Schiedsrichter-Wettskandal in der Türkei: Flop, die Wette gilt

Saubermannstage beim türkischen Fußballverband: „Als Verband haben wir damit begonnen, unseren eigenen Hof zu säubern“, sagte İbrahim Hacıosmanoğlu, Präsident des türkischen Fußballverbandes (TFF), in einer Pressekonferenz zu Beginn der Woche. Wie dreckig der zu säubernde Hof ist, zeigen die vom TFF veröffentlichten Zahlen. Von 571 im Verband registrierten Schiedsrichtern sollen 371 ein Wettkonto besitzen. 152 davon sollen regelmäßig Wetten abgeschlossen haben. Horrende Zahlen, die nur von Einzelfällen übertrumpft werden. So soll ein besonders eifriger Schiedsrichter insgesamt 18.227 Wetten abgeschlossen haben. 42 Schiedsrichter hätten jeweils über 1000 Wetten platziert. Auch Top-Schiedsrichter werden in den Berichten namentlich genannt, darunter sieben Süper-Lig-Hauptschiedsrichter und 15 Assistenten. Einer der bekanntesten ist Zorbay Küçük. Er äußerte sich am Donnerstag zu den Vorwürfen und beteuerte, noch nie ein Wettkonto eröffnet zu haben – jemand habe seine Identität missbraucht. Daraufhin wandte er sich mit einer Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft.
Der TFF übergab die Fälle der professionellen Fußball-Disziplinarkommission (PFDK). Nach Artikel 57 der Disziplinarordnung drohen Schiedsrichtern, die wegen Wetten auf Fußballspiele für schuldig befunden werden, Sperren von drei Monaten bis zu einem Jahr für alle fußballbezogenen Tätigkeiten. Unklar ist zurzeit, auf welche Partien die Schiedsrichter gewettet haben sollen. Falls sie Geld auf selbst geleitete Spiele gesetzt haben sollten, stünde der Vorwurf der Spielmanipulation im Raum, welcher eine lebenslange Sperre nach sich ziehen kann.
Eine Sperre wäre für die betroffenen Schiedsrichter wohl das geringste Übel, denn nicht nur die Disziplinarkommission, sondern auch die Staatsanwaltschaft Istanbul geht den Fällen nach. Bereits im vergangenen April leitete sie Ermittlungen wegen mutmaßlicher Beteiligung mehrerer Schiedsrichter an illegalen Sportwetten ein. Nach den jüngsten Enthüllungen wird das Verfahren nun ausgeweitet und die Akten zusammengeführt. Ermittelt wird wegen möglicher Verstöße gegen das „Gesetz zur Verhütung von Gewalt und Unruhen im Sport“ (bei Spielmanipulationen sind Haftstrafen von fünf bis zwölf Jahren möglich) sowie das „Gesetz über die Organisation von Wetten und Glücksspielen im Sport“ (bei systematischer oder gewerbsmäßiger Teilnahme sind drei bis fünf Jahre Haft möglich).
José Mourinho über die Süper Lig
Präsident Hacıosmanoğlu betont, dass der Verband Transparenz schaffen wolle, um das Vertrauen in den türkischen Fußball wiederherzustellen. Das hat in den vergangenen Jahren rapide abgenommen. Mehrere Mannschaften verließen in den vergangenen Jahren nach Aufforderung ihrer Vereinspräsidenten vorzeitig wegen „systematischen Schiedsrichterfehler und Ungerechtigkeiten“ den Rasen. Die Wut über Schiedsrichterentscheidungen trieb Ankaragücüs Präsident Faruk Koca dazu, einem Schiedsrichter nach der Partie durch Faustschlag das Jochbein zu brechen. Ex-Fenerbahçe-Trainer José Mourinho löste seine Verstimmung gegenüber den Schiedsrichterleistungen verbal. Die türkische Liga sei noch korrupter, als er gedacht habe: „Sie ist dunkel, sie riecht übel.“
Nach Angaben der Ermittler wird der Fall unter anderem von der Finanzermittlungsbehörde MASAK koordiniert, die Geldflüsse von inländischen und internationalen Bankkonten prüft. Zudem werden Abonnementdaten von Wettanbietern, Zeugenaussagen und Aufzeichnungen über platzierte Wetten ausgewertet. Für die Analyse der Unterlagen stellt die Staatsanwaltschaft eine Zeitspanne von fünf Jahren in Aussicht.
Skandal weitet sich ausDie türkischen Spitzenvereine unterstützen das Vorhaben des TFF. In einer Pressemitteilung bezeichnet Besiktas die Arbeit des türkischen Fußballverbandes unter Hacıosmanoğlu als „Meilenstein für sauberen Fußball“. Trabzonspor sieht eine „historische Chance für den Wiederaufbau der Gerechtigkeit im türkischen Fußball.“ Geschlossen stellten sich die Vereine hinter die Ermittlungen und äußerten ihre volle Unterstützung.
Nach einem Bericht des Senders Habertürk, der sich auf Informationen aus Justizkreisen stützt, werden die Untersuchungen allerdings nun auch auf Vereine und Spieler ausgeweitet. Insgesamt sollen etwa 3.700 Spieler überprüft werden.
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