ILPA-DDQ und Co.: Zwischen Resilienz und Realität – Private Debt im Stresstest

Private-Debt im Spannungsfeld zwischen Handelskonflikten, anhaltend hohen Zinsen, schwacher M&A-Aktivität und zunehmender geopolitischer Unsicherheit. Für Investoren bedeutet das: die Komplexität nimmt zu. Ein fundiertes Verständnis geopolitischer Wirkungsketten mit einem tiefen Wettbewerbsverständnis des Private-Debt-Markts wird zur Voraussetzung, um Risiken im Portfolio zu verstehen, monitoren und einzuwerten sowie insbesondere diese Erkenntnisse im weiteren Portfolioaufbau zu berücksichtigen.
Geopolitische Bestandsaufnahme: Wenn Handel zur Waffe wirdDas Jahr 2025 steht ganz im Zeichen neuer Handelskonflikte – und das in einem Ausmaß, das selbst im US-Wahlkampf nicht zu erwarten war. Die US-Regierung hat umfassende Zölle eingeführt, diese jedoch nach starken Marktreaktionen bei US-Staatsanleihen vorerst für 90 Tage ausgesetzt – was bliebt: Unsicherheit. Die geopolitischen Fronten sind verhärtet: China und andere Länder reagierten mit Gegenzöllen, ein globaler Handelskonflikt mit realwirtschaftlicher Wirkung ist Realität.
Zugleich wirkt eine ganze Reihe früherer Schocks weiter nach: die pandemiebedingte Lieferkettenkrise, die Energiepreisschocks infolge des russischen Angriffskriegs, die Inflationswelle und die scharfe Zinswende. In dieser Gemengelage bleiben viele Transaktionen aus – die M&A-Aktivität ist gedämpft, Unsicherheit dominiert.
Implikationen für den Private-Debt-Markt: Resilienz mit FokusPrivate Debt und hier insbesondere Corporate Direct Lending – das heißt die direkte Kreditvergabe an mittelständische bis große Unternehmen, oft im Kontext von Akquisitionen oder Wachstumsvorhaben – gilt für viele Investoren als „Allwetter-Strategie“. Das liegt an der Kombination aus stabilen Cashflows, planbaren Erträgen und vergleichsweise hohem Kapitalschutz. Die Kredite kennzeichnen in der Regel eine erstrangige Besicherung und eine variable Zinsbasis. Etwa 80 Prozent der Deals werden im Zuge von Private-Equity-Transaktionen initiiert – damit ist Corporate Direct Lending eng mit dem Private-Equity-Markt verwoben.
Trotz der strukturellen Stärke steht auch diese Assetklasse vor Herausforderungen. Besonders in der aktuellen geopolitischen Gemengelage kommt es auf Details an. Auf folgende fünf Aspekte sollten Investoren derzeit besonders achten:
- Kapitalstruktur und Kreditklauseln:Ein robuster Schutz beginnt mit der Kapitalstruktur. Investoren sollten auf moderate Verschuldungsgrade und ein ausreichend starkes Eigenkapitalpolster der finanzierten Unternehmen achten. Ebenso wichtig: die Qualität der Kreditdokumentation. Besonders sogenannte EBITDA Anpassungen und großzügige Kreditklauseln (Covenants) müssen kritisch hinterfragt werden, denn sie können entscheidend für die Krisenfestigkeit eines Kredits sein.
- Auswirkungen der Handelspolitik auf die Ertragskraft und Schuldendienstfähigkeit der Unternehmen: Zölle erhöhen die Kosten für importierte Vorprodukte. Unternehmen mit globalen Lieferketten sind besonders betroffen – die Frage ist, ob und wie schnell sie Preissteigerungen weitergeben können. Bleibt die Marge unter Druck, leidet das Kreditprofil, das heißt die Fähigkeit Zins- und Tilgungsdienst zu leisten. Positiv: Ein großer Teil des Marktes entfällt grundsätzlich auf Finanzierungen von Unternehmen in den Bereichen IT-, Gesundheitswesen- und sonstige B2B-Dienstleistungen und somit solchen, die weniger anfällig für direkte Zolleffekte sind, solange sich Gegenzölle nicht auf Dienstleistungen ausweiten. Allerding kommt es auch hier auf die Details an, insbesondere bei indirekten Effekten der Handelskonflikte. So können beispielsweise IT-Plattformen, die von Zöllen betroffene Automotive-Kunden bedienen, indirekt betroffen sein.
