FC Bayern vor dem Spiel in Paris: Begegnung mit dem Vorbild

Vincent Kompany ist kein Trainer, der in Ausrufezeichen spricht. Er wäre nicht der Richtige, um knallige Claims zu entwickeln, und würde er eine Überschrift formulieren, würde sich das Interesse am Text vermutlich in Grenzen halten. Was im Übrigen sehr in Kompanys Sinne wäre, der es weder als Typ noch als Fußballtrainer auf die schnelle Pointe abgesehen hat. Kompany glaubt an Arbeit und Entwicklung, und an Entwicklung, die aus Arbeit resultiert. Für seine Verhältnisse wagte er sich also sehr weit raus, als er in der Pressekonferenz vor dem Rockerschockermonsterspiel bei Paris St. Germain diesen Satz sagte: „Es gibt zwei extreme Gedanken, die aufeinandertreffen, und ich würde das als Zuschauer immer sehen wollen.“
Vincent Kompany macht Werbung für ein Fußballspiel, das ist schon mal ungewöhnlich, und noch ungewöhnlicher ist, dass er ein Spiel empfiehlt, an dem seine eigene Mannschaft beteiligt ist. Kurz zuvor hatte er schon von den „grundsätzlich ähnlichen Voraussetzungen“ beider Mannschaften geschwärmt, „und jetzt treffen beide aufeinander, und was passiert dann? Das ist das, was die Leute sehen wollen“.
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Die Münchner gewinnen und gewinnen und sind bestens gelaunt. Welchen Einfluss hat Trainer Kompany? Welche Rolle spielt der kleine Kader? Und wie gut ist die Mannschaft wirklich?
Wenn der Fußball so drauf ist, wie er manchmal drauf ist, wenn er sich also einen kleinen Spaß erlaubt mit all denen, die ihn zu kennen glauben, dann endet die Champions-League-Partie zwischen Paris St. Germain und dem FC Bayern 0:0. Dann schieben Vitinha und Kimmich ein paar langweilige Pässe durch die Gegend, und Dembélé und Olise dribbeln müde ins Nichts. Aber sehr wahrscheinlich ist das natürlich nicht.
PSG ist amtlicherseits die beste Elf Europas, zertifiziert durch einen 5:0-Sieg im Champions-League-Finale gegen Inter Mailand in der Münchner Arena. Und der FC Bayern ist es zunehmend leid, für so eine Partie nur das Stadion zu stellen. Er strahlt gerade sehr intensiv aus, dass er selbst die beste Mannschaft Europas sein möchte. In der heimischen Bundesliga spielen die Bayern jedenfalls nur noch pro forma mit, oder eben, weil sie sonst nicht für die Champions League spielberechtigt wären.
Wie ein Spiel gegen sich selbst: Beide Teams vereint ein radikal offensiver AnsatzEine kuriose Feierlichkeit liegt über diesem Spiel, für das keinerlei „Preise“ vergeben werden, wie Kompany das immer sagt. Das offizielle Ziel, „mit drei Punkten einen großen Schritt für die Top Acht zu machen“ (Kompany), wirkt nahezu niedlich angesichts dessen, was jenseits der Tabellenarithmetik auf dem Spiel steht. Wobei man die Arithmetik in diesem neuen Format ja immer nochmal erklären muss: Nach acht Vorrundenspielen in einer 36er-Tabelle unter den Top Acht zu landen, würde bedeuten, keine Playoffs spielen zu müssen. Und keine Playoffs spielen zu müssen, würde bedeuten, dass der irre hohe Spielrhythmus zumindest ein bisschen weniger irre wäre.
Aus Sicht der Bayern ist das Spiel von enormer Bedeutung, und das nicht nur, weil es ein Spiel gegen sich selbst ist. Beide Teams pflegen einen radikal offensiven Ansatz, sie eint jener „extreme Gedanke“, von dem Kompany (s.o.) spricht. Vor allem aber taugt PSG als Maßstab und Vorbild. Zwar scheinen die Münchner ihre riskante Spielweise im zweiten Kompany-Jahr vervollständigt zu haben, aber es ist ja noch immer nicht erwiesen, wie stabil die LiLaLaune-Bayern sind, wenn es gegen Teams geht, die größer sind als die Bundesliga.
Umso mehr bietet der kommende Gegner eine willkommene Orientierung. „Eine revolutionäre Idee“ habe der Trainerkollege Luis Enrique mit nach Paris gebracht, obwohl er anfangs „sehr, sehr, sehr viel Kritik bekommen“ habe, sagte Kompany und würdigte den Kulturwandel des Pariser Klubs von einer Startruppe zu einer jungen, hochwertigen Elf mit exquisitem Teamspirit. Wer Kompany bei dieser Laudatio zuhörte, merkte, dass er hier leise – und natürlich ohne Ausrufezeichen – einen heimlichen Wunsch zu erkennen gab. Anfängliche Zweifel, erkennbare Weiterentwicklung und im zweiten Jahr dann der ganz große Erfolg: Er hätte nichts dagegen, wenn das auch sein Weg beim FC Bayern wäre.
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