Wunsch und Wirklichkeit - der FC Bayern und das Talente-Problem

Thomas Müller, Bastian Schweinsteiger und Phillip Lahm sind passé beim FC Bayern. Wo sind die neuen bayerischen Helden? Und warum schafft es keines der vielen Talente zu den Profis? Karl-Heinz Rummenigge schaut neidisch nach Paris und Barcelona.
Kunst, Mathe und Sporttheorie standen für die Nachwuchshoffnungen des FC Bayern am Dienstag auf dem Stundenplan in Orlando. Während die gestandenen Profis des Rekordmeisters ihren freien Tag ausgiebig im Pool oder der Tischtennisplatte genossen, hingen Lennart Karl (17), Cassiano Kiala (16) und David Santos Daiber (18) über ihren Schulaufgaben.
"Ich habe mich an die Doppelbelastung gewöhnt", erklärte Santos Daiber auf der Vereinsseite. Die Belastung auf dem Platz hält sich ohnehin in Grenzen. Die Youngsters des FC Bayern, insgesamt sieben an der Zahl, kommen bei der Klub-WM erwartungsgemäß nicht zum Zug.
Karl, Aznou & Co. - Bayern-Talente außen vorEinzig der hochbegabte Lennart Karl durfte beim mühelose Eröffnungsspiel gegen Auckland City (10:0) eine Halbzeit lang mit Musiala, Müller und Co. wirbeln. Der 17-Jährige aus Markt Frammersbach gilt fraglos als das größte Talent am Bayern-Campus, doch trotz seiner 34 Tore und elf Vorlagen in der abgelaufenen U19-Saison ist er bei den Männern außen vor. Die Zeiten, in denen Jahr für Jahr hoffnungsvolle bayerische Eigengewächse an der Säbener Straße aus dem Boden schossen, scheint vorbei.
Den "Mut" von Louis van Gaal, auf Youngsters wie Thomas Müller, David Alaba oder Holger Badstuber zu setzen, habe Rummenigge "immer bewundert. Er hat dem Verein damit Werte geschaffen", sagte der ehemalige Vorstandsvorsitzende in der "Welt am Sonntag". Diese Werte sollen unter den sportlichen Verantwortlichen, Max Eberl und Christoph Freund, nun wieder auf- und vorgelebt werden. Doch anstelle von Nachwuchskräften scheint der Verein weiterhin an großen und teuren Lösungen zu arbeiten.
Vorbild PSG? Rummenigge warnt vor Gehaltsspirale"Man muss unglaublich aufpassen, dass man beim Gehaltsgefüge in keine Spirale kommt, die dann schwierig zu kontrollieren ist", sagte Rummenigge: "Wer das vorbildlich gelöst hat in den vergangenen 24 Monaten ist Paris St. Germain." Der von Präsident Nasser Al-Khelaifi allimentierte Topklub hat seine Philosophie fast vollends auf den Kopf gestellt und wurde nur ein Jahr später in München mit dem Champions-League-Titel belohnt. Auch der FC Barcelona mit Ex-Coach Hansi Flick hat es Rummenigge angetan: "Der Klub hatte ja größere finanzielle Probleme. Und Hansi hat aus der Not eine Tugend gemacht."
Ehrgeiziger Sparplan des FC BayernSo soll es künftig auch beim FC Bayern laufen. "Idealerweise" bringt der Rekordmeister laut Rummenigge "jedes Jahr einen Spieler raus, der es in die erste Mannschaft schafft." Die sportliche Führung möchte laut Rummenigge einen Kader mit 14 bis 16 Spieler aufbauen, die "auf sehr anständigem Niveau verdienen", dazu kämen vier bis sechs "auf einem niedrigeren Niveau" und der Rest soll aus "Campus-Spielern bestehen".
Woltemade-Transfer statt eigener NachwuchsDoch wie sieht die Realität aus? Nach dem Abgängen von Leroy Sané und Thomas Müller wurde anstelle der Integration der eigenen Jugend erst die Verpflichtung von Florian Wirtz und nun der Transfer von Nick Woltemade diskutiert.
Für Lennart Karl, der von Ex-Bayern-Star Michael Ballack beraten wird, ist die Perspektive so wie für die übrigen Talente nicht allzu rosig. Auch deshalb wird bereits über einen Abgang des Linksfußes im Sommer 2026 spekuliert, dann läuft sein Vertrag in München aus.
Nach Tel, Zirkzee und Stiller: Verliert Bayern auch Karl?Für den FC Bayern droht bei Karl ein ähnliches Szenario wie in den letzten Jahren, als Mathys Tel, Joshua Zirkzee, Angelo Stiller oder Malik Tillman (aus verschiedenen Gründen) München den Rücken kehrten und andernorts reüssierten. Mit Paul Wanner hat sich nun ein weiterer "Star von Morgen" in den Fokus gespielt, könnte unter Umständen aber in einen möglichen Woltemade-Deal nach Stuttgart eingeflochten werden.
In Florida arbeitet Karl neben dem Platz in erster Linie an seinem Realschulabschluss. Er stellt fest: "Man darf sich selbst nicht belügen, das bringt nichts in der Schule." Und auch bei den kommenden Vertragsgesprächen werden sowohl Karl als auch der FC Bayern ehrlich zu sich sein müssen: Platz für das nächste große bayerische Eigengewächs gibt es derzeit in München nicht.
Quelle: BR24Sport im Radio 03.07.2025 - 09:55 Uhr
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