NBA-Finalserie: Entscheidungsspiel statt Schampusdusche

Es ist also auch nach Donnerstagabend nicht abschließend geklärt, welche Sorte Champagner am Ende der NBA-Saison verspritzt wird. Ja, das ist Thema. Schampus-Spritzen ist die Weißbierdusche der Amerikaner, und weil in diesem Land alles vermarktet wird, veröffentlichte die New York Times dieser Tage einen spannenden Artikel über Alkohol- und insbesondere Champagner-Sponsoring bei Großevents: Der langjährige offizielle Sponsor der Basketballliga ist Moët & Chandon, es gibt aber keine vertragliche Verpflichtung, beim Titelgewinn diesen Champagner zu verwenden. Die Indiana Pacers nämlich haben einen Deal mit Le Chemin du Roi, der Marke von Rapper 50 Cent. Das dürfte deren erste Wahl bei der möglichen Dusche in der Kabine sein.
Indiana hat am Donnerstagabend mit 108:91 gewonnen und damit das erzwungen, was bei US-Sportfans für mindestens so viel Bitzeln und Britzeln auf der Zunge sorgt wie ein paar Tropfen Schampus: Game Seven – entscheidendes siebtes Spiel. Nach jeweils 82 Partien der regulären Spielzeit sowie je 22 Playoff-Partien für beide Teams läuft es nun also auf diese eine Partie am Sonntag Ortszeit (Montag, 2 Uhr MESZ) in Oklahoma City hinaus. Das ist Zuspitzung, die sie lieben (und auch so vermarkten) in diesem Land.

Isaiah Hartenstein ist der Dreh- und Angelpunkt bei Oklahoma City Thunder. Über einen, der nach Dirk Nowitzki der zweite deutsche NBA-Champion werden kann – und der von einem cleveren Plan profitiert.
Eine verlässliche Prognose ist unmöglich, wie der Verlauf der Spiele bislang zeigt: In drei Partien gab es jeweils ein Comeback des späteren Siegers im Schlussviertel; zweimal waren das die Pacers. Zwei Spiele dominierte der Favorit aus Oklahoma City, weshalb vor der sechsten Partie galt: Thunder tut sich massiv schwer gegen tapfere Pacers. Deren Trainerfuchs Rick Carlisle, Coach der Dallas Mavericks beim Triumph 2011 über haushoch favorisierte Miami Heat, nutzt jede Schwächephase des Gegners ausgebufft; er schickt oft bewusst die Akteure ohne die großen Verträge aufs Feld, Aaron Nesmith, T.J. McConnell, Obi Toppin. Es galt aber auch: Wenn Thunder nicht zu einer größeren Schwächephase gezwungen wird, gewinnen sie mit nahezu größtmöglicher Wahrscheinlichkeit.
Nun aber gibt es 303 Sekunden zu Beginn der zweiten Halbzeit am Donnerstag für Analyse und Prognosen: Indiana hatte bereits 64:42 geführt, weil Oklahoma City alles getroffen hatte in der Halle von Indianapolis – nur kaum durch den Ring. Gut, man hatte wildere Aufholjagden gesehen in dieser Serie, also war da noch nichts entschieden. Nur: Es kam noch schlimmer für Oklahoma City. Mehr als fünf Minuten lang erzielten sie keinen einzigen Punkt. Center Isaiah Hartenstein, dem insgesamt zehn Punkte gelangen, beendete die Durststrecke mit einem krachenden Dunking – aber es war eben nur das Ende der punktelosen Zeit und nicht der Start des Comebacks. 90:60 hieß es Ende des dritten Viertels, danach ließen beide Trainer ihre Spieler vom hinteren Ende der Ersatzbank ein bisschen Final-Erfahrung sammeln.
„Champions find a way“: Die Thunder müssen noch zeigen, dass sie auch ein schlechtes Spiel gewinnen könnenWas passiert, wenn es bei Thunder läuft, und wie sie verlieren, wenn sie einbrechen oder kaum was treffen, das hat man gesehen. Was noch nicht zu sehen war: Wie sie einen Weg finden, eine Partie zu gewinnen, wenn es nicht läuft. Die Aufholjagd im vierten Spiel in Indianapolis war eher dem Einbruch der Pacers geschuldet, weil die nichts mehr trafen. „Champions find a way“, sagen die Amerikaner dazu, dass im Sport nicht immer die Besten gewinnen, sondern oft die, die bei aller Nervosität in sportlichen Extremsituationen einen Pfad zum Erfolg erkennen – und ihn dann auch gehen.
Sie haben ja noch ein Spiel für den Beweis, dass sie das auch können – gut möglich, dass dies gegen die variablen Carlisle-Schützlinge gefordert sein wird. Am Donnerstag punkteten sechs Pacers-Akteure zweistellig; sie suchten oft nicht ihre Stars Pascal Siakam oder den ohnehin angeschlagenen Tyrese Haliburton für den Abschluss (die beiden kamen gemeinsam auf nur 30 Zähler), sondern den Spieler mit dem in diesen Spielminuten treffsicheren Händchen. Darauf müssen sie eine Antwort finden in Oklahoma City, damit am Sonntag in heimischer Halle nicht der Schampus der Pacers fließt – sondern der des Ligasponsors. Thunder nämlich, fand die Times auch heraus, hat keinen Privat-Champagnersponsor.
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