Sie stellte George Floyd als Verbrecher dar und rief die Schwarzen zum Bruch mit der Demokratischen Partei auf. Jetzt droht der Influencerin Candace Owens der grosse Absturz


Jabin Botsford / WAPO / Getty
«Im Namen der ganzen Welt: Wir sehen uns vor Gericht!», rief Candace Owens vor gut einer Woche in die Kamera ihres Podcasts. Die Adressaten der Kampfansage der 36-jährigen amerikanischen Podcasterin und Influencerin: das französische Präsidentenehepaar Brigitte und Emmanuel Macron. Denn die Macrons klagen Candace Owens in einem Gericht im Gliedstaat Delaware auf Verleumdung und Schadenersatz an.
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Der Hauptgrund dafür: In der mehrteiligen Youtube-Video-Serie «Becoming Brigitte» behauptet Owens, Frau Macron sei in Wahrheit ein Mann. Brigitte Macron habe gar nie existiert, sie sei als Jean-Michel Trogneux geboren worden, der sich einer Geschlechtsumwandlung unterzogen habe. Trogneux ist der Bruder von Brigitte Macron.
Zudem enthält die 218 Seiten starke Anklageschrift weitere 21 Punkte der üblen Nachrede und Verleumdung der Macrons durch Owens. Unter anderem geht es um die Behauptung, das Ehepaar Macron sei blutsverwandt und der französische Präsident ein Produkt eines geheimen CIA-Experiments.
Owens droht dasselbe Schicksal wie Alex JonesGemäss dem Anwalt Robert Barnes kann man Owens böswillige Absicht nachweisen. Damit ist das Kernkriterium für eine Verurteilung gegeben. Barnes sollte es wissen, verteidigte er vor Gericht doch den bekannten «Infowars»-Verschwörungstheoretiker Alex Jones. Der Radiomoderator behauptete, das Schulmassaker von Sandy Hook habe es nicht gegeben –worauf ihn Angehörige der toten Schulkinder verklagten. Ein Gericht verurteilte Jones zu 1,1 Milliarden Dollar Schmerzensgeld, worauf er Bankrott anmeldete.
Obwohl die Höhe der Schadenersatzforderungen der Macrons noch nicht bekannt ist, droht Owens ein ähnliches Schicksal. Dem Branchenmagazin «Advocate» sagte Barnes, Owens habe «null Prozent Chancen, vor Gericht zu gewinnen». Auch das First Amendment der amerikanischen Verfassung zur Presse- und Meinungsfreiheit hilft da nicht: Es schützt bekanntlich Bürger vor Zensur des Staates – Akte wie Verleumdung, Gewaltaufrufe, Drohung sowie Betrug sind jedoch justiziabel.
Sollte Candace Owens tatsächlich Alex Jones’ Selbstzerstörung folgen, wäre das einer der spektakulärsten Abstürze in den rechtsalternativen Medien. Owens gehört heute zu den wichtigsten pseudojournalistischen Aktivisten im rechten Spektrum.
In einer Sozialwohnung aufgewachsenAnfänglich wies wenig auf ihren Aufstieg zu einer einflussreichen Agente Provocatrice der USA hin. Owens wuchs in einer Sozialwohnung in einem New Yorker Vorort auf. Das Journalismusstudium brach sie ab. Ihr Grossvater soll als Kind noch unter den rassistischen Jim-Crow-Gesetzen auf einer Tabakplantage im Süden der USA geschuftet haben. An der Highschool wurde Owens Opfer rassistischer Übergriffe – in deren juristischem Nachspiel sie erste Zweifel an der im Rassismusdiskurs so wichtigen Opferrolle hegte.
Dies wurde gewissermassen ihr späteres Leitmotiv: Nachdem sie 2016 wegen einer Internetkontroverse von progressiven Akteuren gedoxt, bedroht und einzig von Neurechten unterstützt worden war, wandelte sich Owens zur Kritikerin des linken Narrativs, wonach Schwarze Opfer von systematischer Unterdrückung, Benachteiligung oder Ausbeutung des weissen Establishments seien. Gemäss Owens etabliert und verankert gerade diese Theorie Minoritäten als schwache Menschen zweiter Klasse.
Seither kämpft die einstige Praktikantin bei «Vogue» medial gerissen gegen jegliche Bewegung, die dieses Dogma internalisiert hat: Als «schwarze Konservative» lancierte Owens auf ihren Youtube-Shows den «Blexit», in dem sie Schwarze dazu aufrief, mit der Demokratischen Partei zu brechen. Im Nu wurde sie zur gefragten Rednerin bei Trump-Bewegungen wie «Turning Point USA», avancierte mit geharnischter Kritik an «Black Lives Matter» zur Gastmoderatorin bei «Fox News» und zum Host einer eigenen Show, zuerst auf der rechten Plattform «PragerU», dann ab 2020 bei Ben Shapiros «Daily Wire».
Von Donald Trump umschmeicheltKnallhart und gleichzeitig als Schwarze gegen Rassismusvorwürfe immun, wurde die Kommentatorin im politisch rechten Spektrum umschmeichelt, von Kanye West, Tucker Carlson und Donald Trump.
Owens dankte es ihren Unterstützern mit medienwirksamen Provokationen. Etwa indem sie 2022 mit Kanye West an der Fashion Week in Paris in einem T-Shirt mit der Aufschrift «White Lives Matter» auftrat. Oder indem sie die Verehrung des 2020 in Minneapolis getöteten George Floyd infrage stellte. Owens wies auf dessen kriminelle Karriere hin, unter anderem einen Raubüberfall – und behauptete, er sei in Tat und Wahrheit nicht durch Polizeigewalt ermordet worden, sondern an einer Überdosis Drogen gestorben.
Bibellesende «Tradwife»Auch wenn Floyd Drogen konsumiert hatte, lässt sich diese Behauptung nicht beweisen. So falsch und pietätlos Owens’ Ansichten sein mögen, sie steigerten ihre Popularität gewaltig. Daneben pflegte Owens ihr Image als «Tradwife». Ihren 6,5 Millionen Followern auf Instagram zeigt sich die dreifache Mutter als konservative Frau und Rollenvorbild, die mit ihrem Ehemann George Farmer die Bibel studiert, ihm das Abendessen kocht und den Garten pflegt. Farmer ist der ehemalige CEO der rechten Social-Media-Plattform «Parler».
All das kommt bei Wählern der Republikanischen Partei derart gut an, dass es Spekulationen über eine politische Karriere gab. Owens’ Zelebrierung eines traditionellen Frauenbilds geht einher mit einer radikalen Ablehnung der #MeToo- und der transaktivistischen Bewegung.
Dies erklärt vielleicht auch Owens’ Versessenheit auf die «Transvestigation» von Brigitte Macron. Sie glaubt verbissen an ihre eigene Propaganda, trotz drohender Niederlage vor Gericht, Karriereende und Bankrott. Owens könnte bald Opfer werden – ihrer eigenen Hybris.
nzz.ch