Seit 1945 haben Krisen für zwölf Crashs an der Börse gesorgt – was Anleger aus der Geschichte lernen können


Anthony Pescatore / NY Daily News via Getty
Die Börsen haben in diesem Jahr eine Achterbahnfahrt hinter sich. Dies gilt besonders für den US-Markt. Die unberechenbare Politik von US-Präsident Donald Trump hat bei den Kursen an den amerikanischen Börsen für Sprünge gesorgt. Nach der Ankündigung weitreichender Zölle am 2. April sank der Standardwerte-Index S&P 500 wenige Tage später bis auf 4982 Punkte. Gegenüber dem Rekordhoch vom 19. Februar dieses Jahres bei 6144 Zählern war dies ein Minus von rund 19 Prozent.
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Damit schrammte der S&P 500 knapp an einem sogenannten Bärenmarkt vorbei. Dieser beginnt, wenn die Kurse von Aktien im Vergleich zum letzten Höchststand um mehr als 20 Prozent sinken –dafür braucht es einiges an Nervosität an den Finanzmärkten. Mittlerweile hat sich der S&P 500 wieder erholt, am Freitagabend stand der Index bei 5868 Punkten und lag damit seit Jahresbeginn nur noch knapp im Minus.
Wie eine Studie des Vermögensverwalters Assenagon zeigt, sind Bärenmärkte an der Börse gar nicht so selten. Seit dem Jahr 1945 gab es in den USA zwölf solche Marktphasen, in denen der S&P 500 jeweils mehr als 20 Prozent verlor.
Dazu zählten beispielsweise die Rezession nach dem Zweiten Weltkrieg, die Ölkrise 1973/74, der Schwarze Montag im Jahr 1987, das Platzen der Dotcom-Blase, die Finanzkrise oder der Corona-Crash im Jahr 2020.
Nach dem Ausbruch solcher Krisen brauchten die Aktienmärkte manchmal kurze Zeit, manchmal länger, um sich zu erholen. «Krisen können sich über mehrere Jahre strecken», sagt Thomas Romig, Anlagechef von Assenagon. Wie die Auswertung zeigt, lagen die Anleger bei einem Einstieg in den S&P 500 bei einem Minus von 20 Prozent aber oftmals bereits nach einem Jahr im Plus – Ausnahmen waren die Ölkrise, das Platzen der Dotcom-Blase und die Finanzkrise.
Nach fünf Jahren hatte sich der Einstieg in den Aktienmarkt in einer Krisenzeit und nach Verlusten von 20 Prozent fast immer gelohnt. Anders war es nur in der Zeit des Vietnamkriegs: Damals verbuchten Anleger fünf Jahre nach dem Einstieg immer noch ein Minus von 11,3 Prozent. Laut Romig erzielten Anleger in der Vergangenheit bei einem Einstieg in einen Bärenmarkt im Anschluss aber zumeist überdurchschnittliche Renditen.
Ein Blick auf die langfristigen Renditen der Aktienmärkte scheint ihm recht zu geben. Dies zeigt ein Blick auf die Ergebnisse des jährlich publizierten Global Investment Returns Yearbook, das die Wissenschafter Elroy Dimson, Paul Marsh und Mike Staunton in Kooperation mit der Grossbank UBS publizieren. Laut dieser Untersuchung haben Aktien weltweit im Zeitraum 1900 bis 2024 nach Abzug der Inflation eine durchschnittliche Rendite von 5,2 Prozent pro Jahr erreicht – trotz zwei Weltkriegen, der Weltwirtschaftskrise und den genannten Stressphasen. Globale Obligationen erzielten im selben Zeitraum eine jährliche Anlagerendite von 1,7 Prozent, US-Geldmarktpapiere 0,5 Prozent.
Welche Lehren Anleger daraus ziehen solltenFür Anleger hat die Entwicklung der Börse in solchen Krisenzeiten mehrere Lehren parat:
In Krisenzeiten nicht in Schockstarre verfallen: «Krisenzeiten gehören zur Börse dazu», sagt Romig. Solche Phasen sorgten für eine Bereinigung im Markt und förderten die Innovationskraft von Unternehmen. «Langfristig dürfte auch die jetzige Phase die Märkte nicht aus dem Gleichgewicht bringen.» Rezessionen und Krisen setzten Anpassungsprozesse in Gang, die über die Zeit oftmals stabilisierend wirkten. Regierungen reagierten oftmals mit Investitionsprogrammen und fiskalischen Impulsen, während Notenbanken die Wirtschaft mit Liquiditätsspritzen und Zinssenkungen stützten.
