Darf man Betrunkenen heimlich alkoholfreies Bier einschenken?

»Ich habe von einer mir bekannten Oktoberfest-Bedienung gehört, dass an schon etwas betrunkene Besucher – hier speziell an Italiener – ohne deren Wissen nur noch alkoholfreies Bier ausgeschenkt wird. Man hofft vermutlich, dass die Gäste friedlicher bleiben. Preis ist identisch mit alkoholhaltigem Bier. Ist es nicht trotzdem Betrug? Zumal sicherlich mehr getrunken wird.« Horst T., München
Von einem befreundeten Gastronomen weiß ich, dass diese Praxis nicht nur auf dem Oktoberfest angewendet wird, sondern zum Beispiel auch in seinem Lokal. Und zwar dann, wenn ein Gast deutlich einen über den Durst getrunken hat und, statt einsichtig zu sein und nach Hause zu gehen, lallend schon wieder das nächste Bier bestellt. Dann könne es vorkommen, dass man diesem Gast ohne dessen Wissen auch mal ein fabelhaftes Alkoholfreies hinstelle – zum gleichen Preis. Das sei, argumentiert mein Bekannter, im Sinne beider Parteien. Fürs Lokal minimiere es die Wahrscheinlichkeit, dass es mit diesem Gast noch Schwierigkeiten gebe – für den Gast erhöhe es die Chance auf ein besseres Leben.
Aber Sie haben natürlich recht: Es liegt zumindest eine Täuschung vor, ob nun wohlmeinend oder nicht. Der Kunde bekommt nicht, was er bestellt und wofür er zu zahlen glaubt. Da der Preis gleich ist, entsteht ihm dadurch kein wirtschaftlicher Schaden, juristisch ist somit der Straftatbestand des Betrugs nicht erfüllt. Es könnte als Pflichtverletzung im Sinne des Kaufvertrags gewertet werden, aber das führt jetzt ein bisschen weit weg von Ihrer Frage. Im Gaststättengesetz, das zwar nicht bundesweit gilt, aber doch in großen Teilen des Landes, steht, dass an erkennbar Betrunkene kein Alkohol ausgeschenkt werden darf. Das bedeutet: Im Sinne des Gesetzes wäre es, einem erkennbar Betrunkenen direkt ins Gesicht zu sagen, dass an dieser Stelle Feierabend ist. Zapfenstreich, das war’s, Freundchen, finito, comprende? Damit würde man sich aber um sein Geschäft bringen (hierfür gibt’s keine Moralpunkte) und den Betreffenden um seine mühsam angetrunkene Laune (auch nicht nett), und wer weiß, wie er – in seinem Zustand – reagiert (könnte ungemütlich werden). Im Rahmen dieses Ermessensspielraums also bewegt sich Ihre Frage, die der Gesetzgeber klar beantwortet.
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