Musk-Firma xAI unter Druck: Umweltskandal in Memphis

Dass sich Elon Musk mit seinem KI-Unternehmen xAI in ihrer Stadt niedergelassen hat, findet Alexis Humphreys gar nicht lustig. Im Gegenteil: Bei einer Anhörung in der Stadt zur Ansiedlung des Unternehmens bricht die Anwohnerin gar in Tränen aus. „Ich kann zu Hause nicht atmen, draußen riecht es nach Gas“, beklagt sie. Dann hält sie ihren Asthma-Inhalator hoch. Andere Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Veranstaltungen klagen über ähnliche Einschränkungen.
Die Szene, über die das US-Magazin „Politico“ berichtet, hat sich Ende April in einer Highschool im Süden von Memphis abgespielt. Rund 20 Kilometer entfernt hat Musks KI-Unternehmen das Gelände einer alten Ofenfabrik übernommen, um dort in Rekordzeit den angeblich weltweit größten Supercomputer zu bauen – er trägt den Namen Colossus. Das Problem: Dieses Vorhaben benötigt, wie viele KI-Pläne, Unmengen an elektrischer Energie. Und um diese zu produzieren, hat sich Musks Unternehmen für einen schmutzigen Weg entschieden.
Umweltinitiativen und Anwohner vor Ort beklagen, dass xAI auf dem Gelände mit Methan betriebene Gasturbinen betreibt. Laut der Umweltorganisation Southern Environmental Law Center hat das Unternehmen mindestens 35 davon ohne Genehmigung eingeliefert. Mit dieser Menge könne man eine ganze Stadt mit Strom versorgen, so die Initiative. Und: Sie verursachen enorme Mengen giftiger und krebserregender Schadstoffe.
Die Region South Memphis im US-amerikanischen Bundesstaat Tennessee hat ohnehin schon mit Umweltproblemen zu kämpfen. 17 Industrieanlagen sind hier angesiedelt, der Grad der Luftverschmutzung mit Smog ist hoch – und die Zahl der Notaufnahmen wegen Astma-Erkrankungen ist hier landesweit am höchsten. Der Stadtteil Boxtown, in dem Musk nun seine KI-Fabrik errichtet hat, zählt zu den ärmeren Gegenden der Region – daran ändern auch Musks Investitionen nicht. Im Gegenteil: Vieles spricht dafür, dass sie den Einheimischen eher schaden.
Musks Unternehmen hatte im vergangenen Jahr ein Industriegebäude angemietet, das so groß ist wie 13 Fußballfelder – eine Fläche, die man noch verdoppeln wolle, kündigte der Tech-Milliardär an. Erst vor wenigen Wochen kaufte er eine weitere Immobilie in Memphis, um die Infrastruktur von xAI dort zu erweitern.
Die Gasturbinen, die Musks Unternehmen in den Hallen betreibt, sind laut „Politico”-Bericht jedoch nicht mit den in Bundesvorschriften vorgegebenen Abgasreinigungsanlagen ausgestattet. Das Unternehmen verfüge nicht mal über Genehmigungen, die laut dem sogenannten Clean-Air-Act vorgesehen seien. Die Folge: Innerhalb von elf Monaten seit Ansiedlung des Unternehmens habe sich xAI zu einem der größten Emittenten von smogbildenden Stickoxiden in der Region entwickelt. Laut Zahlen der Umweltorganisation stoßen die Turbinen 1.200 bis 2.000 Tonnen Stickoxide (NOx) pro Jahr aus – mehr als das gasbefeuerte Kraftwerk auf der anderen Straßenseite oder die Ölraffinerie in der Nähe.
Die Geschichte aus dem Süden von Memphis wirft nicht nur ein dunkles Licht auf ein weiteres Unternehmen Musks – schon in anderen Regionen hatte der Tech-Milliardär beim Bau von Produktionsstätten wenig Interesse an der örtlichen Umwelt gezeigt. Es wirft auch Fragen zum Trend-Thema Künstliche Intelligenz auf. Denn: Der Betrieb von Rechenzentren, die mit riesigen Datenmengen hantieren, erfordert enorm viel Energie. Mehr, als das örtliche Stromnetz häufig hergibt. Große KI-Konzerne suchen daher nach Alternativen, um diesen Energiebedarf zu decken.
Schon 2023 hatten Forscherinnen und Forscher des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) in Potsdam vor steigendem Energieverbrauch durch KI gewarnt. „Rechenzentren verbrauchen heute vier bis fünf Prozent des weltweiten Energieverbrauchs“, sagte der Geschäftsführer des Instituts Ralf Herbrich damals der dpa. „Es gibt Schätzungen, dass der Verbrauch in den nächsten Jahren auf 30 Prozent ansteigen wird.“
Ende vergangenen Jahres teilte die Unternehmensberatung McKinsey mit, der Strombedarf für KI-Anwendungen werde bis 2030 voraussichtlich auf mehr als 150 Terawattstunden steigen und sich damit fast verdreifachen. „Das macht rund fünf Prozent des gesamten europäischen Stromverbrauchs aus“, so Diego Hernandez Diaz vom Unternehmen.

