld – und sind skeptisch gegenüber Datensammelei. Doch auch Geldscheine werden immer häufiger überwacht. Datenschützer warnen bereits vor den Folgen
Viele Menschen in Deutschland bevorzugen es, mit Bargeld zu bezahlen – ob aus Gewohnheit, aus der Not heraus oder „weil man sieht, was man hat“. Für viele spielt aber auch eine Rolle, dass digitale Zahlungen wie etwa mit EC-Karten eine Datenspur hinterlassen. Doch auch Geldscheine sind nicht so anonym, wie man im Allgemeinen denkt. Und die Behörden denken über eine größere Überwachung nach.
Das zeigt eine Recherche von „Netzpolitik“. Tatsächlich sind Geldscheine über ihre Seriennummer genau identifizierbar – und werden darüber auch von einer immer größeren Zahl von Akteuren auf ihrem Weg durch die Wirtschaft verfolgt. Das Interesse an den Daten ist groß.
Verfolgung durch die WirtschaftDie Seriennummern werden vermehrt automatisch erfasst, ob bei der Auszahlung am Geldautomaten oder der Einzahlung auf ein Konto. Aber auch im Supermarkt kann das passieren, wie „Netzpolitik“ betont: Holt abends ein Dienstleister die Einnahmen ab, werden die Scheinnummern häufig bereits automatisch eingescannt. Und erlauben so im Zweifel eine Verbindung zwischen Abheben und Ausgeben des Scheines zu ziehen.

Die Behörden nutzen diese Nachverfolgbarkeit bereits seit Jahrzehnten für Ermittlungen. Bestätigt ist das etwa für Lösegeldfälle, bei der Verfolgung von Geldwäsche und bei der Untersuchung von Terrorismus-Finanzierung. Dabei werden Scheinnummern in Datenbanken gesammelt. Werden sie bei Kontrollen erneut gefunden, wird das gemeldet. Zudem können die Behörden bei der Bundesbank anfragen, ob bestimmte Scheine aufgetaucht sind.
Bargeld-Überwachung als DienstleistungAutomatisierte Scans können die Möglichkeiten allerdings erheblich erweitern. Der Dienstleister Elephant & Castle IP sammelt die Seriennummern von Geldscheinen automatisiert von Geldtransporter-Unternehmen, inklusive Datum und Uhrzeit des Scans. Die Behörden können dann gezielt nach Scheinen suchen. Mehrere Staatsanwaltschaften nehmen das bereits in Anspruch, erklärte Geschäftsführer Gerrit Stehle gegenüber „Netzpolitik“. Allerdings biete er die Daten nur Behörden an.
„Unsere Technologie ermöglicht es, auf Knopfdruck die Historie von Banknoten nachzuvollziehen“, so Stehle. „Wir nutzen die Datenanalyse, um ein tiefes Verständnis für die Bewegungen von Bargeld zu entwickeln und Zahlungsströme zu identifizieren, die potenziell verdächtige Muster aufweisen. Wir lauschen quasi dem Bargeld.“ Mit Geldzählmaschinen würde er das System am liebsten noch weiter ausbauen.
Interessant ist die Sammlung der Seriennummern vor allem deshalb, weil sie nach Ansicht der Sammler nicht von Datenschutzgesetzen geregelt ist. Weil es sich nicht um personenbezogene Daten handelt, greifen Schutzmechanismen wie die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) nicht, argumentieren sie.
Bei Datenschützern lässt das die Alarmglocken läuten. „Wenn Seriennummern mit Zeit und Ort der Erfassung gespeichert und diese Daten immer granularer gesammelt werden, verliert man die Anonymität des Bargelds“, warnte Marit Hansen, Landesbeauftragte für Datenschutz Schleswig-Holstein, gegenüber Netzpolitik. Dabei entstünden nicht nur Risiken bei der Erfassung des Einkaufsverhaltens, sondern auch bei Geschäftsgeheimnissen, glaubt sie.

Die Anonymität gilt als einer der größten Vorteile von Bargeld. „Bargeld ist das bevorzugte Zahlungsmittel für Menschen, die souverän mit ihren eigenen Daten umgehen möchten. Kein anderes Zahlungsmittel erreicht ein ebenso hohes Datenschutzniveau“, heißt es etwa in einem Positionspapier aus einem von der Bundesbank veranstalteten Workshop. Demnach sieht die Hälfte der Bundesbürger die Anonymität des Geldes als einen wichtigen Faktor bei der Wahl einer Zahlungsmethode.
Überwachtes Bargeld: Wer hat welchen Schein?In Wahrheit ist diese Anonymität aber eine Illusion. „Im polizeilichen Informationsverbund ist die Verknüpfung verschiedener Informationskategorien möglich, unter anderem auch personenbezogener Daten“, bestätigte die Polizei Bremen gegenüber „Netzpolitik“. Dort können also Seriennummern mit Personen verknüpft werden.

Ob auch Geldautomaten Seriennummern mit Personen verbinden, ist erstaunlicherweise nicht ganz klar. Eine entsprechende Anfrage von „Netzpolitik“ beantworteten 16 Banken nur ausweichend oder gar nicht, nur der Branchenverband Deutsche Kreditwirtschaft positioniert sich deutlich: „Es findet keine allgemeine, institutsübergreifende Erfassung der Seriennummern von Banknoten statt“, betonte der Verband. Ob sie innerhalb der Institute getrackt werden, lässt das aber offen.
In anderen Ländern passiert das bereits: In China wird jede ausgezahlte Geldnote einer Person zugeordnet, Südafrika überwacht seine Geldnoten in Echtzeit.
Dieser Artikel ist eine Übernahme des Stern, der wie Capital zu RTL Deutschland gehört. Auf Capital.de wird er zehn Tage hier aufrufbar sein. Danach finden Sie ihn auf www.stern.de.
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