Viele Anleger verkauften indessen gerade dann Aktien, wenn die Märkte gefallen seien – oftmals sei das ein schlechter Zeitpunkt, sagt Romig. Privatanlegern sei zu empfehlen, in regelmässigen Perioden feste Beträge zu investieren und daran auch in Krisenzeiten an der Börse festzuhalten.
Anleger müssen mit Schwankungen umgehen: Anleger sollten lernen, mit Schwankungen der Börsenkurse umzugehen, sagt Roman von Ah, Geschäftsleiter beim Vermögensverwalter Swiss Rock. Dies gelinge dann besonders gut, wenn man die Entwicklung des Depots gar nicht allzu oft anschaue und den Dingen ihren Lauf lasse. So vermeide man kurzfristige Reaktionen, wenn die Kurse einmal gefallen sind.
«Kurzfristig gesehen dominieren Schwankungen die Aktienmärkte», sagt von Ah. Mittel- bis längerfristig setze sich aber der Wachstumstrend durch. Der Erfolg von langfristigem Sparen hänge stark mit der Aktienquote eines Anlegers zusammen. Die Schwankungen der Kurse seien dabei als Preis für die Zusatzrendite von Aktien zu sehen – die Anleger müssten sie aushalten, um die höhere Rendite zu bekommen.
Die Bank Pictet hat diesen Effekt in ihrer Langfriststudie zur Entwicklung von Schweizer Aktien im Zeitraum 1926 bis 2024 ebenfalls untersucht. In der Analyse kommt sie zum Schluss, dass ein Anleger, der Schweizer Aktien über fünf Jahre hinweg gehalten hat, in 85 der letzten 99 Kalenderjahre eine positive Rendite erzielt hätte. Bei einer Haltedauer von zehn Jahren wäre dies sogar in 96 von 99 Jahren der Fall gewesen. Bei einer Haltedauer von 14 Jahren gab es im Zeitraum 1926 bis 2024 kein einziges Mal eine negative Rendite.
Investiert sein und bleiben: Aufgrund der Renditechancen mit Aktien lautet der vielleicht wichtigste Rat, überhaupt Geld anzulegen. «Wenn man Vermögen aufbauen will, kommt man an Aktien nicht vorbei», sagt von Ah. Sparer und Anleger hätten oftmals zu viel Angst vor Krisen und Kursverlusten und verschenkten so Rendite. Wer das Geld auf dem Sparkonto liegen lässt oder nur in festverzinsliche Wertpapiere anlegt, riskiert, dass sein Vermögen von der Inflation quasi «aufgefressen» wird. Schliesslich sorgt die Teuerung dafür, dass schon für den realen Erhalt des Vermögens eine gewisse Rendite nötig ist.
Einen langen Atem haben und nicht kurzfristig agieren: Wenn die Märkte auf eine Krise mit Kursverlusten reagiert haben, war in der Vergangenheit oftmals kein schlechter Zeitpunkt, um Aktien zu kaufen», sagt von Ah. So seien auch die Kurse am US-Aktienmarkt vorübergehend extrem überbewertet gewesen, nun sei hier wieder etwas Rationalität eingekehrt.
Trotzdem rät der Vermögensverwalter Privatanlegern davon ab, «Market Timing» zu betreiben: Hier steigt man zu bestimmten Zeitpunkten an der Börse ein und wieder aus und versucht, so eine bessere Rendite zu erzielen als der Markt. Wenn man dies versuche, könne man genauso gut Lotto spielen, sagt von Ah. Zudem fallen durch solch hektisches Handeln auch hohe Gebühren an.
Des Weiteren droht die Gefahr, die besten Zeiten am Aktienmarkt zu verpassen. Dies zeigt ein Blick auf die Renditen von S&P 500 sowie von US-Staatsanleihen von Swiss Rock. Langfristig hat der US-Standardaktien-Index viel höhere Renditen abgeworfen als die Obligationen. Anleger, die im Zeitraum 1926 und 2006 in den besten 40 Monaten nicht investiert waren, hätten aber sogar eine leicht schlechtere Rendite mit den S&P-500-Aktien erzielt als mit den US-Staatsanleihen. Dies habe nicht ausgereicht, um das minimale Anlageziel «Vermögenserhalt nach Abzug von Inflation und Steuern» zu erreichen, sagt von Ah.
nzz.ch