Hat Europa bei Künstlicher Intelligenz noch eine Chance? Die Umbrüche in den USA jedenfalls haben eine ganz neue Motivation in der Branche entfacht. Bei zentralen Fragen allerdings sind sich die Akteure noch erstaunlich uneins.
Die großen Tech-Konzerne kontern das Problem oft mit großen Ankündigungen. AWS, die Cloudfirma von Amazon, plant nach eigenen Angaben, bis 2040 klimaneutral arbeiten zu wollen – Google und Microsoft wollen das angeblich sogar bis 2030 hinbekommen. Wie realistisch das ist, ist aber völlig unklar.
Zudem sind die klimaneutralen Lösungen der Konzerne oft nicht so sauber, wie sie zunächst klingen. Google hatte im Oktober vergangenen Jahres einen Vertrag mit dem Unternehmen Kairos Power über den Kauf kleiner modularer Atom-Reaktoren unterzeichnet – vor wenigen Tagen folge ein Deal mit dem Unternehmen Elementl Power für denselben Zweck. Ab 2030 sollen die Mini-Atomkraftwerk für den Betrieb der eigenen Rechenzentren in Betrieb genommen werden. Im September wurde bekannt, dass ein bereits stillgelegter Atomreaktor im US-Kraftwerk Three Mile Island in Pennsylvania wieder hochgefahren werden soll, um Rechenzentren von Microsoft zu versorgen. Hier ereignete sich 1979 der schwerwiegendste AKW-Störfall der US-Geschichte.
Der Betrieb von Atomkraftwerken funktioniert zwar ohne den Ausstoß von umweltschädlichem CO2. Aber er hinterlässt ein anderes Problem: radioaktiven Atommüll, der Jahrhunderte strahlt und der gelagert werden muss.
Immerhin: Dieses Problem haben die Anwohnerinnen und Anwohner in Boxtown in Memphis nicht. Hier hat sich Musks Unternehmen xAI offenbar Schlupflöcher im System gesucht, um die umweltschädlichen Gasturbinen betreiben zu dürfen. Da die Turbinen nur „vorübergehend“ im Einsatz wären, benötigten sie auch keine Genehmigung, erklärte eine xAI-Managerin auf einer Veranstaltung in Memphis. Und mit dem Einbau von Abgasreinigungsanlagen wolle man erst mal warten, bis ein Antrag zum dauerhaften Betrieb bewilligt werde.

Safiyyah Sharrieff hält während einer Informationsveranstaltung im März in Memphis ein Anti-Musk-Plakat in die Kamera.
Quelle: IMAGO/Stu Boyd II-The Commercial Appeal
Im Januar führte der Protest von Anwohnern und Umweltorganisationen zumindest zu einem Teilerfolg: xAI beantragte für 15 Turbinen, die laut eigenen Angaben dauerhaft installiert werden sollen, Genehmigungen – jedoch nicht für die weiteren 20. Der Bürgermeister der Stadt, der Musks Pläne stets unterstützt hatte, versuchte, die Wogen zu glätten. „Es gibt 35 [Turbinen], aber nur 15 davon sind in Betrieb“, so Paul Young.
Doch im April stellte sich dann heraus: Das war gelogen. Das Southern Environmental Law Center hatte von den Produktionshallen des Unternehmens Fotos aufgenommen, darunter auch neue Wärmebilder. Sie zeigen 33 Turbinen in Betrieb, die erhebliche Mengen Wärme abgeben. Ohne diese Aufnahmen hätten die Anwohnerinnen und Anwohner von der Dimension der Schadstoffbelastung also nicht einmal erfahren.
Die öffentliche Anhörung vom 25. April ist das aktuellste Kapitel der Geschichte. Hier beschrieben mehrere Anwohnerinnen und Anwohner Fälle von Asthma und Krebs in ihren Familien, die sie auf die ohnehin schon grassierende Luftverschmutzung in der Region zurückführen. Sie befürchten, dass das Treiben von Musks Unternehmen die Lage noch verschlimmern wird und fordern, ihm den Betrieb zu untersagen.
Der lokale Vertreter von Musks Unternehmen, Brent Mayo, stellte derweil erneut in Aussicht, man werde Abgasreinigungsanlagen an den Turbinen installieren, sobald der Antrag für den dauerhaften Betrieb bewilligt sei. Dann betreibe man „die Anlage mit den niedrigsten Emissionen im ganzen Land“, so Mayo. Damit folgt das Unternehmen dem Duktus seines Inhabers: Auch Musk selbst macht immer wieder Ankündigungen mit Superlativen, die dann häufig jedoch nicht eingehalten werden.
Ob die Anwohner mit ihrem Protest Erfolg haben, ist fraglich. Die Stadt und örtliche Handelskammer hatten die Ansiedlung von xAI zuletzt begrüßt. Und von amerikanischen Behörden können die Anwohnerinnen und Anwohner womöglich keine Hilfe mehr erwarten. US-Präsident Donald Trump und Musks „Doge”-Organsiation hatten die US-Umweltschutzbehörde zuletzt massiv ausgehöhlt. 450 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden entlassen, darunter aus der Abteilung für Umweltgerechtigkeit und externe Bürgerrechte. Umweltinitiativen befürchten, dass dies vor allem ärmeren Regionen schaden wird, da sie oft am meisten unter Umweltverschmutzung leiden. So wie Boxtown im Süden von Memphis.
rnd