Mathieu van der Poel bangte um den Tour-Start – nun erobert er zum zweiten Mal in seiner Karriere das Maillot jaune


Es beinhaltete alles, was Velorennen spannend, gefährlich oder brutal macht – dieses erste Wochenende der Tour de France im Pas-de-Calais. Es gab starken Wind, heftigen Regen, Stürze, Windkanten und giftige Anstiege. Um zwei unter solchen Bedingungen ausgetragenen Etappen den Stempel aufzudrücken, braucht es ein radfahrerisches Multitalent. Eines, wie Mathieu van der Poel eines ist.
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Der 30-jährige Niederländer war in seiner Karriere schon Strassen-Weltmeister, hat je dreimal die Flandernrundfahrt und Paris–Roubaix gewonnen, dazu zweimal Mailand–Sanremo, ein weiteres Monument des Radsports. Eine Etappe der Tour de France hatte er jedoch seit vier Jahren nicht mehr für sich entschieden.
Van der Poel startet im Mountainbike-Weltcup – und stürztAnders als die anderen Profis sprach van der Poel vor dem diesjährigen Tour-Start in Lille weniger von Sicherheitsbedenken, der Nervosität im Feld und den davon ausgehenden Gefahren. Vielmehr sagte er: «Für unser Team wird es eine schöne Woche.» Es gebe zahlreiche Chancen für ihn und den zweiten Star der Equipe Alpecin-Deceuninck, Jasper Philipsen. «Ich werde versuchen, Jasper im Sprint zu helfen, und werde alles tun, dass er in einer guten Position ist», sagte van der Poel.
Dass er solche Sätze sagt, ist nicht selbstverständlich. Noch vor einem Monat bangte van der Poel um die Teilnahme an der Tour. Er, ganz Multitalent, startet nicht nur auf der Strasse, sondern auch im Cyclocross, wo er siebenmaliger Weltmeister ist, und im Mountainbike. In letzterer Sparte nahm er nach vier Jahren Pause wieder einmal an einem Weltcup-Rennen teil – und stürzte gleich zwei Mal. Kahnbein-Bruch. Bänderverletzung im Handgelenk.
Für den Husarenritt im Gelände und die damit verbundenen Verletzungen kritisierten manche Experten van der Poel. Er gefährde die optimale Vorbereitung auf die wichtigste Rundfahrt des Jahres, seinen Tour-Start sogar. Er schwäche sein Team, sei selbst schuld an den Stürzen und solle sich auf die Strasse konzentrieren. Am Sonntag dürften diese Kritiker verstummt sein.
Van der Poel ist die grosse Figur der ersten beiden Tour-Etappen. Wie höchstselbst prophezeit, führte er den Teamkollegen und Sprintstar Philipsen zunächst versiert durch die chaotische Startetappe in Lille, brachte ihn als Anfahrer auf ein horrendes Tempo. Der Belgier Philipsen triumphierte im Sprint, er hat jetzt zehn Etappensiege an der Tour de France geschafft – und trug zum ersten Mal in der Karriere das Maillot jaune. Wenigstens für einen Tag.
Van der Poel triumphierte seinerseits in der komplizierten zweiten Tour-Etappe nach Boulogne-sur-Mer, vor Tadej Pogacar und Jonas Vingegaard. «Es war schwieriger, als ich erwartet hatte. Die Rampen im Finale waren hart», sagte van der Poel. Dank dem Sieg eroberte er das Leadertrikot von seinem Teamkollegen. Die Stimmung dürfte das nicht beeinträchtigen: «Wir verstehen uns gut und sind immer ehrlich zueinander», sagte van der Poel über sein Verhältnis zu Philipsen.
Am Montag steht schon die nächste Flachetappe auf dem Tour-Programm. Van der Poel wird dann Philipsen wieder so sicher wie möglich auf die Zielgerade navigieren und ihm dort als Anfahrer zur Seite stehen. Maillot jaune hin oder her.
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