Probleme der Statistik : Woran in Deutschland wirklich gestorben wird



Bei der Leichenschau stellt der untersuchende Arzt den Tod fest und bestimmt Todesursache und -art. / © Getty Images/FSTOP123
Jedes Jahr sterben in Deutschland etwa 900.000 bis eine Million Menschen. Zu den Todesursachen gibt das Statistische Bundesamt (Destatis) in Wiesbaden - mit etwas Zeitverzug - die offiziellen Zahlen bekannt. Zuletzt war dies im September 2024 der Fall. Da meldete die Behörde, dass im Jahr 2023 rund 1,03 Millionen Menschen gestorben seien. Damit sei die Zahl der Todesfälle erstmals seit 2019 wieder gesunken.
Die Hauptursachen blieben dem Bundesamt zufolge stabil: Herz-Kreislauf-Erkrankungen waren mit knapp 33,9 Prozent aller Sterbefälle die führende Todesursache. An zweiter Stelle folgen bösartige Neubildungen (Krebserkrankungen) mit 22,4 Prozent. Darauf folgen Krankheiten der Atmungssysteme, psychische Krankheiten und Verhaltensstörungen sowie Verletzungen und Vergiftungen.
Solche Daten geben wichtige Hinweise darauf, wie hoch die Krankheitslast in der Bevölkerung ist und bei welchen Erkrankungen die medizinische Versorgung oder auch die Prävention noch verbessert werden sollte. Doch die Todesursachenstatistiken stehen seit Jahren in der Kritik. Wie kommen die Daten zustande und wie zuverlässig sind sie? Das Verfahren zur Erhebung der Daten stellt Destatis auf seiner Website vor. Demnach beruht die Statistik auf einer Vollerfassung der amtlichen Todesbescheinigungen, also der Totenscheine, in Deutschland.
Den Totenschein füllt der Arzt aus, der die sogenannte Leichenschau, die ärztliche Untersuchung zum Feststellen des Todes und zur Abklärung der Todesursache und -art (natürlich oder nicht natürlich), vorgenommen hat. Die Leichenschau ist auf Ebene der Bundesländer geregelt, sie folgt aber Vorgaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Für die Todesursachenstatistik übermitteln die Gesundheitsämter die vorgesehenen Teile der Todesbescheinigung an die Statistischen Landesämter. Diese ermitteln aus ihnen mithilfe der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD10) das Grundleiden, das als ursächlich für den Tod anzunehmen ist.
Die Todesursachenstatistik kann somit nur so gut sein, wie die Angaben auf den handschriftlich ausgefüllten Todesbescheinigungen. Und hier gibt es einige Fallstricke. Diese führten Dr. Susanne Stolpe von der Ruhr-Universität Bochum und Professor Dr. Bernd Kowall von der Universitätsmedizin Essen in einem Diskussionsbeitrag im »Bundesgesundheitsblatt« (Ausgabe 2/2025) aus.
Ein Problem ist, dass die Todesursache unikausal angegeben wird. Das bedeutet: Nur eine von eventuell mehreren potenziellen Erkrankungen, die die Person zum Zeitpunkt des Todes hatte, wird als Todesursache angegeben. Von der WHO wird hierbei vorgegeben, dass dies das Grundleiden zu sein hat. Ein Beispiel: Aufgrund einer koronaren Herzerkrankung entwickelt ein Patient eine Herzinsuffizienz und stirbt später an einer pneumoniebedingten Sepsis.
Hier wäre das Grundleiden, die koronare Herzerkrankung, die eigentliche Todesursache. Häufig werden die intermediären (Herzinsuffizienz) oder unmittelbaren (Pneumonie, Sepsis) Todesursachen im Totenschein aufgeführt, schreiben die Autoren. Sie stellen aber nicht das Grundleiden dar und werden nicht in die Todesursachenstatistik aufgenommen. »Das WHO-Regelwerk, nach dem das Grundleiden aus möglicherweise mehreren im Totenschein aufgeführten Erkrankungen ausgewählt und ICD-kodiert wird, ist sehr ausführlich und wird regelmäßig aktualisiert«, schreiben die Autoren.

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