Schleswig-Holstein | Batteriefabrik in Dithmarschen: Northvolt-Plänen droht das Aus
Nachdem die geplante Intel-Ansiedlung in Sachsen-Anhalt gescheitert ist, schwindet auch die Hoffnung auf die millionenschwere Batteriefabrik von Northvolt in Dithmarschen. Wirtschaftsexperten sehen kaum noch Chancen für das Projekt an der schleswig-holsteinischen Westküste. Dadurch droht ein enormer steuerpolitischer Schaden.
Ein von der FDP angestrengtes Verfahren vor dem Landesverfassungsgericht soll klären, ob die Finanzprobleme des Konzerns wissentlich verschwiegen wurden. Die SPD und der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) prüfen, ob sie sich der Klage anschließen. Und durch einen im Landtag angeforderten Sonderbericht des Landesrechnungshofes zu den Vorgängen erhofft man sich mehr Transparenz.
Hintergrund ist, dass dem Unternehmen für den Fabrikbau ein öffentliches Darlehen in Höhe von 600 Millionen Euro aus Mitteln der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) zur Verfügung gestellt wurde. Der Kredit wurde über eine Bürgschaft von je 300 Millionen Euro zu gleichen Teilen durch Bund und Land abgesichert. Der dafür nötige Beschluss wurde im Jahr 2023 einstimmig im Kieler Landtag gefasst. Kurz darauf startete die Herrichtung der geplanten Gewerbefläche.
Doch noch während Bagger und Planierraupen für die ersten Baumaßnahmen anrollten, wurde bekannt, dass dem schwedischen Unternehmen die Liquidität abhandengekommen war. Northvolt steckte in Schweden seit März 2024 in einem Insolvenzverfahren.
Opposition sieht sich getäuschtDie Oppositionsparteien SPD, FDP und SSW sehen sich getäuscht. In der Gegenüberstellung von Risiken und Chancen sei die geplante Ansiedlung zu »rosarot« geschildert worden, kritisieren sie. Northvolt betonte zwar, dass die Deutschland-Pläne vom Insolvenzverfahren nicht betroffen seien. Dennoch ist das Vertrauen massiv angeschlagen.
Die Opposition in Schleswig-Holstein will nun unter anderem die Mitverantwortung von Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) genauer unter die Lupe nehmen. Die FDP hat vor dem Landesverfassungsgericht eine Klage eingereicht, wonach die Landesregierung ihren Informationspflichten gegenüber dem Landesparlament nicht vollumfänglich nachgekommen ist.
Ähnlich kritisch sieht man auch die Rolle von Robert Habeck (Grüne), bis zu den vorgezogenen Bundestagswahlen Wirtschaftsminister der Ampel-Koalition und ehemaliger schleswig-holsteinischer Umweltminister. Er hatte in Sachen Northvolt für das Batteriezellenwerk bei Heide aufs Tempo gedrückt.
Der Bundesrechnungshof warf Habeck in einem Bericht vom Juni eine viel zu leichtfertige Steuergeld-Zusage für den Konzern vor. Der ehemalige Wirtschaftsminister hüllt sich in Schweigen. Auf Nachfrage versichert Northvolt, dass von den Fördermillionen bisher noch nichts in die Baustelle bei Heide geflossen sei.
Frühe Hinweise auf SchieflageFür Unmut sorgt auch, dass Habeck als eine seiner letzten Amtshandlungen als Wirtschaftsminister im vergangenen Dezember ein Gutachten des Beratungsunternehmens PWC zu Northvolt als »geheim« einstufte. Das Dokument war im Juni 2023 vorgelegt, jedoch unter Verschluss gehalten worden. Darin findet sich der Hinweis, dass das schwedische Unternehmen auf externe Kapitalgeber angewiesen war, um seine anfallenden Ausgaben zu decken.
Zudem kursierten in schwedischen Medien schon früh Berichte über Produktionsschwierigkeiten in den heimischen Stammwerken. Und Volkswagen hatte seine Beteiligung an Northvolt in den letzten Jahren stark reduziert. All das hätte ein Fingerzeig sein müssen, bemängeln die Kritiker.
Für Tamara Mazzi, Kieler Bundestagsabgeordnete der Partei Die Linke, wird sich Habecks Fehlverhalten nur durch einen Untersuchungsausschuss in Berlin und in Kiel aufklären lassen.
Brache statt IndustriearealBezogen auf eine Batterieherstellung an der Westküste kommt der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft Moritz Schularick zu der Einschätzung, dass sich das Thema hierzulande erledigt hat. Bei Batterien für die E-Mobilität sei China unverändert marktbeherrschend. Die Chinesen hätten nicht nur Größenvorteile, sie verfügten auch über die bessere Technologie.
Derweil gibt sich Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen (CDU) optimistisch: Man müsse jetzt alles tun, um den Standort Heide im Schaufenster zu halten für künftige Investoren. Doch vieles deutet darauf hin, dass das infrastrukturell bereits hergerichtete 110 Hektar große Gelände vorerst eine Brache bleibt – statt zu einem Industrieareal mit 3000 Beschäftigten zu werden.
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