Olympische Spiele | Bürgerentscheid in München: Olympia scheidet die Geister
Kurz vor der Abstimmung könnten die Meinungen nicht unterschiedlicher sein. »Langfristig«, so der SPD-nahe Münchner Mieterverein, könnten auch die Mieter in der bayerischen Landeshauptstadt von Olympischen Spielen profitieren. Dagegen verkündet das Bündnis »NOlympia« auf einem Flugblatt: »Olympia hat in fast jeder Ausrichterstadt zu steigenden Mieten geführt. Neue Mietenrekorde können sich die meisten Münchner einfach nicht leisten«. Und: »Stimmen Sie mit Nein!« Für den Bürgerentscheid am 26. Oktober haben die Menschen in München eine ganze Bandbreite an Argumenten für oder gegen eine Olympia-Bewerbung ihrer Stadt zur Auswahl.
Der Münchner Stadtrat ist sich schon seit dem 28. Mai sicher. Eine große Mehrheit von SPD, Grünen und CSU sprach sich für eine Bewerbung aus. Dagegen stimmten unter anderen Die Linke und Die Partei. Die Befürworter führen ins Feld, dass München bereits viele bestehende Sportstätten nutzen könne, dass der öffentliche Personennahverkehr ausgebaut und neue Wohnungen gebaut würden und dass die Wirtschaft gestärkt werde.
Bündnis befürchtet KnebelverträgeDas Bündnis »NOlympia« wiederum, zu dem neben der Linken auch die Ökologisch-Demokratische Partei, Attac, der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) und andere gehören, befürchtet neben steigenden Mieten auch »Knebelverträge« des Internationalen Olympischen Komitees, mit denen die Stadt auf Kosten und Problemen sitzen bleibe. »Das Geld, das für die Spiele nötig wäre, könnte sinnvoller eingesetzt werden: für bezahlbare Wohnungen, besseren Nahverkehr, eine starke Kultur und Sportangebote, die allen zugutekommen«, so das Bündnis.
Wie ist nun die Stimmung in der Stadt vor dem Bürgerentscheid? Für Susanna Pfaus ist die Sache klar: »Ich werde nicht zustimmen.« Vor einigen Tagen hatte die 62-jährige Fachverkäuferin zuerst einen Flyer der Linken im Briefkasten, dann die Wahlunterlagen der Stadt München zum Bürgerentscheid für eine Bewerbung für die olympischen Sommerspiele im Jahr 2036, 2040 oder 2044. Auf dem Linke-Flugblatt stand: »Ablehnen«, auf dem Faltblatt bei den Wahlunterlagen stand: »Miteinander Großes schaffen!«
Sportvereine und Handelskammer sind für die BewerbungNach einigen Überlegungen hat sich Susanna Pfaus dann entschieden. »Wir haben so viele andere Probleme in Deutschland«, meint sie und denkt an marode Brücken und den Mangel an bezahlbaren Wohnungen. Anders Birgit Unterhuber. Die 41-jährige Angestellte ist Präsidentin des Laimer Eisenbahner-Sportvereins, dort hat sich das Präsidium für die Olympia-Bewerbung ausgesprochen. Ein Ja, so die Präsidentin, verspreche »nachhaltige Investitionen in örtliche Sportförderung und Sportstätten«. Und: »Vereine sind Keimzellen des Leistungssports, weshalb wir als Münchner Traditionsverein klar für Olympische Spiele in München sind.«
Hört man sich in der Stadt weiter um, verwundert es wenig, dass vor allem jene Akteure, die von den Spielen profitieren würden, sich dafür aussprechen. Die Industrie- und Handelskammer (IHK) für München und Oberbayern zum Beispiel. »München kann Olympia! München ist ein erstklassiger Gastgeber für das größte Sportfest der Welt. Olympische und Paralympische Spiele stärken die Stadt, entfachen eine Begeisterung bei den Menschen und beschleunigen massiv geplante Projekte zeitlich sowie finanziell und richten die Augen der Welt auf die Weltstadt mit Herz«, so IHK-Präsident Klaus Josef Lutz. Wer »Ja« zu Olympia sage, sage auch Ja zu einem zukunftsfähigen ÖPNV, zu mehr bezahlbarem Wohnraum, zu nachhaltiger Stadtentwicklung und zu einem starken Wirtschaftsstandort auch in Zukunft.
BUND befürchtet Verschwendung von SteuergeldernAuch der Bayerische Hotel-und Gaststättenverband steht hinter der Olympia-Bewerbung, denn sie verbinde »Tradition, Moderne, Gemeinschaft und Wirtschaftskraft«. Man erwartet einen wirtschaftlichen Schub mit mehr Gästen, mehr Investitionen und mehr internationale Aufmerksamkeit.
Natürlich plädieren auch die Sportler für Olympia. So unterstützt der Bayerische Landes-Sportverband »die Landeshauptstadt und die bayerische Staatsregierung auf voller Breite bei der innerdeutschen Bewerbung als Austragungsort der Olympischen und Paralympischen Spiele«. Die Liste an »positiven Effekten mit nachhaltigen Nebenwirkungen« für den Sport in München, Bayern und Deutschland sei lang.
Der BUND dagegen meint, die Entscheidung über die Bewerbung finde »ohne jegliche Fakten« statt: »Wir wissen nicht, was alles kommen wird, wo welche Bäume gefällt werden, wo was gebaut wird und vor allem was das alles kostet.« Man befürchtet zudem die Verschwendung von Steuergeldern: »Die Stadt gibt allein sieben Millionen Euro an Steuergeldern für die Olympia-Bewerbung aus. Gleichzeitig kürzt sie Kultur-, Sozial-, Natur- und Klimaschutz-Projekte. Eine mögliche Ausrichtung der Spiele kostet mehrere Milliarden und bedeutet ein enormes finanzielles Risiko. Auch die Versprechungen, viele Projekte auch für den ÖPNV kämen nur mit den Spielen, laufen ins Leere: Wieso sollte dann auf einmal das Geld da sein, das der Staat jetzt offensichtlich nicht hat?«
Die Grünen sind sich nicht einigZu den Gegnern des Projekts gehören auch Mitglieder der Grünen wie Landtagsvizepräsident Ludwig Hartmann, während die Partei im Stadtrat dafür stimmte. Auch Hartmann befürchtet steigende Immobilienpreise und Mieten. Die Linke warf der SPD sogar vor, sie habe ihren sozialen Kompass verloren und setze lieber auf »üppige Prestigeevents«. Ihr Fraktionschef Stefan Jagel warnte, am Ende stünden »Kürzungen im Sozialbereich«. Die AfD stellt sich übrigens hinter die Bewerbung.
Sollte eine Mehrheit für die Bewerbung stimmen, ist das nur der erste Schritt auf einem langen Weg. Denn München müsste sich gegen die anderen deutschen Bewerber – Berlin, Hamburg, das Ruhrgebiet – durchsetzen, und dann auch noch gegen die internationale Konkurrenz. Ob es dazu überhaupt kommt, entscheiden nur die Münchnerinnen und Münchner.
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