- Makro- und Zinsrisiken: Sollten die Handelskonflikte anhalten oder sich verschärfen, droht eine globale Rezession – bei gleichzeitig hoher Inflation. Das würde ein anhaltendes „Higher for Longer“-Zinsumfeld – sprich, die Leitzinsen, würden länger auf den aktuell hohen Niveaus verharren, als dies viele Finanzakteure erwartet hatten – nach sich ziehen. Unternehmen mit hohen Verschuldungsgraden und geringen Eigenkapitalpolstern geraten dann unter Druck. Refinanzierungen zögern sich hinaus, Exit-Märkte bleiben blockiert, und es droht eine Maturity Wall, also ein gefährlicher Rückstau auslaufender Kredite ohne Exit-Perspektive.
- M&A-Aktivität und Spread-Kompression: Obwohl auf der Private-Equity-Seite hoher Anlagedruck vorhanden ist, bleibt die Deal-Aktivität abgeschwächt. Weniger Transaktionen bedeuten geringere Nachfrage nach Kreditfinanzierungen, besonders im stark umkämpften Mid-Market-Segment. Das führt gemeinsam mit höheren Marktzinsen zur Spread-Kompression, also sinkenden Risikoaufschlägen, obwohl die Unsicherheit steigt. Das Verhältnis von Rendite-Risiko wird entsprechend schlechter und das Risiko nicht mehr adäquat bepreist.
- Manageruniversum & Konsolidierung: Das Fundraising-Umfeld für Fondsmanager bleibt polarisiert. Große Manager verzeichnen Rekorde, während kleinere oder neue Anbieter oft deutlich weniger Kapital einwerben können. Gleichzeitig stehen viele Debt-Manager vor der Herausforderung, Nachfolgeregelungen zu etablieren. Die Folge: Konsolidierung. Im ersten Quartal 2025 wurden mehrere große Private-Debt-Fondsmanager übernommen, etwa HPS Investment Partners (148 Milliarden US-Dollar Assets under Management) durch Blackrock. Neue Markteintritte passieren dagegen vorrangig abseits des klassischen Corporate-Direct Lending-Marktes – häufig spezialisierte Strategien mit regionalem Fokus. Die Richtung ist klar: Der Wettbewerb verschärft sich. Wer bestehen will, braucht entweder Größe oder klare Differenzierung. Das steht aber nicht immer im Einklang mit dem Interesse der Investoren, da mit größeren Plattformen oft eine abweichende strategische Fokussierung einhergeht.
Trotz – oder gerade wegen – der Unsicherheiten bleibt die Nachfrage nach Private Debt hoch. Viele institutionelle Anleger halten an ihrer Allokation fest oder bauen sie gezielt aus. Laut der BAI Investor Survey 2024 sind bereits 72 Prozent der deutschen Investoren in Private Debt investiert. Bis Ende 2025 soll dieser Anteil auf 77 Prozent steigen. 54 Prozent planen eine Erhöhung ihrer Allokation, wobei 78 Prozent stabile und planbare Erträge als Hauptmotiv nennen.
Parallel dazu wächst das Interesse an Nischenstrategien wie beispielsweise Asset-Based Lending, Annual Recurring Revenue (ARR) Lending im Software Bereich oder Special Situations. Sie können zusätzliche Diversifikation ermöglichen und somit im besten Fall die Resilienz des Portfolios stärken. Eine globale Investorenumfrage von Campbell Lutyens – ein globales Private Markets Beratungsunternehmen – untersucht die Folgen der Zuspitzung der Handelskonflikte und zeigt, dass 28 Prozent der Investoren die Allokation in Private Debt als Reaktion weiter ausbauen beziehungsweise 64 Prozent sie konstant halten wollen.
International zeigt die Umfrage erste regionale Reaktionen auf den Handelskonflikt in der Portfoliokonstruktion auf: 31 Prozent der kanadischen Investoren wollen ihre Allokation in US-Private-Debt reduzieren zu Gunsten einer Ausweitung in Europa. Für europäische Investoren zeigen sich ähnliche Tendenzen auf einem niedrigeren Niveau.
