EU-Handelsminister wollen weiter mit den USA verhandeln

"Wir werden jeden Tag und jede Möglichkeit bis zum 1. August nutzen, um eine Verhandlungslösung zu finden. Das ist die klare Präferenz der Minister," sagte EU-Handelskommissar Maros Sefcovic in Brüssel. Dort diskutierten die EU-Wirtschaftsminister über die jüngste Wendung im Zollstreit. Am Wochenende hatte US-Präsident Donald Trump in einem Brief an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen einen 30-prozentigen Zoll auf EU-Waren angekündigt, sollte es bis zum 1. August zu keiner Einigung kommen. Falls die EU Gegenmaßnahmen ergreife, werde er mit noch höheren Zöllen auf EU-Produkte reagieren, erklärte Trump.
Eine Drohung, die Sefcovic für die EU und ihre Mitgliedstaaten als "absolut inakzeptabel" bezeichnete. Zölle in der angedrohten Größenordnung würden jeglichen Handel verhindern. Diese Gefahr sieht auch Politikanalyst Tobias Gehrke vom European Council on Foreign Relations (ECFR). Allerdings müssten die Europäer ihre Angst überwinden, "dass die Amerikaner eigentlich immer die Eskalationsdominanz haben". Denn ob es nun 30 Prozent oder 60 Prozent Zölle seien, würde auch keinen großen Unterschied mehr machen. Er sagt, die EU müsse zwar nicht sofort zurückschlagen, sollte aber konkret formulieren, was ihre nächsten Schritte seien.
Kehrtwende überraschte EuropäerFür die meisten Europäer dürften die Zoll-Ankündigungen von Donald Trump unverhofft gekommen sein. "Ich war natürlich eher überrascht, weil letzte Woche eine recht positive Stimmung herrschte, dass bald ein Rahmenabkommen abgeschlossen wird", sagte etwa der finnischen Handelsminister Ville Tavio.

Maros Sefcovic, der die Verhandlungen für die EU führt, war nach einer Vorwarnung durch die US-Amerikaner zwar nicht überrascht, aber "enttäuscht". Nach seinem Verständnis hatte man sich einer guten Einigung für beide Seiten angenähert. Nun führe die Entwicklung zu einer "völlig anderen Dynamik".
Europäer wollen weiter verhandelnIn der Frage, wie die Europäer mit der Situation umgehen wollen, waren sich die Wirtschafts- und Handelsminister mit der EU-Kommission einig: Es wird weiterverhandelt, die Priorität bleibt eine ausgehandelte Lösung. So betonte der dänische Außenminister Lars Lokke Rasmussen, das Ergebnis müsse eine "für beide Seiten vorteilhafte Vereinbarung" sein. Gleichzeitig bereite man sich auf alle möglichen Szenarien vor. Dies beinhalte robuste and angemessene Gegenmaßnahmen, so der Däne, dessen Land gerade die EU-Ratspräsidentschaft innehat.
Noch am Sonntag hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen angekündigt, dass Zölle, die ab dem 14. Juli als Antwort auf Stahl- und Aluminiumzölle automatisch in Kraft treten sollten, weiterhin ausgesetzt blieben. Diese betreffen Waren im Wert von 21 Milliarden Euro. Eine zweite Liste, nach der US-Waren im Wert von 72 Milliarden Euro mit Zöllen versehen würden, hätten die Mitgliedstaaten zur Diskussion erhalten, erklärte Sefcovic nach dem Treffen.
Einige Staaten wollten härtere GangartDer österreichische Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer plädierte für eine "klarere Sprache" gegenüber den USA und ein "konsequentes und selbstbewusstes" Auftreten. Für ihn bedeute das, parallel zu den Verhandlungen auch die bereits in Aussicht gestellten Gegenmaßnahmen in Kraft zu setzen. Außerdem wolle er ein drittes Paket vorbereiten, mit denen die Digitalkonzerne getroffen werden.
Frankreichs Außenhandelsminister Laurent Saint-Martin erkennt nach den Ankündigungen vom Samstag die Notwendigkeit, dass die EU ihre Strategie ändert. Gegenzölle reichten als Reaktion nicht aus. Es sollte auch das Instrument zum Schutz der EU vor wirtschaftlichen Zwang in Erwägung gezogen werden. Das "Anti-Coercion Instrument" (ACI) soll dazu dienen, Drittstaaten von wirtschaftlichen Drohungen abzuschrecken. Und es soll der EU die Möglichkeit geben, mit Gegenmaßnahmen zu reagieren, falls diese Drohungen dennoch umgesetzt werden. Das Anti-Zwangs-Instrument sieht demnach weitreichende Maßnahmen zu Handelsbeschränkungen vor. Auch die Besteuerung von US-Digitalkonzernen wird in der EU immer wieder diskutiert.
Dass Europa bislang nicht zurückgeschlagen hat, hält Politikanalyst Tobias Gehrke für einen Fehler. Dies hätte in seinen Augen bereits viel früher geschehen müssen. Denn es sei viel darüber geredet worden, dass Europa eine Position der Stärke habe, diese aber nie nutzte. In dem neuen 72-Milliarden-Paket an Gegenmaßnahmen sieht Gehrke ein wirksames Druckmittel. Allerdings kritisiert er, dass sich die Wirtschaftsminister nicht explizit hinter das Anti-Zwangs-Instrument gestellt haben.
So bleibt die Strategie auch nach dem Treffen wie sie schon vorher war: Es wird weiterverhandelt. Zugleich bereitet man sich auf alle Eventualitäten vor. Falls die Verhandlungen scheitern, müssen alle Optionen auf dem Tisch liegen.
dw