Debatte über AfD-Verbot: Es braucht neue Verfahren

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Debatte über AfD-Verbot: Es braucht neue Verfahren

Debatte über AfD-Verbot: Es braucht neue Verfahren

Wann Parteien zu verbieten sind, darin ist das Grundgesetz sehr klar: „Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig“, heißt es in Artikel 21. Er macht ein Verbot damit allein zur Frage einer juristischen Bewertung: Erfüllt eine Partei die Merkmale der Verfassungswidrigkeit, die das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung präzisiert hat, so verliert sie das Recht fortzubestehen.

Ein mögliches Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme AfD wird bislang fast ausnahmslos mit politischen statt juristischen Argumenten diskutiert. Gewiss: Die Debatte dreht sich auch darum, ob die vorliegenden Informationen ausreichen, ein Verbot rechtlich zu begründen – jedoch stets im Sinne eines politischen Abwägens: Was folgt für den gesellschaftlichen Diskurs, wäre der Verbotsantrag in Karlsruhe erst einmal gestellt? Wie würde er sich auf Wahlergebnisse auswirken? Wie ginge das Verfahren aus? Was, wenn am Ende kein Verbot stünde? Welche Konsequenzen hätte es, würde die AfD, die in manchen Regionen ein Drittel der Wählerstimmen hinter sich vereint, von einem Tag auf den nächsten aufgelöst? Und was brächte ein Verbot, wenn zwar eine Partei verschwände, ihre Ideologie aber bliebe?

Merz warnt vor Anschein der „Konkurrenzbeseitigung“

Der Jurist, Bundeskanzler und CDU-Vorsitzende Friedrich Merz hat sich skeptisch zu einem Verbotsverfahren geäußert, und er hat offen politische Gründe für seine Haltung genannt. Ein Antrag rieche zu sehr nach „Konkurrenzbeseitigung“, sagte Merz. Wer diesen Gedanken zu Ende denkt, merkt, in welchem Dilemma die Debatte feststeckt.

Denn entweder ist eine verfassungsfeindliche Partei derart unbedeutend, dass sie keine „Konkurrenz“ für andere Parteien darstellt. Dann müsste sie gar nicht erst verboten werden, und käme es doch zu einem Verbotsantrag, so würde er just an der fehlenden Bedeutung scheitern wie seinerzeit das zweite NPD-Verfahren.

Oder eine verfassungsfeindliche Partei ist bedeutsam – nur dann bräuchte es überhaupt ein Verbot. Dann aber ist sie für andere Parteien stets auch eine ernsthafte Konkurrentin. Ein Bundeskanzler muss also grundsätzlich zu ihrer „Beseitigung“ bereit sein, falls er eine Situation, die einen Verbotsantrag richtig erscheinen lässt, auch nur für denkbar erachtet. Würde er dies kategorisch ausschließen, führte er das Grundgesetz ad absurdum – denn dann käme es niemals zu einem Parteiverbot.

So aber ist das Grundgesetz nicht angelegt. Es räumt Parteien große Privilegien ein. Dafür setzt es ihnen Grenzen, die sie nicht überschreiten dürfen. „Über die Frage der Verfassungswidrigkeit“ – also eines Verbots – „entscheidet das Bundesverfassungsgericht“, schrieben die Väter und Mütter des Grundgesetzes in Artikel 21. Sie gingen also ganz offensichtlich davon aus, dass es schon zu einer Prüfung kommen würde, wenn eine Partei unter ernsthaftem Verdacht steht, die Grenze des Grundgesetzes zu überschreiten.

Ohne Antrag keine Prüfung

Doch dazu kommt es eben nicht. Ein AfD-Verbot ist seit Jahren Gegenstand hitziger Debatten, ohne dass die höchsten Richter der Republik in dieser juristischen Frage Recht sprechen könnten. Dies könnten sie erst, wenn ihnen ein Verbotsantrag vorliegt, den nur Bundestag, Bundesregierung oder Bundesrat stellen dürfen. De facto haben also jene zu entscheiden, die sich von politischen Erwägungen gar nicht frei machen können: Parteipolitiker. Ohne ihren Antrag keine Prüfung.

Gut ist ein solcher Schwebezustand für niemanden. Er bedeutet entweder: Eine verfassungswidrige Partei darf einfach weiterarbeiten, entgegen dem klaren Willen des Grundgesetzes. Oder eine verfassungskonforme Partei hat ständig das Damoklesschwert eines Verbotsverfahrens über sich, ohne einen Freispruch erwirken zu können. Beides ist nur schwer erträglich – denn in einem Rechtsstaat muss Recht auch gesprochen werden können.

Berliner-zeitung

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