Der Ausbau der Allokation ist im skizzierten Markumfeld mit entsprechend aufgezeigten Herausforderungen und Fallstricken alles andere als trivial. Drei Handlungsempfehlungen helfen, fundierte Selektions- und Allokations-Entscheidungen zu treffen:
- Bestandsaufnahme mit Tiefenschärfe:Zunächst gilt es, das bestehende Portfolio systematisch zu analysieren – idealerweise auf Kreditebene. Wie diszipliniert agiert der Manager bei der Kreditvergabe entlang seines Investmentfokus? Welche Engagements sind von Zinslast, Exit-Risiken oder Lieferkettenproblemen betroffen? Wie strikt ist die Kreditdokumentation? Wie kommuniziert der Manager bei Ad-hoc-Ereignissen wie dem „Liberation Day“ und insbesondere bezüglich Watchlist-Krediten? Der Austausch mit anderen Investoren ist dabei ein oft unterschätztes, aber wirkungsvolles Instrument, um sich ein objektives Bild zu verschaffen.
- Suchprofil statt Bauchentscheidung:Statt nur auf passives Sourcen, das heißt auf Ansprache durch den Fondsmanager zu reagieren, sollten Investoren ein klares Suchprofil definieren und das Sourcing aktiv gestalten: Welche Strategien, Regionen oder sonstige Charakteristika fehlen im Portfolio? Welche Fondsmanager können, ohne Konkurrenz zum Bestand, echte Ergänzungen liefern? Ziel ist es, Überschneidungen zu vermeiden und neue Bausteine bewusst zu ergänzen. Hierbei ist Mut seitens der Investoren gefragt, sich nicht von großen Marken oder „League Table Champions“ blenden zu lassen. Reine Größe ist niemals mit Qualität zu verwechseln.
- Fallstricke in der Due Diligence erkennen:Kritisch zu hinterfragen sind Eigentümerstrukturen, Teamstabilität und langfristige Anreizmechanismen. Besonders bei neuen oder übernommenen Fondsmanagern können Governance-Lücken entstehen. Instrumente wie das ILPA-DDQ (Vorlage für Prüfungsfragebogen) oder das ILPA Loan Reporting Template (Vorlage für die laufende Kreditüberwachung und -reporting auf Einzelkreditebene) helfen dabei, relevante Informationen strukturiert zu erfassen – von Track Records über Investmentprozesse bis hin zu Risikomanagement und Transparenz. Wer diese Daten professionell nutzt, erkennt Schwächen frühzeitig – und spricht mit dem Fondsmanager auf Augenhöhe.
Private Debt hat sich in den vergangenen Jahren als robuste und planbare Anlageklasse etabliert, gerade in einem Umfeld, das von Unsicherheit, geopolitischen Schocks und makroökonomischen Wendepunkten geprägt war und ist. Doch Resilienz entsteht nicht automatisch. Sie ist das Resultat konsequenter Portfoliosteuerung, kritischer Managerauswahl und fundierter Marktkenntnis.
Wer in diesem Markt erfolgreich investieren will, muss mehr tun, als Kapital zuzuweisen. Investoren müssen verstehen, wie Wettbewerbsdynamiken wirken, wo Governance wirklich greift und welche Risiken jenseits des Offensichtlichen verborgen liegen. Die besten Investoren sind in diesem Umfeld nicht nur Allokatoren – sondern auch Analysten, Übersetzer geopolitischer Entwicklungen und Partner auf Augenhöhe mit ihren Managern.
Private Debt bleibt ein strategisch wertvoller Baustein in institutionellen Portfolios, aber nur für diejenigen, die bereit sind, genauer hinzuschauen. Die besten Entscheidungen entstehen dort, wo Instinkt und fundierte Analyse aufeinandertreffen.
Über die Autoren:
Sven Gralla ist Fondsmanager Private Debt und Infrastructure bei LBBW Asset Management. Vorherige Karrierestationen waren bei Hauck Aufhäuser Lampe und dem BAI.
David Hansen ist Leiter des Bereichs Private Debt und Infrastructure bei LBBW Asset Management. Weitere Karrierestationen waren bei Hauck Aufhäuser Lampe und Santander.
private-banking-magazin