Home-Office als Karrierekiller: Angestellte arbeiten gern von zu Hause aus– und verbauen sich so die Beförderung

Das Arbeiten in den eigenen vier Wänden ist beliebt. Studien aber zeigen: Wer öfter Home-Office macht, steigt seltener auf. Wie viele Tage sollte man im Büro sein?
Eric Matt

Christian Beutler / Keystone
Die Winterzeit ist angebrochen, die Tage sind nass und kalt. Der allmorgendliche Weg ins Büro ist da besonders unbeliebt. Viel verlockender ist es, sich mit Laptop und einer Tasse Tee neben den Kamin zu setzen.
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Was gemütlich klingt, stösst oft auf Widerstand. Denn über Jahrzehnte hinweg war mobiles Arbeiten bei Angestellten zwar beliebt, bei Vorgesetzten aber verpönt. Chefinnen und Chefs waren überzeugt: Daheim bleiben nur die Faulenzer.
Fast jedes Unternehmen bietet Home-Office anDer ehemalige Trigema-Chef Wolfgang Grupp etwa sagte einmal: «Wenn einer zu Hause arbeiten kann, ist er unwichtig.» Der Tesla-Chef Elon Musk bezeichnete Home-Office als «moralisch falsch» und «Bullshit».
Und Sam Altman, CEO von Open AI, sagte, es sei «einer der grössten Fehler der Tech-Industrie gewesen, zu glauben, jeder könne für immer von daheim aus arbeiten.»
Zwar zeigen derartige Aussagen, dass das Thema weiter umstritten bleibt. Dennoch hat sich mit Beginn der Corona-Pandemie Anfang 2020 diese Wahrnehmung stark geändert.
Heute bietet fast jedes Unternehmen tageweise Home-Office an. Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erachten dies gar als selbstverständlich. Eine Selbstverständlichkeit, die der Karriere schaden kann.
Nicholas Bloom, Professor an der Stanford-Universität, hat das Thema Home-Office intensiv erforscht. Er sagt, dass es eine Art kritischen Schwellenwert für das Arbeiten von zu Hause aus gibt. Dieser liege bei einem 100-Prozent-Pensum bei zwei Tagen pro Woche. Wer öfter von zu Hause aus arbeite, der behindere die eigene Beförderung.
Wer im Büro präsent ist, fällt stärker aufDer dahinterliegende Mechanismus ist klar. Studien zeigen, dass Angestellte durch die Möglichkeit von Home-Office eine grössere Flexibilität und Zufriedenheit erleben. Das steigert die Motivation – und bestenfalls die Produktivität.
Aber: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die im Büro physisch präsent sind, kommen öfter mit ihren Vorgesetzten in direkten Kontakt. Mal trinkt man einen Kaffee, mal gibt es ein informelles Gespräch auf dem Gang.
Angestellte können so leichter Kontakte knüpfen, fallen stärker auf. Bei sonst gleichen Qualifikationen kann das entscheidend sein.
In einer Studie, die 2024 in der Fachzeitschrift «Nature» veröffentlicht wurde, hatte Bloom ein halbes Jahr lang die Home-Office-Tätigkeit und die Beförderungen von 1600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Trip.com analysiert. Dies ist ein chinesisches Online-Reisebüro, das an der amerikanischen Tech-Börse Nasdaq kotiert ist.
Drei Tage pro Woche im Büro reichen ausEines der Hauptergebnisse der Studie: Um keinen Nachteil zu erleiden, sollte man häufiger im Büro sein als im Home-Office. So sind drei Tage im Büro und zwei daheim in Ordnung. Bei Personen, die jedoch nur einen Tag pro Woche im Büro sind, geht die Beförderungsrate um fast 50 Prozent zurück.
Dieser Effekt gilt insbesondere für Berufsanfänger, die noch eine stärkere Betreuung brauchen und sich ihr berufliches Netzwerk erst noch aufbauen müssen.
Der Management-Professor Florian Kunze ist Studienleiter der Konstanzer Home-Office-Studie. Dies ist die wohl wichtigste Analyse zum Thema im deutschsprachigen Raum. Ins Leben gerufen wurde das Forschungsprojekt im März 2020, seitdem gab es 18 Befragungszeitpunkte.
Auch Kunze sagt, um die eigene Karriere zu fördern, «muss man sichtbar sein, was im Büro deutlich einfacher ist». Jeder, der an seine eigene Arbeit und hybride Konferenzen denkt, dürfte diesen Eindruck bestätigen: Mitarbeiter, die sich per Videotelefonie dazuschalten, melden sich deutlich seltener und nehmen kaum an Diskussionen teil.
Obwohl es wissenschaftlich widerlegt ist, setzen viele Führungskräfte eine stärkere Präsenz sogar mit einer besseren Leistung gleich. Kunze rät daher: «Wer hohe Karriereambitionen hat, sollte vier oder gar fünfmal die Woche ins Büro kommen.» Dies gelte insbesondere in traditionell eingestellten Branchen wie dem Versicherungs- oder Bankensektor.
Je höher die Führungsebene, desto stärker schadet Home-OfficeWie stark Home-Office der Karriere schadet, hängt auch von der Führungskraft ab. Viele Chefs sind gegenüber dem mobilen Arbeiten weitaus skeptischer als deren Angestellte. Führungskräfte schätzen es, Kontrolle zu haben. Diese ist bei einem physischen Zugang zu den Mitarbeitern einfacher.
Auffällig ist auch, dass Home-Office der Beförderung umso stärker schadet, je höher die Karriereleiter erklommen wird. So zeigt die Konstanzer Home-Office-Studie, dass sich 16 Prozent der Chefinnen und Chefs auf der unteren Führungsebene eine stärkere Präsenzpflicht wünschen. Auf der Ebene der Abteilungsleiter steigt dieser Wert auf 27 Prozent und in der Geschäftsführung auf 32 Prozent.
Dies liegt wohl unter anderem daran, dass, je höher die Führungsebene ist, desto älter die Führungskräfte sind. Sie selbst schafften es auf diese Position in einer Zeit, in der Home-Office wesentlich weniger verbreitet war.
Im Laufe der Jahre könnte sich dies somit auch ändern, wenn Personen, die selbst von Home-Office profitiert haben, in die Chefetage vorstossen.
Parallel zur wissenschaftlichen Erkenntnis zieht die Wirtschaft ihre Zügel an. Internationale Konzerne wie SAP, Amazon oder Volkswagen verschärften ihre Home-Office-Regeln, ebenso Schweizer Schwergewichte wie UBS, Stadler Rail oder Swisscom.
Die Botschaft ist klar: Wer Karriere machen will, sollte den Tee am Kamin gegen einen Kaffee im Büro eintauschen.
nzz.ch




