KOMMENTAR - Trumps Diagnose zu den hohen Medikamentenpreisen stimmt – doch die Wirkung seiner Medizin ist beschränkt

Statt seine Pharma-Zolldrohungen wahr zu machen, schliesst der amerikanische Präsident lieber Deals mit den einzelnen Konzernen ab. Den Patienten wird es allerdings weniger nützen, als es die grossen Ankündigungen vermuten lassen.
Dank den hohen Medikamentenpreisen in den USA kann Donald Trump seine Fähigkeiten als Dealmaker gleich mehrfach ins Rampenlicht stellen. Denn der amerikanische Präsident knöpft sich die Pharmakonzerne einzeln vor, um ihnen Preissenkungen abzuringen. Nach einem ersten Abkommen mit dem amerikanischen Unternehmen Pfizer Ende September verkündete das Weisse Haus vergangene Woche eine zweite Vereinbarung mit Astra Zeneca aus Grossbritannien.
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Mit dem schrittweisen Vorgehen stellt Trump sicher, dass sein Einsatz für tiefere Preise weiter regelmässig in den Schlagzeilen ist. Zudem verhindert er, dass er mit einem Rundumschlag für die gesamte Branche ungewollt Versorgungsengpässe provoziert.
Abkommen mit weiteren Firmen werden in den nächsten Wochen und Monaten folgen. Und man ahnt es: Wie die beiden bisherigen Deals dürften auch die neuen Abmachungen bei der Verkündigung als «historisch» ausgelobt werden.
Tatsächlich sind die Zugeständnisse der beiden Konzerne die ersten konkreten Zeichen, dass sich in Sachen Preise etwas bewegt – nach unten. Dies, nachdem Trump zuvor während Monaten mit bösen Briefen an 17 Pharmaunternehmen und Zolldrohungen von bis zu 250 Prozent den Druck auf die Industrie erhöht hat.
Die Medikamentenhersteller konnten sich ihre abwartende Haltung leisten. Denn sie wissen: In den USA hat die Regierung rechtlich wenig Handhabe, tiefere Preise durchzusetzen.
Deswegen habe Trump mit der Zeit seine Taktik angepasst und plötzlich den Verzicht auf Zölle von Preissenkungen abhängig gemacht, heisst es aus der Industrie. Bis dahin waren die Zölle «nur» als Druckmittel eingesetzt worden, um eine Verlagerung der Produktion in die USA zu erzwingen. Nun wurde alles vermischt.
Und so bestehen die Vereinbarungen von Pfizer und Astra Zeneca mit den US-Behörden aus mehreren Teilen: Die Firmen gewähren Rabatte auf bestimmte Medikamente und sichern Investitionen in den USA zu. Im Gegenzug erhalten sie eine Befreiung von Zöllen. Zölle notabene, die bisher gar nicht existieren, sondern lediglich als Drohung im Raum stehen.
Mehr Online-VerkäufeMit seiner Diagnose, dass die Patienten in den USA mit den hohen Preisen einen überproportionalen Anteil an die Entwicklung neuer Arzneimittel bezahlen, liegt Trump richtig. Auch der Versuch, Medikamente vermehrt direkt über das Internet zu verkaufen und so den kostentreibenden Zwischenhandel zu umgehen, ist sinnvoll.
Ob die vom Präsidenten verschriebene Medizin für das Gesundheitssystem jedoch auf breiter Front tiefere Medikamentenpreise bewirkt, ist fraglich. Es ist nicht klar, wie viele Arzneimittel dereinst online verkauft werden und wie rasch diese Plattformen aufgebaut werden können.
Die bei der Präsentation der Deals genannten Rabatte mögen sich eindrücklich anhören. Aber letztlich kommen die neuen Preise, die sich am Niveau anderer Industrieländer orientieren, nur bei einer beschränkten Anzahl von Patientengruppen und Medikamenten zum Einsatz. Längst nicht alle amerikanischen Familien werden einen Effekt in ihrem Portemonnaie spüren.
Wegfall der UnsicherheitHingegen haben in einer ersten Reaktion auf den Pfizer-Deal verschiedene Pharmaaktien an der Börse mit einem Kurssprung reagiert. Darunter auch die der Schweizer Konzerne Roche und Novartis, die selber noch keinen Deal präsentiert haben. Neben der Erleichterung, dass nun für die Branche etwas mehr Klarheit herrscht, ist das vielleicht auch ein Anzeichen dafür, dass Anleger nicht mit allzu schmerzhaften Einbussen für die Hersteller rechnen.
Trotzdem: Um den erhöhten Kostendruck in den USA abzufedern, wird die Pharmaindustrie versuchen, die Preise in Europa auf dem jetzigen Niveau zu halten oder zu erhöhen. Die angekündigten Milliardeninvestitionen der Konzerne in den Vereinigten Staaten werden da und dort Folgen für Standorte in Europa haben. Das sind die Nebenwirkungen der Trumpschen Medizin.
nzz.ch