Transfermarkt: Max Ropers über Financial Fairplay und Machtspiele

In der Sommerpause dreht sich das Wechselkarussell mit irrem Tempo. Kein Tag ohne Gerüchte. Fußball-Insider Max Ropers (32) beschäftigt sich seit vielen Jahren mit diesem ganz besonderen Markt. Der Hamburger hat ein Buch darüber geschrieben und zieht Parallelen zwischen Spielerwechseln und dem Kauf eines gebrauchten Mercedes.
Herr Ropers, in diesem Jahr hat der Weltverband Fifa für die 32 Teilnehmer der Klub-WM ein Extra-Transferfenster geöffnet. Eine Marktrevolution?
Nein. Die Klub-WM ist nur alle vier Jahre, diese Sonderlocke betrifft also nur jedes achte Transferfenster. Ich finde es aber bemerkenswert, wie manche Vereine wegen zwei Spielen auf durchschnittlichem Niveau hohe Ablösen zahlen. Herzlichen Glückwunsch an den FC Bayern, dass Jonathan Tah das 10:0 gegen Auckland mitgemacht hat. Die Fifa drückt ihre Interessen durch und will die WM sportlich möglichst wertvoll haben. Ob das den Markt nachhaltig verändert? Ich bin skeptisch.
Der Untertitel Ihres Buches lautet „Warum der Transfermarkt uns Fußball-Fans so fesselt“. Was fasziniert Sie selbst denn daran?
Mich fasziniert, dass es so viele fasziniert. Mit einem Tag Verspätung hab‘ ich mir früher im Urlaub die Zeitung gekauft, um zu gucken, wie der neueste Stand bei Paolo Guerrero (wechselte 2006 aus München zum Hamburger SV, Anm. d. Red.) ist. Als Maradona 1984 nach Neapel kam, wurden die Zeitungsläden in der Stadt Tag für Tag leer gekauft. Endlich ist man mal unabhängig vom Ergebnis auf dem Platz, wo mittlerweile vieles erwartbar ist. Auf dem Transfermarkt sind Ungewissheit und Spannung, da ist auch mal was Irrationales dabei. Das macht die Fans an. Erwartung erzeugt Begeisterung. Der Transfer von Harry Kane war spannender, als ihn jetzt spielen zu sehen. Leroy Sané wird diese Euphorie wie auf seiner Vorstellung bei Galatasaray wahrscheinlich nicht mehr entfachen. Selbst, wenn er sportlich komplett überzeugt.

Liebling der Tifosi: Der Transfer von Diego Armando Maradona sorgt in Neapel für Ausnahmezustände.
Quelle: imago images/Buzzi
Wie läuft ein typischer Transfer ab?
Treibende Kraft sind die Berater. Die sind das ganze Jahr über täglich im Austausch mit Managern. Berater optimieren die Karrieren, die Manager ihre Kader. Man braucht sich gegenseitig. Dass ein Klubvertreter direkt bei einem anderen Verein anruft, macht fast keinen Sinn mehr. Es ist ein konfuser Markt, in dem die stärkste Währung das Netzwerk ist. Und Leute, die einem vertrauen. Denn es wird viel Quatsch erzählt. Es ist eine hemdsärmelige Branche, in der nicht mit Terminankündigung und Sekretärin gearbeitet wird. Da musst du anrufen oder dich ins Auto setzen und diskutieren.
„Wir bieten 10 Millionen für Xhaka.“ So?
Klar (lacht). „Zehn Millionen, du willst mich doch verarschen!“ Auch in dem Ton. Viele sind keine Kinder von Traurigkeit. So ein bisschen wie im Gebrauchtwagenhandel, wo es mal lauter wird, wo man auch Sachen sagt, die wenig später abgehakt werden. Es gibt moderne Vertragswerke und Kanzleien, die hinzugezogen werden, aber der Kern des Geschäfts ist eher oldschool. Wenn du brav Mails schreibst und auf eine Antwort wartest, wirst du keinen großen Erfolg haben. Es ist eine Ellbogenbranche.
Viele setzen Vermittler ein ...
Ja, gerade international. Da gibt es einfach Barrieren. Sprachliche oder beim Vertrauen. Wenn Karl-Heinz Rummenigge für geheime Verhandlungen nach Italien gefahren wäre, hätte ja jeder eins und eins zusammengezählt. Der hat da selbst gespielt. Also werden andere geschickt.

An Leverkusen verkauft, den Bayern aber längst versprochen: Michael Ballack war 2002 einer der gefragtesten Fußballer der Welt.
Quelle: imago/Uwe Kraft
Sie schreiben auch von weiterführenden Absprachen. Da sind Spieler teilweise schon weiterverkauft, wenn sie gerade erst zu einem Klub kommen. Die Öffentlichkeit erfährt nichts davon. Stichwort: Michael Ballack.
Er war 2002 einer der besten Fußballer der Welt und ist für gerade mal 6 Millionen Euro zu Bayern gewechselt. Sein Berater Michael Becker hatte das beim Wechsel nach Leverkusen in den Vertrag als Klausel einbauen lassen, die nur von Bayern zu aktivieren war. Das ist gängige Praxis. Für Leverkusen war das sinnvoll, sonst hätten sie ihn 1999 nicht bekommen. Der Transfer von Serge Gnabry 2016 von Arsenal zu Werder ist noch ein Beispiel. Da dachte man sich „Hä?! Wieso geht der nur zu Bremen?“ Es war eine klare Ansage, dass er ein Jahr später nach München geht. Wenn Bayern direkt bei Arsenal angefragt hätte, hätten sie das Doppelte zahlen müssen.
Financial Fairplay: Manchester City, Paris und Barcelona verstießen dagegen, kamen aber glimpflich davon. Kleinere Klubs aus der Türkei oder Rumänien wurden von Wettbewerben ausgeschlossen. Wie ist das erklärbar?
Paris, mit der Stadt, den Stars und dem Geld: Die Uefa hat wirtschaftliches Interesse daran, dass die Champions League von möglichst vielen geguckt wird. PSG ist der Verein mit den viertmeisten (199 Millionen in allen sozialen Netzwerken) Followern. Der Wettbewerb ist wertvoller, wenn PSG dabei ist ... Es ist ein Spiel der Reichen und Mächtigen.
Die Kleinen sind die Bauernopfer?
Genau, Financial Fairplay ist vielleicht einfach nicht so durchdacht gewesen. Die großen Vereine brauchen sich, damit sie sich gegenseitig die Spieler zuschustern können. Weil die kein anderer Verein mehr bezahlen kann.
Info: Das Buch „Deadline Day“ ist im Ullstein Paperback erschienen.
rnd