Klaus Schwab und das WEF sind öffentlich aufeinander zugegangen. Im Hintergrund flammt der Konflikt aber bereits wieder auf


Denis Balibouse / Reuters
Scherben bringen Glück, heisst es im Volksmund. Doch einen Scherbenhaufen wieder zusammenzusetzen, ist oft kaum möglich.
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Das erlebt derzeit Klaus Schwab. Der Gründer des World Economic Forum (WEF) verlor an Ostern abrupt die Kontrolle über sein Lebenswerk. Nachdem anonyme Whistleblower-Vorwürfe gegen ihn und seine Frau Hilde eingegangen waren, wollten die Stiftungsräte diese prüfen lassen. Schwab widersetzte sich. Es kam zu einer Auseinandersetzung – und schliesslich zum Bruch.
Seit Wochen bemüht sich der 87-Jährige, die Beziehung zur neuen WEF-Spitze um den CEO Börge Brende und den Interimspräsidenten Peter Brabeck-Letmathe zu verbessern.
Im Juni wurde ein Burgfrieden durch eine «einvernehmliche Vereinbarung» erreicht, wie die NZZ vor zwei Wochen berichtete. Darin wurde festgehalten, dass die Parteien einen Dialog führen, um ihre Beziehungen zu normalisieren und das Forum sowie Schwabs Erbe zu schützen. Eine mediale Schlammschlacht sollte so verhindert werden.
Diese Bemühungen scheinen jedoch bereits wieder zu verpuffen, wie Recherchen der «NZZ am Sonntag» zeigen. In den letzten Tagen erschienen in Schweizer Medien mehrere Artikel, die Schwab und sein Standing positiver darstellen als die neue WEF-Führung. Das Wirtschaftsmagazin «Bilanz» schrieb, Schwab habe gemäss WEF-Statuten weiterhin das Recht, seinen Nachfolger zu bestimmen.
Unmut über MedienberichteDie «Sonntags-Zeitung» berichtete, an den Vorwürfen gegen Schwab, die derzeit von der Kanzlei Homburger untersucht werden, sei «nur wenig» dran. Die Anschuldigungen betreffend Belästigung gegen Schwab und seinen Sohn hätten sich nicht erhärtet, ebenso wenig die Vorwürfe wegen finanzieller Unregelmässigkeiten gegen das Ehepaar Schwab. Einzig bei der Manipulation des Länder-Rankings sei das Verdikt der Untersuchung kritisch ausgefallen.
Zahlreiche Medien haben die Meldung aufgenommen. Das sorgte im Genfer Vorort Cologny, dem Hauptsitz des WEF, für Unmut. Innerhalb der Führung der Organisation herrscht laut gut informierten Kreisen der Eindruck, dass diese Geschichten aus Schwabs Umfeld gestreut wurden. Damit werde nicht nur die laufende Untersuchung behindert, sondern es werde auch gegen die «einvernehmliche Vereinbarung» verstossen, sagt eine gut informierte Person.
Ob dieser Vorwurf gegen Schwab zutrifft und die Informationen tatsächlich aus dessen Umfeld stammen, lässt sich weder bestätigen noch widerlegen. Schwab weist den Vorwurf zurück und lässt schriftlich ausrichten, die Vereinbarung vom Juni sei für ihn von «elementarer Bedeutung». Sein Kommunikationsberater hält fest: «Im Gegensatz zu anderen Beteiligten hält sich Klaus Schwab in jeder Hinsicht an diese Vereinbarung.» Er verwahre sich gegen sämtliche gegen ihn erhobenen Unterstellungen.
Das WEF will sich zur Angelegenheit derzeit nicht äussern. Das Forum werde erst wieder kommunizieren, wenn die externe Untersuchung abgeschlossen und eine «endgültige Einigung» erzielt sei, teilt die Medienstelle mit. Dies sei für Ende August 2025 vorgesehen.
Brabeck: «Untersuchung ist bei weitem nicht abgeschlossen»Peter Brabeck-Letmathe, der WEF-Stiftungsratspräsident ad interim, betont per E-Mail: «Ich kann Ihnen nur bestätigen, dass die unabhängige Untersuchung bei weitem nicht abgeschlossen und noch im vollen Lauf ist und das Board of Trustees des WEF noch keinen Abschlussbericht über die Untersuchung bekommen hat.» Weiter ins Detail will der langjährige Nestlé-Chef aber nicht gehen.
Es ist ein Dementi der Darstellung, wonach die Homburger-Anwälte zu dem Ergebnis gekommen seien, dass an den Vorwürfen gegen Schwab und seine Frau «nur wenig» dran sei.
Wer auch immer die Image-Kampagne für Klaus Schwab steuert, spielt laut anderen WEF-nahen Quellen ein gefährliches Spiel: Sie halten es für «riskant» und nicht nachvollziehbar, dass die Vorwürfe nun öffentlich kleingeredet werden. Die verfrühte Reinwaschung sei aus kommunikativer Sicht nicht im Interesse Schwabs – denn jedes Untersuchungsresultat, das von einer kompletten Entlastung abweiche, würde schlecht aussehen für ihn. Fakt sei: Seit Beginn der Untersuchung hätten sich viele Personen gemeldet, um mit den Homburger-Anwälten über die Vorwürfe gegen den WEF-Gründer zu sprechen.
Die Kanzlei Homburger will sich dazu nicht äussern. Man gebe gegenüber den Medien keine Auskünfte darüber, ob oder wie man in dieser oder in anderen Angelegenheiten tätig sei.
Die Untersuchung gegen Schwab und seine Frau konzentriert sich im Kern auf drei Punkte: Es geht um einen angeblich mangelhaften Umgang mit Vorwürfen sexueller Belästigung, die in den Verantwortungsbereich von Schwabs Sohn Olivier fielen. Zudem prüfen die Anwälte die fragwürdige Verwendung finanzieller Mittel für private Zwecke sowie die Manipulation von WEF-Studien, insbesondere des Länder-Rankings.
Das Vertrauen ist zerstörtKlaus Schwab hat sich von Anfang an vehement gegen die Vorwürfe gewehrt und diese als haltlos bezeichnet. Er sieht sich als Opfer einer Kampagne. Doch selbst wenn die Homburger-Untersuchung ihn entlasten sollte: Eine Rückkehr ans WEF wäre eine riesige Überraschung.
Die neue WEF-Spitze hat offenbar kein Vertrauen mehr in den Gründer. Nicht die Whistleblower-Vorwürfe selbst, sondern Schwabs Umgang damit ist entscheidend.
Die Verantwortlichen halten es für problematisch, dass Schwab der Untersuchung der Vorwürfe gegen ihn nicht zustimmte und stattdessen versuchte, die Untersuchung zu unterminieren. Gut informierte Personen bezeichnen das heute als «Kardinalfehler».
Seither seien weitere Fehler hinzugekommen. Besonders schwer wiegt der Fall Lagarde: Ende Mai liess Schwab in der «Financial Times» verlauten, er habe mit Christine Lagarde, Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), über einen vorzeitigen Abgang bei der Währungsbehörde gesprochen, damit sie seine Nachfolgerin beim WEF werden könnte. Damit brachte er die Französin in Erklärungsnot und verlor beim Stiftungsrat weiter an Vertrauen.
Beobachter sind sich einig: Das Vertrauen zwischen Schwab und seinen langjährigen Weggefährten Brende und Brabeck-Letmathe ist stark ramponiert. Es scheint kaum denkbar, dass die Beteiligten künftig wieder eng zusammenarbeiten. Beim WEF wird es kein Sommermärchen geben.
nzz.ch